Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VIII. RHEINZENTRALKOMMISSION
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 443
volume linkBern 1980
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1541#154* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1541 12 | |
Dossier title | Vertrag mit Deutschland vom 28.3.1929 über die Rheinregulierung (1926–1930) | |
File reference archive | C.13.24.042 |
dodis.ch/45460
Die Antwortschreiben der Kantone Baselstadt vom 18. September und Baselland vom 5. Oktober 19282 betreffend Beteiligung an den Kosten der Rheinregulierung veranlassen uns zu folgenden Ausführungen:
I. Der Auffassung beider Kantone, dass die Frage der Konstenbeteiligung des Kantons Baselland von derjenigen des Kantons Baselstadt getrennt zu behandeln sei, können wir uns anschliessen. In der Anfrage des Bundesrates war das Gesuch um Beteiligung beider Basel mit 2/5 der gesamten Ausgaben nur deshalb gemeinsam gestellt worden, weil es äusserst heikel war, die Prozentsätze des Anteils jedes Kantons bestimmen zu wollen. Übrigens ist es praktisch für das Endergebnis ohne Bedeutung, ob in dieser Angelegenheit mit beiden Kantonen gemeinsam oder getrennt weiterverhandelt wird.
Die ablehnende Antwort des Kantons Baselland kommt uns nicht unerwartet. Die Interessen von Baselland an der Rheinregulierung sind vielmehr gleich denjenigen der ändern Rheinuferkantone der Strecke Basel-Bodensee als denjenigen des Kantons Baselstadt. Letzterer ist an der Rheinschiffahrt und somit an der Ausführung der Rheinregulierung mehr interessiert als alle ändern schweizerischen Kantone und nimmt in dieser Beziehung eine besondere Stelle ein.
Wir sind deshalb der Ansicht, dass es nicht zweckmässig ist, den Kanton Baselland um Wiedererwägung seines Beschlusses zu veranlassen. Auch soll dieser Entscheid in keiner Weise die Förderung der Rheinregulierungsfrage hemmen. Die finanzielle Kraft des kleinen Kantons Baselland ist doch nicht so bedeutend, dass, wenn auch bei grösster finanzieller Anstrengung eine Summe zusammengebracht werden könnte, diese mit Bezug auf die Gesamtausgaben der Rheinregulierung von Belang wäre.
II. Dass der Zeitpunkt des Baues von ausschlagender Bedeutung ist, stimmt nicht nur für den Kanton, sondern auch für den Bund3. Die Instanzen des Bundes wissen diesen Umstand zu würdigen. Der Bund hat durch Subventionen grosse Summen in den Schiffahrtsanlagen investiert, die nur dann nutzbringend sind, wenn die Rheinschiffahrt gesichert ist, d.h. wenn die Regulierung ausgeführt wird. Dass die Frage der Rheinregulierung in den 2 verflossenen Jahren nur langsam fortgeschritten ist, ist auf andere Momente zurückzuführen.
III. Wohl ist die Rheinregulierungsfrage eine eidgenössische Angelegenheit. Das hindert aber nicht, dass Basel von der Ausführung des geplanten Unternehmens bedeutend grössere Vorteile für sich erwartet, als die übrige Schweiz; infolgedessen ist es nur billig, wenn eine besondere Beitragsleistung verlangt wird.
Dass der Bund dem Kanton keinerlei Mitspracherecht gebe, kann nicht gesagt werden. Von Anfang an ist der Bund in der Frage der Rheinregulierung Hand in Hand mit dem Kanton Basel vorgegangen; die kantonalen und eidgenössischen kompetenten Instanzen haben stets in enger Fühlungnahme gearbeitet; dies nicht anerkennen zu wollen ist unberechtigt. Es stimmt, dass die Rheinschiffahrtskommission seit dem 17. Mai. 1927 nicht mehr einberufen worden ist4. Dies schien bis jetzt auch überflüssig. Um Vorwürfen vorzubeugen, erschiene es vielleicht angezeigt, diese Kommission wieder einmal einzuberufen. Eine freie Aussprache wird dazu beitragen, die durch alle Verzögerungen aufgeregten Gemüter zu beruhigen.
IV. Baselstadt scheint vergessen zu haben, dass der Bund die Basler Hafenbauten mit 50% subventioniert hat und somit auch für Anlagen, die von Basel erstellt wurden, grosse Opfer gebracht hat. Es erscheint nicht verständlich, dass die Basler es sich sogar als ein Verdienst anrechnen, dass sie für ihre Mithilfe bei den Verhandlungen dem Bunde nicht Rechnung gestellt haben.
Die Regierung des Kantons Baselstadt erklärt sich immerhin bereit, eine Beteiligung von Fr.4’000.000.- dem Parlament vorzuschlagen. Diese Summe ist beträchtlich und macht rund 10% der Gesamtausgaben aus. Dadurch hat Basel sein grosses Interesse am projektierten Werk bekundet und Verständnis für die Situation gezeigt. Wir sind immerhin der Ansicht, dass der Bund auf einen Beitrag von Fr. 6’000.000.- oder 15% des schweizerischen Anteils an den Regulierungskosten bestehen sollte. Wir ersuchen Sie, uns mitzuteilen, ob Sie sich unserer Auffassung anschliessen. Vielleicht könnte im Anschluss daran eine Besprechung zwischen den Vorstehern des politischen Departements und des Departements des Innern einerseits und der Rheinschiffahrtsdirektion des Kantons Baselstadt anderseits stattfmden, um zu dem erwünschten Ziel zu gelangen. Sodann erschiene es vielleicht angezeigt, speziell mit dem eidg. Finanzdepartement in Fühlung zu treten und hierauf die schweizerische Rheinkommission einzuberufen.
Da nun grundsätzlich die Mitbeteiligung Basels gesichert ist, steht unseres Erachtens nichts mehr im Wege, dass nun die von Deutschland erwünschte Vereinbarung zur Feststellung der bis jetzt zwischen beiden Regierungen erreichten Resultate unter Ratifikationsvorbehalt vom Bundesrat unterzeichnet wird5
. Durch diesen Schritt kann die öffentliche Meinung, die von der Stellungnahme des Bundesrates überrascht und enttäuscht wurde, etwas beruhigt werden.
V. Es wird später, bei der Weiterführung der Grossschiffahrt über die Grenzen des Kantons Baselstadt hinaus, zu prüfen sein, inwieweit es angezeigt ist, von den obern Rheinuferkantonen einen Beitrag an die Regulierungskosten zu verlangen. Durch die gegenwärtige Beteiligung des Kantons Baselstadt wird diese Frage in keiner Weise präjudiziert. Wir halten allerdings dafür, dass Beiträge dieser Kantone besser für die allfällige Kanalisierung der Strecke Basel-Bodensee in Aussicht genommen werden, dies dürfte sich auch deswegen empfehlen, damit nicht an den Bund hinsichtlich des Ausbaues der Strecke Basel-Bodensee unbillige Forderungen gestellt werden. Eine Beitragsleistung der Kantone oberhalb Basel an die Regulierungskosten unterhalb Basel müsste geradezu die oberen Kantone veranlassen, auf einen raschen Ausbau der Strecke Basel-Bodensee zu dringen.
VI. Wie schon hervorgehoben wurde, ist eine Beitragsleistung des Kantons Baselstadt durchaus gerechtfertigt; es darf auf keinen Fall zugegeben werden, dass der Bund unter dem Drucke der Dringlichkeit des Werkes mehr gefordert hat, als nur das, was angemessen und billig ist. Die Argumentierung mit den hohen Kriegssteuern, die der Kanton bezahlt, bezieht sich, soviel wir wissen, auf die Subventionierung der internationalen Hochschulinstitution in Genf.
VII. Es erscheint ausgeschlossen, dass Frankreich sich an den Kosten der Regulierung finanziell beteiligen wird. Es ist daher um so mehr zu bedauern, dass kostbare Monate verstreichen müssen, nur um schliesslich eine ablehnende Antwort in dieser Hinsicht entgegenzunehmen. Gleichwohl kann die Schweiz auf Verhandlungen mit Frankreich nicht verzichten, weil unter allen Umständen angestrebt werden muss, dass Frankreich den Unterhalt der Strecke Istein-Strassburg auf der französischen Seite des Stromes übernimmt und sich auch bereit erklärt, für allfällige Schädigungen unterhalb Strassburg auf französischem Ufer aufzukommen, die als Folge der Regulierung oberhalb Strassburg gedeutet werden könnten. Man kann sich fragen, ob die Schweiz nicht neuerdings in bestimmterer Weise mittels einer Note an Frankreich gelangen sollte. Die schweizerische Delegation in der Rheinzentralkommission sollte jedenfalls die nächste Sitzung dazu benützen, um sich über die Absichten der französischen Regierung offiziös zu informieren.
Die obigen Darlegungen fassen wir folgendermassen zusammen:
1.) Die vom Kanton Baselstadt als Beitragsleistung für die Rheinregulierungsarbeiten anerbotene Summe von Fr.4’000.000.- sollte auf mindestens Fr. 6’000.000.- erhöht werden. Das Ziel könnte vielleicht durch konferenzielle Besprechungen im oben erwähnten Sinne erreicht werden.
2.) Auf einen Beitrag des Kantons Baselland ist zu verzichten.
3.) Dem Bundesrat ist die Unterzeichnung der Vereinbarung zur Feststellung der bis jetzt zwischen beiden Regierungen erreichten Resultate unter Ratifikationsvorbehalt nunmehr zu beantragen.
4.) Die französische Regierung ist an unser Begehren betreffend Aufnahme von Verhandlungen zu erinnern. Die schweizerische Delegation in der Rheinzentralkommission soll beauftragt werden, sich über die Absichten der französischen Regierung offiziös zu informieren.
- 1
- Schreiben: E 2001 (C) 11/12. Rheinregulierung Basel-Strassburg.↩
- 2
- Beide Schreiben nicht ermittelt.↩
- 3
- Der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins äusserte sich in diesem Zusammenhang in einem Schreiben vom 17.12.1928 an den Bundesrat: I...J Dass die Rheinschiffahrt Strassburg- Basel für die schweizerische Volkswirtschaft von ausserordentlicher Bedeutung ist und es in noch erhöhtem Masse werden könnte, geht schon aus ihren bisherigen Leistungen hervor. Der Umstand, dass bei günstigen Wasserverhältnissen Rekordleistungen wie diejenige des Jahres 1927 erzielt werden konnten, spricht doch sicherlich deutlich genug dafür, dass, wenn die technischen Voraussetzungen für eine ungestörte Schiffahrt einmal erfüllt sind, auch genügend Güter vorhanden sein werden, um diese Schiffahrt zu alimentieren. Wir dürfen uns wohl nähere Ausführungen darüber ersparen, wie ausserordentlich gross das Interesse der schweizerischen Volkswirtschaft daran ist, dass die Frachtspesen auf den Massengütern, die wir einzuführen gezwungen sind und von denen die wichtigsten in ihren Einfuhrmengen eine bemerkenswerte Konstanz aufweisen, nach Möglichkeit reduziert werden. Dass die Öffnung des Rheins für die ungehinderte Schiffahrt bis nach Basel in erster Linie zu einer solchen Herabsetzung führen muss, ist wohl unbestreitbar. Die vermehrte Konkurrenzfähigkeit der Schiffahrt auf dem korrigierten Rhein wird sich in diesem Sinn auswirken.[...] Vor allem aber wird in einer konkurrenzfähigen und leistungsfähigen Rheinschiffahrt zugleich das beste Mittel geschaffen werden, um die ausländischen Eisenbahnen zu zwingen, ihre Frachten herabzusetzen. Für unsere Volkswirtschaft wird daraus ein nicht zu unterschätzender Vorteil entstehen, der auch dann vorhanden ist, wenn für den Transport einzelner Güter die Eisenbahn dennoch vorgezogen werden sollte. Wird die Rheinregulierung aber weiter hinausgeschoben und lässt man den Zustand des Rheinbettes sich fortwährend verschlimmern, so begibt sich die Schweiz dieses einen Mittels, das sie besitzt, um für ihre lebenswichtigsten Zufahrtslinien die niedrigst möglichen Frachten zu sichern (E 2001 (C) 11/12).↩
- 4
- Vgl. dazu Nr. 293, Anm.2.↩
- 5
- Vgl. dazu Nr. 468.↩