Language: German
12.3.1927 (Saturday)
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 12.März 1927
Secret minutes of the Federal Council (PVCF-S)
Der Bundesrat beschliesst, dem französischen Vorschlag einer Verbindung von Schiedskompromiss und Savoyerfrage zuzustimmen.

Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
8. Frankreich
8.3. Zonenfrage und Schiedsvertrag
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Printed in

Walter Hofer, Beatrix Mesmer (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 270

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Bern 1980

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dodis.ch/45287
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 12. März. 19271

Z onenschiedsabkommen

Mündlich

Der Vorsteher des politischen Departementes führt folgendes aus:

Gestern ersuchte Herr Logoz, der gegenwärtig in Genf mit Herrn Fromageot wegen der bei der Genehmigung des Schiedsabkommens über die Zonenfrage im französischen Senat aufgetauchten Schwierigkeiten in Fühlung steht, telegraphisch um eine dringliche Unterredung. Er kam abends an und besprach die Angelegenheit mit mir und Herrn Dinichert. Heute vormittag trat die Delegation für auswärtige Angelegenheiten2 zusammen, die die Überzeugung gewann, der Gesamtbundesrat müsse zur gegenwärtigen Sachlage Stellung nehmen.

Die Sachlage ist folgende: Dass der französische Senat das Schiedsabkommen in der Zonenangelegenheit ratifiziere und die Regierung ermächtige, die Ratifikationsurkunden auszutauschen, so dass dann die Savoyerfrage völlig getrennt von der Zonenangelegenheit ihre Regelung finden könnte, dafür ist jede Hoffnung geschwunden. Der Senat wird das Schiedsabkommen nur in einer Form ratifizieren, die es mit der Savoyerfrage in Verbindung bringt. Was diese anbelangt, so ist sie gegenwärtig neuerdings beim Nationalrat hängig. Der hauptsächliche Unterschied zwischen den Schlussnahmen der beiden Kammern (Beschluss des Nationalrates vom 21. November 19193 und Beschluss des Ständerates vom 22. Dezember 19214)besteht darin, dass der Ständerat auf Grund der am 30. Januar 1921 angenommenen Abänderung des Art. 89 der Bundesverfassung (Unterstellung von Staatsverträgen unter das Referendum) den Übereinkommensentwurf mit der Referendumsklausel versehen hat. Die Angelegenheit ist vom Nationalrat nicht weiter verfolgt worden, weil die inzwischen in der Zonenfrage durch das eigenmächtige Vorgehen Frankreichs entstandene Spannung es nicht rätlich erscheinen liess, die Übereinkunft in der Savoyerfrage dem Referendum auszusetzen. In den Verhandlungen zwischen den Herren Logoz und Fromageot sind nun zwei Arten der Verbindung zwischen dem Zonenschiedsabkommen und der Savoyerfrage, wie sie auf französischer Seite erwogen wird, zur Erörterung gelangt.

Die erste bestünde darin, dass der Senat zwar das Schiedsabkommen ratifiziert, aber die Regierung verpflichtet, die Ratifikationsurkunden für das Schiedsabkommen erst dann auszutauschen, wenn gleichzeitig auch die Ratifikationsurkunden in der Savoyerfrage ausgetauscht werden. Da nun die Frist für die Einreichung der ersten Prozessschriften im Schiedsverfahren über die Zonenfrage mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden zu laufen beginnt, so hätte diese Art der Verbindung mit der Savoyerfrage eine Verzögerung des ganzen Schiedsverfahrens zur Folge; denn nach Mitteilung der bedingten Ratifikation des Schiedsabkommens durch Frankreich müsste hievon den eidgenössischen Kammern Mitteilung gemacht und es müsste, nachdem wie vorauszusehen, der Nationalrat in Zustimmung zum Ständerat Beschluss gefasst hätte, der Ablauf der Referendumsfrist abgewartet werden, bevor gleichzeitig die Ratifikationsurkunden in beiden Angelegenheiten ausgetauscht werden könnten und damit das Schiedsverfahren seinen Lauf nähme.

Die zweite Art der Verbindung zwischen beiden Angelegenheiten bestünde darin, dass zwar das Schiedsabkommen ratifiziert und die Ratifikationsurkunden ausgetauscht würden, aber vorgängig durch einen Notenwechsel zwischen den beiden Regierungen festgestellt würde, dass das Verfahren vor dem Schiedsgericht zum Stillstand komme, wenn die Schweiz nicht in der Lage wäre, innert der ersten sechsmonatigen Frist dieses Verfahrens die Savoyerübereinkunft endgültig zu verabschieden. Die Folge dieser Bindung wäre natürlich auch, dass das Schiedsverfahren überhaupt nicht mehr zur Durchführung gelangen könnte, wenn die Savoyerübereinkunft verworfen würde.

Die erste Lösung hat den Nachteil, das Wirksamwerden des Zonenschiedsabkommens von vornherein zu verzögern. Es hat den Vorteil, eine klare Sachlage zu schaffen, ohne sachliche Änderung des von den eidgen. Kammern schon ratifizierten Schiedsabkommens in der Zonenfrage.

Die zweite Lösung brächte den Vorteil, dass der Fristenlauf dieses Schiedsabkommens sofort beginnen könnte; allein dieser Vorteil müsste erkauft werden durch die Einwilligung in eine Hemmung dieses Fristenlaufes durch verspätete Genehmigung des Savoyerabkommens. Hierin liegt aber, oder es kann doch darin erblickt werden eine sachliche Abänderung des schon genehmigten Schiedsabkommens in der Zonenfrage, dessen Wirksamwerden an eine neue Bedingung geknüpft würde. Da der Bundesrat dieser Abänderung vor der Abstimmung im französischen Senat zustimmen müsste, ansonst dieser die Ratifikation verweigern würde, so erhöbe sich sofort die heikle Frage, ob der Bundesrat zur Einwilligung in eine Abänderung an dem von den eidgen. Kammern schon ratifizierten Schiedsabkommen überhaupt zuständig sei, oder ob nicht vielmehr einzig die Kammern über eine solche Abänderung zu entscheiden hätten.

In der Beratung wird allgemein der ersten Lösung der Vorzug gegeben. Es wird dabei zu Gunsten dieser Lösung noch betont, dass sie die Verantwortung für die Verzögerung der Wirksamkeit des Schiedsabkommens beim französischen Senat belässt, wo sie auch hingehört, während bei der zweiten Lösung der Bundesrat von vornherein die Verantwortlichkeit für eine spätere Verzögerung der Wirksamkeit des Schiedsabkommens mit übernehmen müsste. Nach der ersten Lösung genügt es auch, dass der Nationalrat dem Beschluss des Ständerates in der Savoyerfrage zustimmt, um alle Schwierigkeiten, abgesehen vom Referendum, zu beseitigen, während die zweite Lösung noch vor beide Kammern gebracht werden müsste.

Auf Grund der Beratung wird beschlossen:

Das politische Departement wird ermächtigt, Herrn Logoz anzuweisen, er solle Herrn Fromageot wissen lassen, der Bundesrat gebe der ersten zur Erwägung gestellten Verbindung zwischen dem Schiedsabkommen in der Zonenfrage und dem Savoy er abkommen den Vorzug und sehe, wenn eine solche Verbindung sich in der Tat nicht vermeiden lasse, der Ratifikation des Schiedsabkommens in diesem Sinne durch den französischen Senat entgegen.

1
E 1005 2/3. Abwesend: Haab.
2
Mitglieder: Motta, Häberlin und Schulthess.
3
Vgl. Sten. Bull. NR, 1919, S.957ff.
4
Vgl. Sten. Bull. StR, 1921, S.494ff.