Classement thématique série 1848–1945:
IV. RÉFUGIÉS, IMMIGRATION, POLICE DES ÉTRANGERS
IV.1 LA SUISSE ET L'IMMIGRATION JUIVE
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 392
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E4300B#1969/78#2* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 4300(B)1969/78 1 | |
Titre du dossier | Deutschland, Visumspflicht und Visumsaufhebung (101-531) (1938–1939) | |
Référence archives | B.06.12.2 |
dodis.ch/46652
Notice du Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund1
BESPRECHUNGEN MIT HERRN MINISTER KOECHER UND MIT HERRN DR. HANS GLOBKE, MINISTERIALRAT IM REICHSMINISTERIUM DES INNERN
Herr Minister Koecher wünschte auf gestern eine neue Besprechung über die Visumsangelegenheit, nachdem er aus Nürnberg zurückgekehrt ist. Er hob persönlich hervor, dass Deutschland die Wiedereinführung des Visums hauptsächlich deshalb ungern sehe, weil es befürchte, dass dann andere Länder, wie z. B. Belgien und Holland, die gleiche Massnahme durchführen würden. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass an der Westgrenze ja nur Holland in Betracht käme, eventuell Luxemburg, da Belgien und Frankreich ja für Deutsche die Visumspflicht immer gehabt hätten. Ungarn dürfte nicht in Betracht kommen, weil nach den dortigen Massnahmen gegen die Juden ein Zuzug deutscher Juden nach diesem Lande ja nicht in Frage komme. (Heute vormittag wurde mir allerdings ein Schreiben unserer Gesandschaft in Stockholm vorgelegt, gemäss dem gleiche Besprechungen zwischen Schweden und Deutschland geführt werden, und auch Schweden die Wiedereinführung des Visums ernstlich prüft.) Herr Koecher sagte dann im Verlaufe des Gespräches, er dürfe annehmen, Deutschland wäre bereit, auf jede Gegenseitigkeit den schweizerischen Juden gegenüber zu verzichten, falls wir den neuen deutschen Vorschlag annehmen könnten. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass schon zahlreiche deutsche Pässe von Juden im Umlauf sind, im Reich und in anderen Ländern. Auch teilte ich ihm mit, dass ich dem Departement den begründeten Antrag gestellt hätte, das Visum wieder einzuführen, da ich keine andere Möglichkeit sehe, eine lückenlose Kontrolle über die Einreise von Emigranten herbeizuführen.
Herr Koecher rief mich gestern nachmittag wieder an und teilte mir mit, bei der internationalen Konferenz der Zivilstandsbeamten befinde sich Herr Dr. Globke, der Fachmann sei in diesen Fragen; er ersuchte mich, zusammen mit diesem Beamten heute noch einmal bei mir vorsprechen zu dürfen. Wir hatten heute vormittag eine neue, offene aber persönliche Aussprache. Herr Dr. Globke stellte folgenden Vorschlag zur Diskussion: Die Reziprozität für Schweizerjuden wird vollständig aufgegeben. In die in Deutschland auszustellenden Pässe von Nichtariern wird das von Herrn Geheimrat Rödiger Herrn Dr. Kappeler vorgeschlagene Zeichen eingetragen. Innerhalb von 14 Tagen werden sämtliche bereits ausgegebenen Pässe von Nichtariern im Reich mit dem gleichen Zeichen versehen. Alle Pässe von deutschen Ariern, die sich in Italien aufhalten, erhalten den Vermerk: «Gültig auch für die Schweiz». Wer diesen Vermerk nicht bat, ist Nichtarier. Bei den Pässen von in ändern Ländern wie Frankreich, Belgien und Holland sich aufhaltenden deutschen arischen Personen scheint das nicht möglich zu sein.
Wir hätten also die lückenlose Kontrollmöglichkeit für die Juden in Deutschland und in Italien; fehlen würde sie für die Juden in ändern Ländern, z. B. auch in der Tschechoslowakei. Fraglich bleibt, wie mir erst jetzt durch den Kopf geht, ob nicht deutsche Pässe von Juden im Umlauf sind, die den Vermerk «Gültig auch für die Schweiz» enthalten. Ich warf die Frage auf, wie es sich dann mit eventuell später entstehenden ändern Gruppen von Emigranten verhalten würde, z. B. wenn der Kampf gegen die Kirche schärfer durchgeführt würde. Herr Koecher erklärte, es könne sich da ja nur um kleinere Gruppen von Leuten handeln. Gestützt auf die gemachten Erfahrungen mit den deutschen Grenzbeamten gebe ich Zweifel kund über die strikte Durchführung der im Vorschlag Globke enthaltenen Massnahmen. Ich mache besonders darauf aufmerksam, dass ja von höchster Stelle verfügt worden sei, Deutschland müsse von den Juden befreit werden. Wenn nun die anderen Länder alle den Emigranten aus Deutschland die Grenzen verschliessen und nur noch die Möglichkeit bestehen würde, die Juden durch Weglassung der vereinbarten Einträge in die Pässe nach der Schweiz zu bringen, müssten da die Beamten nicht in einen Gewissenkonflikt mit den ihnen aufgetragenen allgemeinen Richtlinien kommen? Herr Globke betonte, die lückenlose Durchführung seines Vorschlages könnte garantiert werden.
Ich erkläre den Besuchern, dass ich trotz meines schon gemachten Antrages bereit sei, eine andere Lösung vorzuschlagen, wenn sie wirklich eine lückenlose Kontrolle bringe. Man scheint das nun auf deutscher Seite verstanden zu haben.
Herr Globke fährt heute nach Berlin zurück und wird den mir gemachten Vorschlag mit den dortigen Stellen besprechen. Ich habe meinerseits Prüfung zugesichert. Ich sehe noch nicht klar, ob der neue Vorschlag wirklich eine lückenlose Kontrolle bringen kann. Auf jeden Fall sollte der Eintrag «Gültig auch für die Schweiz» an arische Deutsche nicht nur in Italien, sondern auch in allen ändern Ländern gemacht werden, was mir aber kaum durchführbar erscheint. Herr Koecher erklärte, die Sache sei sehr eilig, weil die Kündigungsfrist mit dem 30. September ablaufe. Ich antwortete ihm, wir hätten nicht die Absicht, zu brüskieren, es komme nicht auf diesen Stichtag an.
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- (Copie): E 4300 (B) 1969/78/1.↩
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