Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.3. Questions de travail
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 10, doc. 312
volume linkBern 1982
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E4001A#1000/782#128* | |
Old classification | CH-BAR E 4001(A)1000/782 28 | |
Dossier title | Deutschland (1927–1933) | |
File reference archive | 2.E.C-1 |
dodis.ch/45854 Le Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, au Chargé d’affaires a.i. de Suisse à Berlin, H.Frölicher1
Mein lieber Herr Frölicher,
Wie Sie wissen, bin ich mit recht gemischten Gefühlen von Berlin heimgekehrt2 und konnte mich der getroffenen Vereinbarung3 nicht recht freuen, obgleich wir ja bei allen Herren der deutschen Delegation4 auf Verständnis für unsere Lage gestossen sind und sympathisches Entgegenkommen gefunden haben. Die Unsicherheit über die Möglichkeit der praktischen Durchführung der uns von Deutschland gemachten Zusicherungen, die wir den deutschen Herren ja jeden Tag zum Ausdruck gebracht haben, beunruhigte mich auf der Heimreise und hat mich auch bis heute nicht losgelassen. Es war recht schwer für uns, die Kantone, deren Polizeidirektoren wir zusammengerufen hatten5, zu überzeugen, dass wir trotz der schweren Krise, in der sich auch die Schweiz befindet, den zahlreichen Deutschen, die schon seit fünf Jahren sich in der Schweiz aufhalten - im Kanton Zürich allein sind es über 800 - die Niederlassung bewilligen und ihnen damit die volle Freiheit in der Berufsausübung gestatten müssen, wozu bekanntlich beliebiger Stellenwechsel, ja Berufswechsel - vom Land in die Stadt! - und Selbständigmachung gehören. Ich habe mich persönlich mit meiner ganzen in jahrelanger Fühlung mit den Kantonen erworbenen Autorität dafür eingesetzt mit dem Erfolg, dass die Kantone zugestimmt haben.
Das Abkommen wurde wohl ratifiziert6, jedoch viel später als uns in Berlin in Aussicht gestellt worden war. Trotzdem sind seither sozusagen täglich Meldungen von Ihrer Gesandtschaft eingegangen über Fälle, in denen Schweizern Schwierigkeiten gemacht wurden, sei es vom Arbeitgeber, sei es von den Behörden. Eine Reihe solcher Fälle betreffen Schweizer, die sich seit vielen Jahren in Deutschland aufhalten, ja solche, die dort geboren und aufgewachsen sind. Dieser Tage kam dann Ihr Bericht7, wonach die Instruktionen an die Behörden der deutschen Länder über die Krisenfürsorge erst vor kurzer Zeit abgegangen sind. Das hat mich ausserordentlich stutzig gemacht und lässt sogar Zweifel aufkommen am guten Willen der bei den Verhandlungen anwesenden zuständigen deutschen Beamten, die uns doch mehrfach die ausdrückliche Erklärung abgegeben hatten, dass ihrerseits alles unternommen werde, um die Durchführung des Abkommens sicherzustellen.
Was haben wir seither getan? Wir haben nicht nur unsere bisherige anständige Praxis den Deutschen gegenüber weitergeführt. Wenn wir auch, gezwungen durch die Lage unseres Arbeitsmarktes, von den sehr zahlreichen Deutschen, die kurz vor Einbruch der grossen Krise noch zum Stellenantritt zugelassen worden sind, eine verhältnismässig kleine Zahl wegschicken müssen, wenn ihre Aufenthaltsbewilligungen ablaufen, so haben wir doch auch dabei unnütze Härten vermieden. Die über 100.000 bereits niedergelassenen Deutschen stehen nach wie vor in freier Berufsausübung und werden nicht nur von den Behörden, sondern auch von den Arbeitgebern als einheimische Arbeitskräfte behandelt, somit dem Schweizer gleichgestellt. Darüber hinaus erhalten diejenigen, die schon über 5 Jahre in der Schweiz sind und unter das Abkommen fallen, bei Ablauf ihrer Aufenthaltsbewilligung die Niederlassung, in Überwindung aller durch die heutige Krise bedingten Bedenken.
Ich habe den Eindruck, wir seien hereingelegt worden. Nachdem die Weisungen über die Krisenfürsorge so verspätet ergangen sind, muss ich annehmen, dass auch die Instruktionen über Befreiungsschein, Arbeitsbewilligung usw. nicht zur richtigen Zeit und namentlich nicht in richtiger Weise erlassen worden sind. Man kann uns nicht entgegenhalten, die Behörden könnten auf die Arbeitgeber nicht einwirken. Denn es wurde uns ja zugesichert und ist im Abkommen verankert, dass der Arbeitgeber durch die Behörde aufmerksam gemacht werden muss, wenn ein Schweizer, der noch keinen Anspruch auf den Befreiungsschein hat, um die Arbeitsbewilligung einkommt und noch kein Gesuch des Arbeitgebers um Beschäftigungsgenehmigung für ihn vorliegt. Umso vielmehr müssten die Behörden den Arbeitgeber darauf aufmerksam machen, dass er einen Schweizer frei anstellen oder behalten kann, der Anspruch auf den Befreiungsschein hat. - Offenbar sind die Instruktionen, die erteilt worden sind, sehr lau, gleich wie die für die Angehörigen anderer Staaten, mit denen Deutschland ähnliche Vereinbarungen abgeschlossen hat, die aber niemals die Zahl von Deutschen aufgenommen haben wie die Schweiz. Wir müssen aber unbedingt verlangen, dass unsere Landsleute angesichts der besonderen Lage auch besonders bevorzugt behandelt werden, und dass das im ganzen Reich bekanntgegeben wird, Behörden, Arbeitgebern und namentlich allen massgebenden Instanzen der regierenden Partei.
Nachdem alle Ihre Interventionen, von denen Sie uns in verdankenswerter Weise regelmässig Kenntnis geben, für die allgemeine Lage wenig oder nichts gefruchtet zu haben scheinen, frage ich mich, ob wir nicht deutlicher werden müssen. Sollen wir wirklich das Abkommen strikte und loyal zur Anwendung bringen und einer sehr grossen Zahl von Deutschen die Niederlassungsbewilligung8 erteilen, die nur entzogen werden kann, wenn Ausweisungsgründe vorliegen, in einem Moment, in dem unsere Schweizer noch so haarsträubend behandelt werden? Sollen wir nicht den Kantonen mitteilen, sie möchten zuwarten mit der Erteilung dieser Bewilligungen, bis Sie endlich in die Lage kommen, uns zu benachrichtigen, dass das Abkommen deutscherseits loyal angewendet werde und den gewollten praktischen Erfolg für unsere wenig zahlreichen Landsleute in Deutschland habe? Wenn es so weiter geht mit der Behandlung unserer Landsleute in Deutschland, so könnte das ja der deutschen Regierung bekanntgegeben werden mit dem Bemerken, sobald das Abkommen in Deutschland wirklich durchgeführt werde, würden diese Niederlassungsbewilligungen erteilt; bis dahin werde eine abwartende Haltung eingenommen und in solchen Fällen vorläufig weiterhin Aufenthaltsbewilligung9 erteilt. Die Betroffenen würden also unbehelligt hier belassen, bloss könnten sie noch nicht die Niederlassungsbewilligung erhalten.
Wir könnten natürlich auch zuwarten bis Ende des Jahres und, wenn bis dahin nicht alles in Ordnung ist, das Abkommen kündigen und Art. 25 des Niederlassungsgesetzes10 spielen lassen. Das würde aber selbstverständlich den fremdenpolizeilichen Krieg bedeuten und die freundnachbarlichen Beziehungen ganz erheblich stören. Das wollen wir aber gerade verhindern.
Oder sollen wir, unter Hinweis auf die schlechte Behandlung unserer Landsleute in Deutschland, unsere Zulassungspraxis bedeutend verschärfen, indem wir dem Arbeitgeber, der einen neu zureisenden Deutschen einstellen will, bedeuten, die Bewilligung werde für einen ändern Ausländer erteilt, für einen Deutschen nicht? Auch das hätte aber wohl nur Verschärfung im Gefolge, ohne eine Besserung auf die Dauer herbeizuführen. Den Deutschen in der Schweiz in Einzelfällen gar die unwürdige Behandlung zuteil werden zu lassen, wie sie viele Schweizer in Deutschland seit geraumer Zeit erfahren, geht mir wider den Strich. Abgesehen davon, dass es angesichts der heutigen Krise wohl leicht wäre, die untern Instanzen zum Losschlagen zu veranlassen, aber sehr schwer, sie zurückzupfeifen, würde eine solche Praxis unserer Überlieferung widersprechen. Wir waren immer stolz darauf, dass wir die zugelassenen Ausländer anständig und weitherzig behandeln.
Wenn es ohne Druckmittel nicht geht, bleibt uns vorderhand also m.E. nur der erste Weg: Zuwarten mit Erteilung der Niederlassungsbewilligung auch nach Ablauf von fünf Jahren. Auf keinen Fall dürfen wir aber mit leeren Drohungen aufrücken. Wenn wir uns zu einem Druckmittel entschliessen, muss es auch durchgeführt werden11.
- 1
- Lettre (Copie): E 4001 (A) 1/28.↩
- 2
- A l’issue des négociations relatives au marché du travail et à la police des étrangers qui ont eu lieu dans la capitale du Reich du 25 avril au 4 mai 1933.↩
- 3
- Cf. no 282, A.↩
- 5
- Conférence des directeurs cantonaux de police, le 23 mai 1933. Cf. no 282, n. 6.↩
- 6
- Cf. no 282.↩
- 7
- Non reproduit.↩
- 8
- Cf. art. 6 de la Loi sur le séjour et l’établissement des étrangers du 26 mars 1931 (RO, 1933, vol. 49, p. 280).↩
- 9
- Cf. art. 5 de la même loi.↩
- 10
- Cet article prévoit à la lettre f § 2 que Le Conseil fédéral peut édicter, sur l’établissement, des dispositions dérogeant aux prescriptions de la présente loi pour les ressortissants d’Etats qui traitent les ressortissants suisses d’une manière moins favorable que la Suisse ne traite les leurs (RO, 1933, vol. 49, p. 287).↩
- 11
- A la copie de cette lettre est ajoutée une note manuscrite de H. Rothmund au Chef du Département de Justice et Police, H. Hüberlin: Ich bin sehr besorgt um die Durchführung unseres Abkommens in Deutschland. Herr Dr. Kappeler, vom polit. Dept., mit dem ich gestern gesprochen habe, sieht die Dinge nicht so schwarz. Ich habe ihm gesagt, ich würde Dr. Frölicher einen persönlichen Brief schreiben, um die Aussicht der Gesandtschaft zu provozieren. Es ist also mit dem Schreiben nichts präjudiziert. Le Chef du Département de Justice et Police s’est contenté de signer cette note.↩
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