Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutschland
6.1. Handelsvertrag und Abkommen über Einfuhrbeschränkungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 205
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110-02#1000/1065#120* | |
Old classification | CH-BAR E 7110-02(-)1000/1065 20 | |
Dossier title | Schweizerische Gesandtschaft, Berlin (1924–1935) | |
File reference archive | 8.2.b • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/45222
Schon lange wollte ich Ihnen über den Gang der Handelsvertragsverhandlungen mit der deutschen Delegation Bericht erstatten. Die Verhandlungen sind aber in den letzten Tagen in ein ausserordentlich kritisches Stadium gelangt, das uns ständig in Atem gehalten hat. Heute ist die Sache durch den Bundesrat auf Biegen oder Brechen eingestellt, und es hängt das Zustandekommen des Vertrages von einem für die deutsche Regierung sicherlich nicht schwierigen Entgegenkommen ab.
Wie von Anfang an vorauszusehen war, bildeten Stickereien, Seide, Arzneimittel und Uhren die Schicksalspositionen des Vertrages. In den beiden letztem haben wir uns schliesslich in annehmbarer Weise geeinigt. /...7 Was die Seide anbelangt, so haben wir seit der Ihnen bekannten letzten deutschen Erklärung trotz unserer allergrössten Anstrengungen absolut nichts Besseres erreichen können. Die deutsche Seidenindustrie scheint eine kolossale Angst vor dem Valutadumping aus Frankreich zu haben, welcher Staat nun offenbar in allernächster Zeit die Meistbegünstigung erhalten soll. Wir hatten schliesslich unser letztes Begehren dahin formuliert, die uns auf den 1. Januar 1928 in Aussicht gestellten, um durchschnittlich Mk. 200.- niedrigeren Sätze als sie sofort in den Vertrag aufgenommen würden, gleich zu erhalten. Auch das ist deutscherseits abgelehnt worden, und es ist der Bundesrat mit uns zur Auffassung gelangt, dass man schweren Herzens trotzdem unterzeichnen solle. Auch den Stickereiveredlungsverkehr sind wir bereit, trotz des schärfsten Protestes aus St. Gallen, preiszugeben, und wir hatten uns von der Delegation aus schliesslich mit einem Stickereizoll von Mk. 550.- einverstanden erklärt.
Nun hat heute Morgen St. Gallen von der Berliner Konfektion die telegraphische Mitteilung erhalten, Deutschland sei nötigenfalls bereit, den Stickereizoll auf Mk. 500.- zu ermässigen, wenn die Schweiz fest bleibe. Der Bundesrat hat sich in seiner heutigen Sitzung2 eingehend mit der Frage befasst und dahin entschieden, dass unter allen Umständen ein Stickereizoll von Mk. 500.- verlangt werden müsse. Es ist klar, dass er sich neben allen ohnehin wegen Aufgabe des Veredlungsverkehrs zu gewärtigenden Angriffen nicht noch dem Vorwurf aussetzen kann, die deutschen Möglichkeiten zu Zugeständnissen nicht voll ausgeschöpft zu haben.
Wir haben dies der deutschen Delegation soeben zur Kenntnis gebracht und erklärt, dass die Schweiz nun den sämtlichen deutschen Vorschlägen zustimme mit einziger Ausnahme des Stickereizolles und von letzterem den Abschluss des Vertrages abhängig mache. Die Deutschen haben sich darüber sehr stark aufgeregt und sind offenbar durchaus gegen dieses Zugeständnis. Herr Minister Müller dagegen hat Herrn Bundesrat Schulthess versprochen, sich lebhaft dafür einzusetzen. Wir hoffen des Bestimmtesten, dass die deutsche Regierung in unserm Sinne entscheiden werde, da die hiesige Delegation keineswegs bestreiten konnte, dass ihr ein Zugeständnis von Mk.500.- an sich möglich gewesen wäre3. Dass die Herren verstimmt sind, ist verständlich, allein nachdem das Unglück - vom deutschen Standpunkt aus betrachtet - wollte, dass nicht nur wir, sondern namentlich St. Gallen durch eine Indiskretion der Berliner Konfektion von dieser Möglichkeit Kenntnis erhielt, werden sie sich wohl damit abfinden müssen.
Im Aufträge von Herrn Bundesrat Schulthess möchte ich Sie bitten, an zuständiger Stelle wenn möglich noch die Entscheidung in unserm Sinne zu beeinflussen und uns telegraphisch über die in Berlin herrschende Auffassung zu berichten.
Ich möchte noch beifügen, dass die deutschen Wünsche zur schweizerischen Begehrenliste vollständig und in jeder Hinsicht erledigt worden sind. [...]