Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.4. Contre-blocus de l’Axe et guerre maritime
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 390
volume linkBern 1991
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13634* | |
Dossiertitel | Beschlussprotokoll(-e) 27.09.-01.10.1940 (1940–1940) |
dodis.ch/47147
1595. Bericht über den gegenwärtigen Stand der «Gegenblockade»
1. In seinem Bericht vom 12. August2 gab das Volkswirtschaftsdepartement dem Bundesrat Kenntnis von den von Deutschland und Italien autonom beabsichtigten Massnahmen gegenüber der Schweiz. Ausfuhr nach den kriegführenden Staaten, insbesondere England.
2. Der Direktor der Handelsabteilung hat nicht ermangelt, den englischen Handelsattaché über die Regelung i./S. Gegenblockade am 13. August a.c.3 eingehend zu orientieren und ihm klar zu machen, dass es in kurzer Zeit nicht mehr möglich sein werde, die genannten kriegswichtigen Waren ohne einen deutschen resp. italienischen Geleitschein nach England zu exportieren. Diese Übergangszeit hat nun ziemlich lange gedauert, indem die entsprechende deutsche Verordnung, die am 1. Sept. 1940, in Kraft getreten ist, erst am 5. Sept. 1940 sind aber immer noch Waren der Liste I (Anlage I z. Bericht des Volkswirtschaftsdepartements vom 12. August) über die französische Grenze zum Export nach England gelangt, weil die Schweiz die lückenlose Organisation an der Westgrenze erst von diesem Zeitpunkt an und gestützt auf bezügliche deutsche Vorstellungen vorgenommen hat. Es ist eben vorgekommen, dass auf der schweizerischen Ausfuhrbewilligung entweder kein Ausfuhrzollamt angegeben war resp. eine über die ital. oder deutsche Grenze vorgesehene Ausfuhr sich im letzten Moment über die französisch-schweizerische Grenze vollzog. Wollte man den Verpflichtungen gegenüber den Achsenmächten nachkommen - d.h. Ausfuhrbewilligungen über die französische-schweizerische Grenze erst erteilen, wenn die entsprechenden französischen Ausfuhrverbote erlassen worden sind - so musste schweizerischerseits Vorsorge getroffen werden, dass die Zollämter an der französisch-schweizerischen Grenze Waren der Anlage I der deutschen Verordnung auch dann nicht freigaben, wenn zwar eine Ausfuhrbewilligung vorlag, diese Bewilligung aber auf ein Zollamt der schweizerischdeutschen oder schweizerisch-italienischen Zollgrenze lautete.
Diese Verweigerung von Ausfuhrbewilligungen durch die Schweiz vom 19. September an hat nun die Engländer stark verstimmt, weil sie der Auffassung sind, ohne eine solche Stellungnahme durch die Schweiz. Behörden wäre es möglich geworden, noch Exporte nach England von Waren der Liste I über das unbesetzte französische Gebiet via SpanienPortugal durchzuführen.
Dazu ist aber folgendes auszuführen:
In den jüngsten Verhandlungen mit einer deutschen Delegation ist zur Kenntnis gebracht worden, dass die zur Durchführung der Gegenblockade nötigen französischen Massnahmen in allernächster Zeit publiziert werden. Die Engländer behaupten von solchen französischen Massnahmen nichts zu wissen, während sich die Schweiz auf den Standpunkt stellte, unmöglich riskieren zu können, dass im Moment der Publikation der französischen Verbote noch grössere Mengen Schweizerwaren sich dann in Frankreich der Gefahr der Sequestrierung aussetzen dürfen. Der Ablauf der Ereignisse hat in der Folge der Schweiz. Einstellung durchaus recht gegeben, indem nach erhaltenen Mitteilungen bereits am 18. September Frankreich die entsprechenden Ausfuhrverbote erlassen hat. Exporte durch Frankreich der Liste I können daher nur noch mit einem deutschen Geleitschein erfolgen.
Leider hat das Volkswirtschaftsdepartement bisher offiziell noch keine Kenntnis erhalten vom franz. Dekret betr. die Ausfuhrverbote vom 18. September und auch die hiesige deutsche Gesandtschaft ist offenbar noch nicht instruiert betr. die Ausstellung von Geleitscheinen über die schweizerisch-französische Grenze. Da Herr Gesandter Hemmen dieser Tage in Bern weilt, wird das Departement mit der deutschen Gesandtschaft und mit ihm die Sache besprechen und dafür sorgen, dass nunmehr auch der Verkehr über die französisch-schweizerische Grenze sich nur noch im Rahmen der autonomen deutschen resp. französischen Massnahmen abwickelt.
3. Verhandlungen mit England. Der vom 11. September datierte Bericht unseres Gesandten in London4 über seinen Besuch beim stellvertretenden Minister für Blockade-Fragen, Mr. Foot, dem Herr Thurnheer die bevorstehende Ankunft von Prof. Keller mitteilte, bemerkte u.a. «Zusammenfassend erklärte mir Herr Foot, dass die Engländer Prof. Keller sehr gerne empfangen werden, um mit ihm eine Reihe von Fragen zu diskutieren. Er gestehe aber offen, dass Minister Thurnheer gut tun werde, Keller zu warnen, dass er ev. ohne Abmachung in die Schweiz zurückkehren müsste.» Ferner erklärte der in die Schweiz zurückkehrende Vertreter der Schweiz. Versicherungsgesellschaft in London, R. Zürrer, unserm Geschäftsträger in Lissabon am 18. crt: «Suivant l’opinion d’une haute personnalité britannique touchant de près l’autorité chargée d’appliquer le blocus, l’Angleterre déclarera incessamment la Suisse territoire belligérant (sic) qu’il [y a lieu de bloquer étroitement. Pour ce motif, la mission du Prof. Keller serait vouée à un insuccès certain».
Nach einem ersten Telegramm von Prof. Keller, der am 13. Sept. in London gut angekommen ist, begannen die Verhandlungen in nicht gerade günstiger Atmosphäre. Bereits am 23. Sept. telegraphierte Keller5: Unsere Verhandlungen äusserst gefährdet durch Bericht Setchells, dass die Schweiz keine Ausfuhrbewilligungen für Export nach Grossbritannien mehr erteilt.
Darauf hat das Departement wie folgt geantwortet: «Lage für Warenliste I mit Transitzertifikat nach Frankreich äusserst verworren. Deutsche Delegation rechnet mit baldigen franz. Ausfuhrverboten, sodass Ausfuhrbewilligungen für Liste I nicht zu verantworten. Riskieren Konfiskationen in Frankreich und schwere Folgen für Schweiz besonders für Kohlenzufuhr. Liste I allein betroffen, für übrige Waren Ausfuhr nach England möglich, was mehr als 50% Ausfuhr 1940 ausmacht. Suchen trotzdem in dieser schwierigen Lage einen Weg.»
Nach einem weitern Telegramm Kellers vom 27. Sept.6 entstünden ferner grosse Schwierigkeiten für die Londoner Verhandlungen dadurch, dass nach einem Bericht Setchells die Schweiz Ausfuhrbewilligungen für U.S.A. verweigert. Darauf ist zu antworten - was übrigens Herr Prof. Keller gestützt auf den geheimen Notenwechsel mit Deutschland vom 9. August a.c. schon weiss -, dass eben die Ausfuhrbewilligungen für alle Waren der Liste I über die schweizerisch-französische Grenze für alle Provenienzen seit dem 19. Sept. zurückgehalten werden mussten bis zum Moment, wo auch über diese Grenze, gestützt auf deutsche Geleitscheine, Durchfuhren insbesondere nach den U.S.A. wiederum möglich werden.
4. Zusammenfassend stellt das Departement fest, dass die englische Verstimmung sicherlich der Schweiz gegenüber nicht gerechtfertigt ist, da das Land sowenig wie gegenüber den Westmächten auch gegenüber den Achsenmächten nicht in der Lage war, deren Blockademassnahmen zu beseitigen. Dass es Deutschland möglich geworden ist, sich mit Frankreich auch bezüglich der Durchfuhr durch das unbesetzte Frankreich im Sinne der deutschen Wünsche zu einigen, kann doch sicherlich nicht der Schweiz zur Last gelegt werden.
Es wird daher die nächste Aufgabe sein in den kommenden Tagen durch die vorgesehene Besprechung mit dem Gesandten Hemmen und der deutschen Gesandtschaft dafür zu sorgen, dass das vorgesehene Geleitschein-System nunmehr auch gegenüber der Ausfuhr über die schweizerisch-französische Grenze zum möglichst baldigen Spielen kommt, damit man wiederum Ausfuhrbewilligungen auch für die Waren der Liste I über die genannte Grenze erteilen kann. Ferner beabsichtigt das Departement, Herrn Setchell in der commission mixte über die jetzige Lage eingehend aufzuklären, um zu erreichen, dass er seine Regierung in zutreffender Weise über die Lage der Schweiz gegenüber der deutschen-italienischen Gegenblockade unterrichtet. Es wird sich dann zeigen, ob Herr Setchell und mit ihm auch der englische Gesandte davon zu überzeugen sind, dass die gegenwärtige Haltung der engl. Regierung der Schweiz gegenüber auch nicht den wohlverstandenen englischen Interessen entspricht. Das Departement wird bei dieser Aussprache in der commission mixte nicht müde werden zu betonen, dass die Schweiz in einer ganz besondern Lage ist und sie der bestimmten Hoffnung Ausdruck geben muss, dass auch England erneut wie auch die Achsen-Mächte nach Möglichkeit dieser Lage Rechnung tragen werde. Der heutige Zustand als Folge der unverständlichen englischen Haltung ist unerträglich und kann bei etwas mehr Verständnis für unsere Lage wesentlich erleichtert werden, ohne dass dadurch die Wirkung der englischen Blockade in einem irgendwie nennenswerten Umfang zu Gunsten der Achsenmächte durchbrochen wird.
- 2
- Cf. No 363.↩
- 3
- Cf. No 365.↩
- 4
- Cf. No 380.↩
- 5
- Non reproduit; cf. E 7110 1973/134/4.Cf. aussi No 387 (le rapport de Keller du 25 septembre n’était sans doute pas encore parvenu à Berne le 30, lorsque le rapport du Département fut distribué aux membres du Conseil fédéral).↩
- 6
- Non reproduit; cf. E 7110 1973/134/4.↩
Tags