Langue: allemand
30.11.1937 (mardi)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 30.11.1937
Procès-verbal du Conseil fédéral (PVCF)
Refus allemand de prolonger le permis de séjour du correspondant à Berlin des Basler Nachrichten, H. Böschenstein. Les raisons. Les tentatives du DPF en faveur de B. Autres démarches possibles. Le DPF ne croit pas qu’il soit indiqué de mettre en danger les relations germano-suisses à cause de B. Le Conseil fédéral partage cet avis.

Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.2 ALLEMAGNE. AFFAIRES DE PRESSE
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Oscar Gauye (ed.)

Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 155

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Bern 1994

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CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 30 novembre 19371

1924. Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung von Herrn Böschenstein

I. Am 12. November wurde der schweizer. Gesandtschaft in Berlin von der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes mitgeteilt2, dass dem ständigen Mitarbeiter der «Basler Nachrichten» in Berlin, Herrn Hermann Böschenstein, die am 25. November ablaufende Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert werde. Diese Massnahme wurde damit begründet, dass die Berichterstattung des Genannten deutschlandfeindlich sei. Die Gesandtschaft wurde auf Weisung des Politischen Departements beim Auswärtigen Amt vorstellig, um eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu erreichen. Eine entsprechende Demarche wurde auch bei der deutschen Gesandtschaft in Bern unternommen, die sich bereitwillig beim Auswärtigen Amt für die Berücksichtigung unseres Begehrens einsetzte. Diese Schritte hatten aber nur insofern Erfolg, als es Herrn Böschenstein gestattet wurde, auch nach Ablauf der Aufenthaltsbewilligung zur Regelung seiner privaten Angelegenheiten in Deutschland zu bleiben unter der Bedingung, dass er seine Berichterstattung einstelle.

II. Herr Böschenstein hat seine Tätigkeit als Ausländskorrespondent der Basler-Nachrichten in Berlin im Dezember 1935 begonnen. Sein Vorgänger in Berlin, Herr Dr. Ernst Klein, ein österreichischer Israelit, war einige Monate vorher aus Deutschland ausgewiesen worden, wobei der Umstand, dass er Nichtarier war, wohl der Hauptgrund dieser Massnahme gewesen sein mag. Dr. Klein ist jetzt Berichterstatter der Basler Nachrichten in Wien. Es mag in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden, dass ein F. Klein, Korrespondent der Basler Nachrichten in Rom war, wo er diesen Sommer wegen seiner «achsenfeindlichen» Berichterstattung Italien verlassen musste.

Die Ernennung von Herrn Böschenstein als Korrespondent der Basler Nachrichten wurde seinerzeit überall begrüsst, um so mehr, als das konservative Basler Blatt nach dem Weggang von Dr. Klein einen deutschen linksradikalen Sozialisten, Herrn Ohme, der unter der Weimarer Verfassung vom Reichsgericht wegen revolutionärer Umtriebe verurteilt worden war, vorübergehend mit der Berichterstattung über Deutschland beauftragt hatte.

Leider haben sich die in Herrn Böschenstein gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Bald zeigte es sich, dass Herr Böschenstein seine Aufgabe darin erblickte, alles dasjenige ausfinding zu machen und zu berichten, was geeignet war, das nationalistische Regime in den Augen des Schweizer Lesers zu diskreditieren, wenn man auch nicht so weit gehen kann zu sagen, dass die Berichterstattung in verletzender Form geschehen sei oder dass bewusst unwahre Nachrichten gemeldet wurden. Mit Vorliebe verbreitete sich Herr Böschenstein über die unerfreulichen Kirchenfragen und die Wirtschaftsschwierigkeiten in Deutschland. Anlässlich der Erklärungen Hitlers an Herrn alt Bundesrat Schulthess meldete er das Gerücht, dass man deutscherseits den Vorschlag gemacht habe, mit der Schweiz ein Kulturabkommen abzuschliessen.

Bezeichnend für diese allgemeine Einstellung von Herrn Böschenstein war es, dass er während des Frankfurter-Prozesses in Chur versuchte, im Einvernehmen mit dem Presse-Attaché der tschechoslowakischen Gesandtschaft in Berlin, in den Basler Nachrichten die Meldung zu lancieren, dass der Landesleiter der NSDAP in der Tschechoslowakei, Weigel, wegen militärischer Spionage verhaftet worden sei, eine Meldung, die dann auf dem Umweg über die Schweiz auch in der Prager Presse hätte erscheinen sollen. Da die Meldung zur Vermeidung einer Zensur über das Politische Departement geleitet wurde, konnte es dieses Manöver zwecks Beeinflussung des Churer Gerichts durchkreuzen. Nachträglich stellte es sich dann heraus, dass Weigel wegen Fehlen eines strafbaren Tatbestandes wieder freigelassen wurde.

Belastend für Hrn. Böschenstein waren auch die Vorträge, die er in der Schweiz über das nationalsozialistische Deutschland gehalten hat. In einem solchen Vortrag, der von der Neuen Helvetischen Gesellschaft in Bern veranstaltet worden war, übte er eine vollständig negative Kritik an den Verhältnissen in Deutschland, wie sie sich seit der Machtergreifung Hitlers entwickelt haben. Abgesehen von der Autobahn wusste er überhaupt nichts Positives zu berichten. Er ging so weit zu erklären, dass auch die offiziellen deutsch-schweizerischen Beziehungen so schlecht wie noch nie geworden seien und begründete dies mit dem Fall Jacob, dem Pressekonflikt, den wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten. Er bezeichnete diejenigen als naiv, die den Zusicherungen Hitlers an einen «unbeschäftigten alt Bundesrat» Vertrauen schenkten.

Selbst die Basler Nachrichten und deren Chefredaktor, Herr Nationalrat Oeri, haben sich in letzter Zeit veranlasst gesehen, mündlich und schriftlich Herrn Böschenstein zu einer objektiveren und weniger negativen Berichterstattung anzuhalten. Herr Böschenstein hat geantwortet, dass diese Aussetzungen an seiner Tätigkeit unbegründet seien und dass er die Art seiner Berichterstattung nicht ändern könne. Trotz dieser enttäuschenden Antwort konnte man aber feststellen, dass die Korrespondenzen von Herrn Böschenstein seither etwas vorsichtiger abgefasst wurden.

Es mag auch nicht unerwähnt bleiben, dass die schweizer. Gesandtschaft in Berlin wiederholt Herrn Böschenstein auseinandergesetzt hat, dass ein schweizerischer Berichterstatter im Ausland bei seiner Tätigkeit die bestehenden freundschaftlichen offiziellen Beziehungen zu berücksichtigen habe und dass es kein Verstoss gegen den schweizerischen Patriotismus sei, wenn auf diese Tätigkeit der Gesichtspunkt der schweizerischen Aussenpolitik ebenfalls Anwendung finde.

III. Wenn bei dieser Sachlage das Politische Departement trotzdem Schritte zwecks Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unternehmen liess, so geschah dies zunächst in der Erwägung, dass bisher kein Anlass Vorgelegen hatte, sich für Herrn Böschenstein bei der deutschen Regierung zu verwenden. Ferner aber konnte man in der letzten Zeit, wie bereits bemerkt, eine gewisse Änderung in der Berichterstattung feststellen, so dass es nicht ausgeschlossen erschien, dass in absehbarer Zeit die Aussetzungen deutscherseits nicht mehr begründet sein werden. Entscheidend aber war die Einstellung der Redaktion der Basler Nachrichten selbst, die ihrem Korrespondenten in zutreffender Weise zu verstehen gegeben hatte, dass ein Ausländskorrespondent gewisse Rücksichten beachten müsse.

Leider sind nun aber unsere Schritte ohne Erfolg geblieben. Dies ist um so bedauerlicher, als der Bundesrat und das Politische Departement wiederholt Beiträge zur Beilegung des deutsch-schweizerischen Pressekonfliktes geleistet haben, wie die Aufhebung des Verbots der «Berliner Börsenzeitung», die Bemerkungen im Geschäftsbericht 1936 über die Einstellung der schweizerischen Presse zu den Verhältnissen in den Nachbarstaaten etc. Man hätte daher erwarten dürfen, dass man auch in Deutschland eine entsprechende Einstellung finden werde. Das Departement hat denn auch nicht unterlassen, beim Auswärtigen Amt und bei der deutschen Gesandtschaft seiner Enttäuschung über die wenig entgegenkommende Haltung der deutschen Regierung Ausdruck zu geben. Der deutsche Gesandte in Bern antwortete, dass er ebenfalls das negative Ergebnis, das er nicht habe abwenden können, lebhaft bedaure.

Es fragt sich nun, ob damit die Angelegenheit ihr Bewenden haben soll, oder ob Gegenmassnahmen, wie dies da und dort in der Presse verlangt wird, ergriffen werden sollen. Das Politische Departement ist der Ansicht, dass solche Massnahmen im vorliegenden Falle nicht in Betracht kommen können. Nur wenige Zeitungen haben in der Schweiz ständige Berichterstatter, so die «Frankfurter Zeitung» Herrn Pauls in Zürich und das «Berliner Tageblatt» Herrn Willy Ruppel in Genf. Beides sind deutsche Staatsangehörige. Würden diese Korrespondenten über die Verhältnisse in der Schweiz in ähnlichem Sinne schreiben wie Herr Böschenstein dies über Deutschland getan hat, so wäre dies zweifellos eine nicht zu verpassende Gelegenheit, um solche schädliche Publizisten auszuweisen. Nun aber gibt die Berichterstattung dieser Korrespondenten nicht nur zu keinen nachteiligen Bemerkungen Anlass, sondern deren Artikel sind für die Schweiz durchaus wohlmeinend. Die Tätigkeit dieser Korrespondenten gereicht daher auch unserm Lande zum Nutzen. Es kann nicht in Frage kommen, dass man Gegenmassnahmen ergreift, die an und für sich schon für die Schweiz nachteilig wären.

Auf der Suche nach Gegenmassnahmen ist auch der Vorschlag gemacht worden, sie nicht gegen die deutschen Korrespondenten in der Schweiz, sondern auf anderm Gebiete zu ergreifen. Hiergegen bestehen jedoch grundsätzliche Bedenken. Solche Retorsionen könnten leicht zu einer entsprechenden Replik deutscherseits Anlass geben, die dann auch schweizerischerseits wieder beantwortet werden müsste. Das Departement glaubt nicht, dass es angezeigt ist, wegen der Wegweisung von Herrn Böschenstein die deutsch-schweizerischen Beziehungen zu gefährden.

Von vorstehendem Bericht und Antrag wird in zustimmendem Sinne Kenntnis genommen.

1
E 1004.1 1/367. Etait absent: Pilet-Golaz.
2
Pour le détail de cette affaire, cf. E 2001 (D) 3/15.