Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VIII. RHEINZENTRALKOMMISSION
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 9, doc. 387
volume linkBern 1980
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12344* | |
Titre du dossier | Beschlussprotokoll(-e) 18.04.-20.04.1928 (1928–1928) |
dodis.ch/45404 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 20. April 19281 658. Verhandlungen über die Ausführung der Rheinregulierung Basel-Strassburg
Der Bericht der Delegation über die Verhandlungen, die vom 17. bis 21. Januar in Berlin stattgefunden haben, liegt vor2. Deren Ergebnis kann kurz folgendermassen zusammengefasst werden.
1. Deutschland verzichtet auf die Forderung des gleichzeitigen Ausbaus der Strecken Strassburg-Basel und Basel-Bodensee, unter der Bedingung, dass man sich schweizerischerseits bereit erkläre:
a) über die Ausführung der Wasserstrasse Basel-Bodensee mit der badischen Regierung einen Vertrag abzuschliessen, sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens möglich erscheinen lassen;
b) die Verhandlungen über die Erteilung neuer Konzessionen für Kraftwerke zwischen Basel und Bodensee nach bisherigen Grundsätzen weiterzuführen und die Erstellung der neuen Kraftwerke, soweit es die Rücksichten auf die nationalen Interessen der Schweiz erlauben, durch Erleichterung der Ausfuhr elektrischer Energie zu fördern.
2. Die Zusicherungen, die bereits im März 1927 über die Kostenbeteiligung Deutschlands gegeben worden sind, bleiben aufrecht erhalten. Deutschland ist bereit, 40% an die Erstellungskosten des Regulierungswerks beizutragen und den Unterhalt des regulierten Rheins auf seinem Staatsgebiete sowie auch die Haftung für eine allfällige Schädigung des Regulierungswerkes unterhalb Strassburg auf seinem Staatsgebiete zu übernehmen. Sollte Frankreich einen Bruchteil an die Kosten beitragen, so würde dieser von den Anteilen Deutschlands und der Schweiz prozentual abgezogen.
3. Der schweizer. Entwurf zu einer Vereinbarung zwischen den drei Ländern über die Ausführung der Regulierung wurde nach einigen Änderungen und Ergänzungen als Grundlage für die Verhandlungen mit Frankreich gutgeheissen. Die Frage, ob daneben noch ein besonderer Bauvertrag abzuschliessen sein wird, bleibt offen.
4. Deutschland verlangt, dass die bisher erreichten Resultate in einer vom Bundesrat und der deutschen Reichsregierung unter Ratifikationsvorbehalt zu unterzeichnenden Vereinbarung festgelegt werden.
Es ist vorläufig noch ungewiss, ob Frankreich sich bereit finden werde, die Gesamtkosten des Unterhalts des regulierten Rheins auf seinem Gebiete sowie die Haftung für allfällige auf seinem Gebiete entstehende Schädigungen zu übernehmen, und ob darüber hinaus noch mit einem Beitrage Frankreichs an die Baukosten des Regulierungswerkes gerechnet werden könne.
Die Ablehnung Frankreichs, einen solchen Beitrag zu leisten, würde an und für sich keine Änderung des vorgelegten Vertragsentwurfes bedingen. Wohl aber würde eine neue Situation entstehen, wenn Frankreich sich weigern sollte, die Gesamtkosten des Unterhalts des Rheins auf französischem Gebiete sowie die entsprechende Schadenshaftung zu übernehmen. In diesem Falle wären wichtige Voraussetzungen, auf denen der Vertragsentwurf beruht, als nicht erfüllt zu betrachten und dementsprechend neue Verhandlungen mit Deutschland anzubahnen. Der Vertragsentwurf wird jedenfalls vom Bundesrat erst dann der Bundesversammlung zur Genehmigung zu unterbreiten sein, wenn einmal die Übernahme der heute noch ungedeckten Unterhaltskosten und der entsprechenden Haftpflicht, sei es durch Frankreich, sei es durch Deutschland, gesichert sein wird.
In der Beratung wird vom Vorsteher des Justiz- u. Polizeidepartements auf die Gefahr aufmerksam gemacht, mit Deutschland und Frankreich abzuschliessen, bevor die Frage der Beteiligung Basels abgeklärt ist, denn wenn einmal eine Verständigung mit diesen Staaten zustandegekommen ist, sind wir international verpflichtet und haben kein Druckmittel mehr gegenüber Basel. Wenn wir den Vertrag mit Deutschland jetzt genehmigen, so müssen wir mindestens einen Vorbehalt machen, der uns erlauben würde, falls wir mit Basel nicht einig werden, vom Vertrage zurückzutreten. Auch ist sicher damit zu rechnen, dass wenn wir den Vertrag mit Deutschland jetzt gutheissen, Frankreich jede Beteiligung an den Baukosten ablehnen wird; denn mit dieser Gutheissung hätten wir bereits kundgegeben, dass wir gewillt sind, die Rheinregulierung ohne eine solche Beteiligung durchzuführen.
Herr Bundespräsident erinnert daran, dass er mit der in der Regulierungsfrage eingeschlagenen Politik nie einverstanden war. Er will heute auch dem Bundesrat keine Schwierigkeiten bereiten, muss aber zum Passus des Entwurfs einer Abmachung mit Deutschland, wonach «die Ausführung des Grossschiffahrtswegs von Basel zum Bodensee zu erstreben sei» einen ausdrücklichen Vorbehalt machen. Im weitern fragt er sich, ob die französische Regierung sich nicht verletzt finden wird, wenn wir mit ihr Verhandlungen in einem Zeitpunkt anbahnen, wo wir bereits mit Deutschland einig geworden sind.
Der Vorsteher des Politischen Departements beantragt:
«Der Bundesrat möge das Protokoll über die Berliner Verhandlungen vom 21. Januar 1928, mit dessen zwei Beilagen a) dem Entwürfe der Abmachungen zwischen Deutschland und der Schweiz; b) den Vorschlägen zu einem Vertrage zwischen der Schweiz, Deutschland und Frankreich betreffend die Ausführung der Regulierung des Rheins zwischen Strassburg/Kehl und Istein, gutheissen3.
Das Politische Departement sei zu ermächtigen, der deutschen Regierung von der Gutheissung dieses Protokolls Kenntnis zu geben und zugleich mit ihr die oben unter a) genannten Abmachungen vertraglich festzulegen».
Die Basler Angelegenheit sei eine interne Frage. Bindende Zusicherungen könne die Basler Regierung nur geben, wenn einmal der Grosse Rat gesprochen habe, und es gehe nicht an, eine öffentliche Diskussion hervorzurufen, bevor die internationale Seite der Frage klargestellt sei. Es sei auch nicht zu befürchten, dass die französische Regierung sich dadurch verletzt fühlen werde, dass wir uns mit Deutschland zuerst geeinigt hätten: sie werde sogar froh darüber sein. Was endlich die Erklärung über die Schiffbarmachung der Strecke Basel-Bodensee betrifft, so sei Deutschland sehr weit unter seine erste Forderung zurückgegangen und es sei nicht daran zu denken, ein grösseres Entgegenkommen von ihm zu erreichen.
Der Vorsteher des Militärdepartements ist der Meinung, man müsse jetzt die Verhandlungen mit Basel aufnehmen. Wenn wir einmal den Vertrag mit Deutschland abgeschlossen haben, werden die Basler jegliche Beteiligung ablehnen, und dann, bei der Ausführung der Arbeiten, immer die kostspieligeren Lösungen fordern.
Der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements macht darauf aufmerksam, dass es sich einstweilen nicht darum handelt, einen Beschluss des Basler Grossen Rates zu provozieren, sondern nur Zusicherungen von der Regierung zu bekommen. Er beantragt, die Regierungen der beiden Basel und Aargau von dem Stand der internationalen Verhandlungen zu unterrichten und mit ihnen über die Übernahme eines prozentualen Anteils der der Schweiz zufallenden Quote zu unterhandeln. Bis zur Regelung dieser Frage solle sich der Bundesrat weder mit Deutschland binden noch mit Frankreich in Unterhandlungen einlassen.
Der Vorsteher des Politischen Departements will nicht darauf bestehen, dass das Berliner Protokoll jetzt gutgeheissen werde, kann sich aber nicht damit einverstanden erklären, dass die Verhandlungen mit Frankreich erst dann aufzunehmen seien, wenn die Frage der Beteiligung der Kantone abgeklärt sei. Man könne doch die Verhandlungen parallel mit Frankreich und mit den Kantonen führen in der Meinung, dass man sich erst dann mit Frankreich binden solle, wenn man im klaren sei betreffend die Beteiligung der Kantone.
Auf Antrag des Vorsitzenden wird einstimmig beschlossen:
1. Der Bundesrat nimmt Kenntnis vom Protokoll über die Berliner Verhandlungen vom 21. Januar 1928, mit dessen zwei Beilagen:
a) dem Entwürfe der Abmachungen zwischen Deutschland und der Schweiz,
b) den Vorschlägen zu einem Vertrage zwischen der Schweiz, Deutschland und Frankreich betreffend die Ausführung der Regulierung des Rheins zwischen Strassburg/Kehl und Istein.
II. 1. Der Bundesrat erachtet eine prozentuale und erhebliche Beteiligung der interessierten Kantone als eine notwendige Voraussetzung zum Abschluss eines Vertrages mit Deutschland und Frankreich.
2. Das Politische Departement wird beauftragt, diesen Beschluss den betreffenden Kantonsregierungen mitzuteilen und mit ihnen Verhandlungen betreffend die Höhe ihrer Beteiligung anzubahnen, die im Verhältnis zu den von der Schweiz zu übernehmenden Verpflichtungen festzusetzen wäre4.
3. Das Politische Departement und das Departement des Innern werden eingeladen, dem Bundesrate Anträge einzureichen betreffend die an die Kantone zu stellenden Forderungen.
III. 1. Das Politische Departement wird ermächtigt, die französische Regierung auf dem Notenwege zur Aufnahme von Verhandlungen über die Ausführung der Rheinregulierung einzuladen5, unter Berufung auf die zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich abgeschlossene Vereinbarung vom 10. Mai 19226 und auf die Beschlüsse der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt vom 10. Mai 19227 und 29. April 19258; die zu diesem Zwecke an die französische Regierung zu richtende Note ist in Abschrift der deutschen Regierung bekanntzugeben. Die Verhandlungen sollen im Sinne einer Sondierung vorgenommen und nicht abgeschlossen werden, bevor die Frage der Beteiligung der interessierten Kantone klargelegt ist.
2. Die schweizer. Delegation wird beauftragt, in den Verhandlungen mit Frankreich, im Einvernehmen mit der deutschen Delegation, nachstehend erwähnte Ziele zu verfolgen:
a) Zustimmung Frankreichs mit der Schweiz und mit Deutschland einen Vertrag über die Ausführung der Regulierung des Rheins zwischen Strassburg/Kehl und Istein im Sinne des zwischen der Schweiz und Deutschland vereinbarten Entwurfes abzuschliessen;
b) Übernahme der Kosten des Unterhalts des regulierten Rheins auf französischem Gebiet durch Frankreich;
c) Haftung Frankreichs für allfällige Schädigungen des Regulierungswerks unterhalb Strassburg, soweit diese Schäden auf französischem Gebiete erwachsen.
Die Delegation wird ferner beauftragt, nach Möglichkeiten darnach zu trachten, Frankreich auch für eine Beitragsleistung an die Baukosten des Regulierungswerkes zu gewinnen.
- 2
- Am 30.1.1928 erstattete die schweizerische Delegation Bericht an den Bundesrat (E 2001 (C) 11/11). Dem Bericht sind beigefügt: Verhandlungsprotokoll vom 21.1.1928 und dessen Beilagen a) und b).↩
- 3
- Vgl. Anm.2.↩
- 4
- Vgl. dazu Nr. 443.↩
- 5
- Vgl. Nr. 398.↩
- 6
- Text der Vereinbarung in: BBl 1922, II, S. 1034.↩
- 7
- BBl 1922, II, S. 1036f.↩
- 8
- GBer 1925, S.43fT.↩