Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
B. AVEC LES ÉTATS EUROPÉENS NON LIMITROPHES
16. Tchécoslovaquie, Etat slovaque, Protectorat de Bohême et Moravie
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 42
volume linkBern 1991
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2300#1000/716#124* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2300(-)1000/716 65 | |
Dossiertitel | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 40 (1939–1939) | |
Aktenzeichen Archiv | 19 |
dodis.ch/46799
Als ich gestern nachmittags von Mannheim wieder in Berlin eintraf, teilte mir Dr. Kappeler mit, dass er am Tage zuvor den Besuch des Hochkommissars von Danzig hatte. Professor Burckhardt habe vom Auswärtigen Amt erfahren, dass man die Lage in der Tschechoslowakei für sehr ernst ansehe, so dass er annehme, der Einmarsch sei beabsichtigt. Polen hätte Zusicherungen erhalten, dass die Lösung nicht in einer Art und Weise erfolge, die den polnischen Interessen widerspreche. Bezüglich Danzig und Memel seien keine Änderungen beabsichtigt, aber man könne nicht wissen, ob die Ereignisse nicht auch in jenen Gebieten Rückwirkungen haben werden.
Im Laufe des gestrigen Nachmittags hörte ich dann von Kollegen, das der tschechoslowakische Staatspräsident am Abend bei Hitler eintreffen werde. Ich habe Sie telephonisch hiervon verständigt. Man schloss daraus, dass die Tschechen bereit sind, die Forderungen Deutschlands anzunehmen, und glaubte allerdings irrtümlich, dass dies den Einmarsch unnötig machen werde. Es wurde auch bekannt, dass die Ungarn die Ermächtigung erhalten haben, in die Karpatho-Ukraine einzumarschieren und damit die gemeinsame Grenze mit Polen zu verwirklichen. Man sagte auch, dass am Abend zuvor die tschechische Regierung ihre Einwilligung geben musste, die Slowakei als unabhängigen Staat anzuerkennen. Bezüglich der Forderungen, die hinsichtlich der Tschechoslowakei gestellt wurden, erging man sich in Mutmassungen. Man erfuhr auch, dass Göring seinen Ferienaufenthalt in Italien unterbrochen habe und am Abend in Berlin eintreffen werde.
An einem Diner auf der Schwedischen Gesandtschaft, wo auch der tschechische Gesandte und Staatsminister Meissner hätte erscheinen sollen, aber im letzten Moment absagten, hörte man dann, dass die deutschen Truppen bereits die tschechische Grenze überschritten hätten. Widerstand sei bisher nicht erfolgt. Die Tschechoslowakei würde als selbständiger Staat aufhören, entwaffnet und den Tschechen würde nur noch gestattet ihre völkische Eigenart zu pflegen. Herr von Neurath, der ebenfalls anwesend war, betonte, dass die Ereignisse Deutschland vollständig überrascht hätten. Man wird diesbezüglich skeptisch sein. Richtig ist, dass man sich deutscherseits offiziell den Anschein gab, dass sich im März nicht das Geringste ereignen werde. Alle meine Kollegen und auch ich haben daher diese Entwicklung nicht kommen sehen. Rückblickend wird man sich aber daran erinnern, dass Deutschland mir der Haltung der Tschechoslowakei nicht befriedigt war (vgl. meinen Bericht von 10. Februar2)und dass der Besuch des tschechoslowakischen Aussenministers anfangs Februar in Berlin dazu benutzt wurde, um ihn vor den Folgen zu warnen. In den diplomatischen Kreisen nahm man aber an, dass die tschechoslowakische Regierung bereit sei, den berechtigten Wünschen Deutschlands Rechnung zu tragen und dass daraus keine Weiterungen entstehen würden. Ich legte daher auch gewisse Meldungen aus privater Quelle, die ich vor circa vier Wochen erhielt, dass Mitte März die Aufteilung der Tschechoslowakei vor sich gehen werde, keine Bedeutung bei, ebenso einer gleichlautenden Information, die mir vor acht Tagen zuging. Diese Informationen lassen immerhin darauf schliessen, dass die Entwicklung für Deutschland nicht überraschend kam und dass man geschickt Fehler der tschechischen Staatsführung ausnutzte, um die extremen Pläne zu verwirklichen, die im Herbst in Anbetracht des Widerstandes der Westmächte nicht durchgesetzt werden konnten3.
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