Classement thématique série 1848–1945:
IV. RÉFUGIÉS, IMMIGRATION, POLICE DES ÉTRANGERS
IV.1 LA SUISSE ET L'IMMIGRATION JUIVE
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 471
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E4260C#1969/138#40* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 4260(C)1969/138 3 | |
Titre du dossier | Interpellation Trümpy vom 21. September 1938. Interpellation Müller, Biel vom 9. November 1938 (1938–1939) |
dodis.ch/46731 Le Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, au Conseiller national Guido Müller1
Unter Bezugnahme auf die heute Vormittag erfolgte Begründung Ihrer Interpellation über die Flüchtlingsfrage2, anlässlich welcher Sie es für nötig fanden, den Chef der Polizeiabteilung als Antisemiten hinzustellen, beehre ich mich, Ihnen in der Beilage folgende Dokumente zu überreichen, denen Sie entnehmen wollen, wie heftig dieser Antisemitismus ist:
1. Mein Referat an der Generalversammlung der Schweiz. Zentralstelle für
Flüchtlingshilfe in Olten vom 4. November 19363,
2. meinen Vortrag an der Delegiertenversammlung der Neuen Helvetischen
Gesellschaft in Zürich «Die Schweiz durch die Brille der Fremdenpolizei»
vom 3. April 19372,
3. mein Exposé, das ich als Delegierter des Bundesrates an der intergouvernementalen Konferenz in Evian am 11. Juli 1938 vorgetragen habe4,
4. mein Referat am Auslandschweizertag in Schaffhausen «Ausländer in
der Schweiz und Schweizer im Ausland», vom 11. September 19385.
Ich beehre mich, dazu noch folgendes beizufügen:
Wohl empfindet der Schweizer, vom Arbeiter bis zum Intellektuellen, den Juden im allgemeinen als ein ihm fremdes Element. Er nimmt ihn nur schwer in seinen engeren Freundeskreis auf. Antisemit ist er aber nicht, weil der schweizerische Jude sich wahrscheinlich gerade wegen dieser zurückhaltenden Einstellung des Schweizers ihm gegenüber in sehr weitgehendem Masse assimiliert hat. Der ausländische Jude, namentlich die Grosszahl der deutschen Emigranten, hat diesen starken Assimilationsprozess in seinem Aufenthalts- oder Heimatstaat in der Regel nicht durchgemacht. Er ist auch vielfach noch zionistisch eingestellt und wehrt sich offen gegen die Assimilation. Wenn wir solche Elemente für dauernd bei uns aufnehmen oder ihnen erlauben, auch nur vorübergehend selbständig oder unselbeständig sich in unser Erwerbsleben einzuschalten, dann besteht allerdings die Gefahr des Antisemitismus.
Ich spreche absichtlich von einer Gefahr, weil ich überzeugt bin, dass eine auf breitere Basis gestellte antisemitische Bewegung in der Schweiz nicht nur etwa grosse wirtschaftliche Nachteile für uns haben könnte, die weit über die Interessen unseres Fremdenverkehrs hinausgehen würden, sondern an die Wurzel unserer demokratischen Staatsauffassung gehen könnte. Ich habe deshalb alle fremdenpolizeilichen Massnahmen in der Flüchtlingsfrage stets sorgfältig dahin abgewogen, dass den Emigranten der Aufenthalt gewährt werden kann soviel und soweit es die schweizerischen Gesamtinteressen ertragen können.
Ich hätte mich nicht veranlasst gesehen, Ihnen zu schreiben, wenn es sich etwa nur um meine Person handeln würde, da ich gerade auf dem Flüchtlingsgebiet gewöhnt bin, persönlich falsch eingeschätzt zu werden. Es handelt sich aber um die Wirkung nach aussen, im Interesse unseres Landes und Volkes. Aus diesem Grund scheint es mir unzweckmässig zu sein, im Parlament von antisemitischen Massnahmen der Bundesverwaltung oder gar von Antisemitismus des verantwortlichen Leiters der für die Emigrantenfrage zuständigen Abteilung zu sprechen. Ich möchte Ihnen übrigens empfehlen, sich einmal mit dem Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, Herrn Saly Mayer in St. Gallen, und mit dem Präsidenten der Schweizerischen Israelitischen Armenpflegen, Herrn Silvain Guggenheim in Zürich, über die Flüchtlingsfrage in Verbindung zu setzen. Ich arbeite seit mehr als fünf Jahren mit diesen Herren zusammen, auf der Basis gegenseitiger Loyalität und persönlicher Hochschätzung.
Ich bitte sie, diese Kritik an Ihren Äusserungen so aufzufassen, wie sie gemeint ist, nämlich einzig und allein im Interesse unseres Landes und nicht der Person.
- 1
- Lettre (Copie): E 4260 (C) 1969/138/3.↩
- 2
- Interpellation du 9 novembre 1938 (138/3803) traitée au Conseil national dans la matinée du 7 décembre 1938. Le discours par lequel Müller motivait son interpellation est reproduit dans les procès-verbaux du Conseil national (E 1301 1/331, pp. 34 ss.).↩
- 3
- Cf. E 4001 (B) 1970/187/2.↩
- 4
- Cf. E 4800 (A) 3/3.↩
- 5
- Cf. note 2.↩
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