Classement thématique série 1848–1945:
XII. MOUVEMENTS SOCIALISTES, RÉVOLUTIONNAIRES ET CONTRE-RÉVOLUTIONNAIRES
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 7-II, Dok. 408
volume linkBern 1984
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001B#1000/1501#8* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(B)1000/1501 1 | |
Dossiertitel | Innerpolitische Berichte (Handakten Legationsrat Egger) (1920–1924) | |
Aktenzeichen Archiv | A.12.15 |
dodis.ch/44619
Le Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Dinichert, aux Légations de Suisse1
In einem sehr interessanten Bericht über die Verhältnisse in der englischen Arbeiterschaft hat unsere London er Gesandtschaft den Wunsch ausgedrückt, über einige Punkte der schweizerischen Arbeiterbewegung näheren Aufschluss zu erhalten.
Wir begrüssen solche Anregungen, die auf Grund unserer Berichte einen Gedankenaustausch ermöglichen, sehr.
Da die aufgeworfenen Fragen von allgemeinem Interesse sind, beantworten wir sie im Rahmen des üblichen Berichtes.
Es betrifft insbesondere die Zusammenhänge zwischen der schweizerischen Sozialdemokratie und dem Ausland und die bürgerlichen Abwehrorganisationen in der Schweiz.
Zusammenhänge zwischen der schweizerischen Sozialdemokratie und dem Ausland: Ein wesentliches Charakteristikum unserer schweizerischen Sozialdemokratie, von deren linkem Flügel sich die kleine kommunistische Partei kaum prinzipiell unterscheidet, ist der, dass sie nicht nur in ihrer Taktik, sondern in ihrer ganzen grundsätzlichen Stellungnahme ausländischen Einflüssen vollständig unterliegt, wie sie ihnen übrigens schon immer ausgesetzt war. Diese Tatsache ist bei der Bedeutung unseres Landes als Asyl für politisch Verfolgte vor und während des Krieges ja leicht erklärlich. Zwischen Einheimischen, naturalisierten und nicht naturalisierten Ausländern wird innerhalb der sozialistischen Gewerkschaften ein Unterschied schon lange nicht mehr gemacht. Aber auch in der politischen Partei sind sogar nicht naturalisierte Ausländer immer wieder zu entscheidendem Einfluss gelangt, wenn sie auch naturgemäss keine offiziellen Führerstellen bekleiden konnten. Ausländischem Einfluss ist es zuzuschreiben, dass auch unsere gemässigteren sozialistischen Führer sich von der zweiten Internationalen losgesagt haben, trotzdem s.Zt. Gustav Müller den Austritt aus derselben als Blamage bezeichnete. Sogar die Führung in der welschen Sozialdemokratie ist zum Teil in links stehende Hände übergegangen.
Es ist erklärlich, dass die Verbindung gerade mit dem revolutionären Russlandbei uns sofort hergestellt war. Wenn aus der Schweiz nur die kommunistische Partei und der linke Flügel der Sozialdemokratie, nicht aber die offizielle sozialdemokratische Partei, am Moskau er Kongress vertreten war, so bestehen trotzdem offensichtlich auch Verbindungen zwischen Russland und der Geschäftsleitung der schweizerischen sozialdemokratischen Partei oder wenigstens einiger Führer in derselben. Wie sehr anderseits auch französische Einflüsse wirksam sind, geht daraus hervor, dass nach dem Abdruck der Erklärung Cachins und Frossards in der «Sentinelle» das «Zürcher Volksrecht» die Schwenkung der welschen Sozialisten zur 3. Internationalen als nahe bevorstehend bezeichnete, die bis heute allerdings nur zu einem ganz geringen Teile vollzogen worden ist. Auch mit Italiensind die Beziehungen schon immer sehr rege gewesen. Die italienischen Sozialistengruppen in der Schweiz sind immer in direktem Verkehr mit der schweizerischen Partei gestanden. Auch in der schweizerischen Gewerkschaftsbewegung sind heute noch italienische Führer tätig. Auch mit Italien stehen also nicht nur die Kommunisten in Verbindung, wenn auch nur deren Vertreter den Kommunistenkongress in Mailand besucht haben. Dass unsere Kommunisten und linke Sozialdemokraten mit dem westeuropäischen Sekretariat der 3. Internationalen in Berlin, hinter dem bekanntlich der russische Handelsbevollmächtigte Viktor Kopp steht, rege Beziehungen unterhalten, ist selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich bestehen Verbindungen mit den deutschen Kommunisten und einem Teil der Unabhängigen, obschon in letzter Zeit die deutsche U.S.P. von radikaler Schweizerseite mit Vorliebe als kleinbürgerliche Partei abgelehnt wird. Auch mit deutschösterreichischen, tschechoslowakischen und ungarischen Linksparteien scheinen dauernde Beziehungen aufrechterhalten zu werden, wie aus gelegentlicher Mitarbeit sozialistischer Journalisten dieser Länder in unserer sozialdemokratischen Presse hervorgeht.
Ob mit der englischen Arbeiterbewegung weitere als die selbstverständlichen allgemeinen Beziehungen gepflogen werden, ist uns nicht bekannt. Die Feststellung dürfte aber interessieren, dass in letzter Zeit der sowjetistische englische «Daily Herald» plötzlich auch in Schweizerkiosken aufgetaucht ist, wo er früher nicht zu sehen war. Der Plan, denselben, in die verschiedenen Hauptsprachen übersetzt, in ganz Europa massenhaft zu verbreiten, soll nach zuverlässiger Meldung bestanden haben. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn direkte Beziehungen schweizerischer Sozialisten mit irgendwelchen englischen Parteigruppen einwandfrei aufgewiesen werden könnten. Es Hessen sich ganz besonders dann wertvolle Schlüsse ziehen, wenn extremistische Schweizer mit scheinbar gemässigten Engländern oder umgekehrt in Verkehr ständen.
Ganz sicher ist, dass die Entwicklung der englischen Arbeiterbewegung für die Entwicklung auf dem Kontinent und in der Schweiz im besonderen von sehr grosser Bedeutung sein wird. Ein erfolgreich durchgeführter englischer Kohlenarbeiterstreik wird auch dann die Zuversicht unserer Linksradikalen mächtig heben, wenn er nicht im extremistischen Fahrwasser durchgeführt worden ist und in erster Linie nur wirtschaftliche Interessen verfolgt hat. Denn auch bei uns wird vorläufig noch auf längere Zeit hinaus – wenn nicht Vorgänge in den NachbarStaaten den Prozess beschleunigen – jede radikale Aktion in Streiks bestehen, denen vorwiegend wirtschaftliche Ziele untergeschoben werden. Dass in der Schweiz heute schon eine Parallelaktion zu einer ev. englischen Aktion geplant wäre, scheint nicht wahrscheinlich. Setzt aber die englische Aktion ein und scheint sie in ihrem Verlaufe erfolgreich zu werden, so ist mit dem Ausbruch verschiedenster Streiks auch auf dem Kontinent zu rechnen. Dann würde es wohl auch bei uns wieder zu Streikhandlungen kommen. Denn seit November 1918 sind grosse Streikbewegungen immer wie eine Welle über verschiedene Länder nacheinander gegangen. Würde bei uns zeitlich diese Welle etwa noch Zusammentreffen mit der Ablehnung des Arbeitszeitgesetzes für die Transportanstalten durch die Volksabstimmung, so wären die günstigsten Vorbedingungen geschaffen. Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass in einem solchen Fall unsere schweizerische Arbeiterschaft ihren Führern Folge leisten würde, gleichviel, ob diese sich zur radikalsten oder einer gemässigteren Richtung bekennen. Letzten Endes sind die wirklich ausschlaggebenden Führer – Greulich, Gustav Müller etc. gehören kaum mehr zu diesen – alle radikal. Sie haben sich nur noch nicht geeinigt auf die zu befolgende Taktik.
Im Gegensatz zur dargestellten Mentalität des englischen Arbeiters hat der schweizerische Arbeiter besonderes Vertrauen zu einem Führer, der aus seinen eigenen Kreisen hervorgegangen ist. Konvertierte Akademiker zum Beispiel begegnen oft jahrelangem Misstrauen.
Der schweizerische Arbeiter wird durch seine Presse, die er eifrig liest, erzogen. Er weiss, dass mit einer kleinen Lohnerhöhung keine prinzipielle Lösung erzielt worden ist. Er ist darauf eingestellt, dass die Entwicklung in der Schweiz abhängig ist von den Vorgängen im Ausland, dass innen- und aussenpolitische Entwicklung nicht zu trennen sind. Der Kampf geht gegen das System, wie die sozialistische Presse täglich hervorhebt. Unsere führende sozialdemokratische Presse ist durchgehend radikal, auch die «Berner Tagwacht», obschon sie zu einer gemässigten Taktik übergegangen ist. Auch bei der kleineren Presse konnte in den letzten Monaten ein Abschwenken von der gemässigten zur extremen Richtung öfter festgestellt werden. Ob unsere sozialdemokratische Presse heute von Russland aus finanziell unterstützt wird, ist schwer zu entscheiden. Die Aufdeckung solcher Unterstützungen würde im Bürgertum natürlich einige Aufregung hervorrufen, vielleicht auch unter einem Teil der gedankenlosen Mitläufer der Sozialdemokratie. Der gut erzogene, klassenbewusste Sozialdemokrat, ganz besonders der halbintellektuelle Angestellte, würde darin wohl kaum etwas Ungebührliches, sondern nur einen Akt schöner internationaler Solidarität sehen.
Gewiss war auch bei uns die Kriegsteuerung, die wirtschaftliche Not das treibende Moment, das viele der Sozialdemokratie in die Arme getrieben hat. Auch unter den Bundesangestellten ist wohl aus manch einem verärgerten Bürgerlichen ein Gegner des herrschenden Systems geworden. Natürlich ist das letzte Ziel immer und überall materielle Besserstellung. Wir möchten aber nicht behaupten, dass diese Leute, nachdem ihre Wünsche erfüllt und sie vielleicht auch zur Einsicht gekommen sind, dass die schlechterdings erreichbare Grenze erreicht ist, endgültig den bürgerlichen Parteien verloren seien.
Bürgerliche Abwehrorganisationen in der Schweiz. Als Folge des NovemberGeneralstreiks 1918 sind in allen grösseren Städten, vielerorts auch auf dem Lande Bürgerwehren gegründet worden, die sich im Frühling 19182 zum Schweizerischen Vaterländischen Verbände (Vereinigte schweizerische Bürgerwehren) zusammengeschlossen haben. Dieser Verband trägt föderativen Charakter. Seine Landesleitung in Aarau, als deren Organ ein ständiges Sekretariat errichtet worden ist, hat sich bestrebt, im ganzen Lande die Bildung und den Ausbau von Bürgerwehren und ihre Zusammenfassung in kantonale Verbände zu fördern. Diese Bürgerwehrorganisationen zerfallen hauptsächlich in zwei grosse Unterabteilungen, von denen je nach den örtlichen Verhältnissen die eine oder die andere intensiver ausgebaut worden ist, je nachdem eine ausgewählte Ordnungstruppe für die betreffende Stadt durch die Militärbehörden zusammengestellt wurde oder nicht.
Die eigentlichen Bürgerwehren setzen sich zusammen aus waffentragenden Freiwilligen, militärisch Eingeteilten (die während ihres Dienstes bei der Bürgerwehr nicht zu ihren militärischen Einheiten einzurücken haben) und nicht militärisch eingeteilten Waffenfähigen. Die Bürgerwehr versieht den Ordnungsdienst bis zum Eintreffen regulärer Truppen und untersteht dem militärischen Ordnungskommando. Die Bewaffnung und Versorgung mit Munition ist nicht überall einheitlich durchgeführt. Einige kantonale Regierungen haben diese Organisationen behördlich anerkannt, andere Regierungen können sich dazu erst entschliessen im Momente des öffentlichen Rechtsbruches durch die Gegenpartei.
Von ebenso grosser Bedeutung ist der Ausbau der zweiten Abteilung der Bürgerwehren, des technischen Hilfsdienstes, des Werkdienstes (W.-D.), der im Moment des Generalstreikes die lebenswichtigsten Betriebe weiterzuführen hat: Gas, Elektrizität, Wasserversorgung, Lebensmittelversorgung, Verkehrswesen, Spitäler, öffentliche Kehrichtabfuhr, nicht zu vergessen Presse- und Nachrichtendienst (für die Fortführung des Eisenbahnbetriebes ist eine behördliche Organisation vorgesehen). Diese Organisation ist seit dem Auguststreik 1919 besonders in Basel gut ausgebaut worden. Aber auch in Genf, Zürich, St. Gallen, in letzter Zeit in Bern neben vielen kleineren Orten sind die Vorbereitungen für den Einsatz des W.-D. getroffen. Ein technischer Sekretär (Dipl.Ing.) des S.V.V. befasst sich ausschliesslich mit dem weiteren Ausbau des W.-D. im ganzen Lande. Die Freiwilligen müssen zum voraus den einzelnen Betrieben zugeteilt werden, für die sie sich ihrer Berufsausbildung nach besonders eignen, für qualifizierte Arbeitskräfte muss eventuell ein militärischer Dispens vorbereitet werden etc. etc.
Dass nach dem ersten Schrecken im November 1918 und August 1919 das Interesse an diesen Bürgerwehrorganisationen vielerorts wieder erlahmte, ist eine normale Erscheinung. Die Hauptsache ist der Ausbau der Kader, die Mitgliedschaft eines absolut zuverlässigen Kernes, der wohl an den meisten Orten vorhanden ist. Im Momente des Generalstreiks werden in den verschiedenen Bezirken aller grösseren Städte im ganzen Lande herum Werbebureaux errichtet, denen sofort eine Menge bis dahin Unentschlossener Zuströmen wird. Dass ein grosser Teil des Bürgertums, wenn es nicht hin und wieder etwas auf gerüttelt wird, nur seinem Tagesinteresse lebt, ist eine Erscheinung, die wir nicht nur in der Schweiz konstatieren müssen.
Neben diesen technisch-organisatorischen Dingen hat sich der Schweizerische Vaterländische Verband noch ein ausgedehntes weiteres Arbeitsfeld geschaffen. Er befasst sich mit allgemein schweizerischen Fragen, die nicht ausschliesslich parteipolitischen Charakter tragen, stellt sie seinen Sektionen zur Diskussion oder lässt sie durch Vorträge von Herren des Sekretariates oder Fachleuten in den einzelnen Sektionen oder an schweizerischen Tagungen zur Diskussion bringen.
Ein Presse- und Nachrichtensekretariat studiert die Entwicklung der revolutionären Bewegung in der Schweiz und im Auslande und stellt seine Beobachtungen in einem wöchentlich erscheinenden Situationsbericht den Mitgliedern und Behörden zur Verfügung oder gibt Meldungen, die nicht für einen breiteren Kreis berechnet sind, an zuständige Amtsstellen weiter. Durch Reisen im Ausland haben Herren der Leitung und des Sekretariates einen regelmässigen Nachrichtenaustausch mit ähnlichen Organisationen in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Holland und Deutsch-Österreich eingeleitet und suchen mit weiteren in Verbindung zu treten. An verschiedenen Orten hält der Verband auch eigene Korrespondenten. Mit zwei englischen Organisationen hat der Verband durch Vermittlung des britischen Generalkonsuls in Zürich die Verbindung angeknüpft. Ein Vertrauensmann des Verbandes sucht gegenwärtig mit einer derselben, der British Empire Union (346 Strand London W.C. 2.), den Nachrichtenaustausch zu einem dauernden zu gestalten. Es wäre natürlich sehr wertvoll, über diese Empire Union sowie auch über weitere bestehende englische Abwehrorganisationen von kompetenter Schweizerseite ein Urteil erhalten zu können. Aus diesem Nachrichtendienst des S.V.V. ist dann bei seiner Leitung der Plan entstanden, mit Beteiligung der Organisationen der verschiedenen Länder in der Schweiz eine Internationale Nachrichtenzentrale zu errichten. Es ist Aussicht vorhanden, wenigstens einige Organisationen in nächster Zeit zu einer vorberatenden Konferenz zur Konstituierung dieser Nachrichtenzentrale in die Schweiz einladen zu können. Die Beteiligung englischer Kreise wäre sehr wünschenswert.
Die Presse- und Nachrichtenabteilung steht in enger Fühlung mit dem Bureau der schweizerischen Mittelpresse, stellt aber auch der führenden Presse gelegentlich Informationsmaterial zur Verfügung.
Für einen eventuellen Generalstreik sind zur Sicherung des Nachrichtendienstes innerhalb der ganzen Schweiz Vertrauensleute bezeichnet, deren Meldungen, wenn Telephon und Telegraph versagen, durch Autos gesammelt und den einzelnen Presseausschüssen an den verschiedenen Orten zur Verbreitung zugestellt werden sollen.
Ein Sekretariat in Genf sichert den dauernden Kontakt und die Zusammenarbeit mit den welschen Sektionen des Verbandes.
Dass auch der Propaganda bolschewistischer Richtung eine Gegenpropaganda entgegengesetzt wird, versteht sich von selbst. Diese muss sachlich geleitet werden und darf sich nicht in den naiven Bahnen bewegen, in denen z.B. die Reconstruction Society in England sie treibt.
Der S.V.V. und die schweizerischen Bürgerwehren sind heute wohl imstande, zusammen mit einer Auswahl zuverlässiger Bataillone die Ordnung im eigenen Lande aufrechtzuerhalten. Wie sich die Verhältnisse gestalten würden, wenn die Nachbarländer in den Zustand der akuten Revolution treten, ist schwieriger zu sagen. Die Armee wäre dann an die Grenze gebunden. Im Innern müsste mit allen Mitteln die Sabotierung der Etappe und der lebenswichtigsten Betriebe verhindert werden. In diesem Falle würde nur rücksichtsloses Vorgehen gegen die extremistischen Führer dem Lande die Ruhe und Ordnung bewahren.
In grossen Umrissen beginnt sich der Verlauf des Kampfes um die dritte Internationale abzuzeichnen. Die Schärfe der Moskau er Bedingungen hat das vorjährige Bild der Kräfteverteilung geändert. Wir können folgende Gruppen feststellen: 1. die Kommunistische Partei, für vorbehaltlose Annahme der Bedingungen. Sie ist bereits aufgenommen in Moskau; ihr Vertreter war Willy Herzog. 2. Die Parteilinke, vertreten durch die 54 Oltner, für die Annahme der Bedingungen, aber mit gewissen Vorbehalten; sie verlangen eine Interpretation. Einzelne Vertreter dieser Gruppe sind aber auch für vorbehaltlose Annahme. 3. Die grundsätzlichen Anhänger der 3. Internationalen, die durch die Bedingungen kopfscheu gemacht wurden und jetzt noch den Gang weiterer Verhandlungen abwarten. Zu ihnen dürfte Grimm zu zählen sein. In dieser Gruppe dürften sich Leute befinden, die letztes Jahr den Eintritt bekämpften, neben solchen, die damals dafür eintraten. 4. Die Gegner des Beitrittes vom letzten Jahre. Die Mitglieder des Parteivorstandes sind auf Gruppe 3 und 4 verteilt.
Voraussichtlich wird nun der Kampf um den Anschluss an Moskau gegenüber dem Kampf um die Bedingungen überhaupt in den Hintergrund treten.
Sehr unangenehm berührt von dieser Sachlage sind die überzeugten Parteigänger Moskau s, weil sie ihren Anhang schwinden sehen, während umgekehrt Gruppe 1 – samt einigen Leuten von Gruppe 2 – und dann wieder die ganz Rechtsstehenden, sie, weil Klärung und Ausscheidung bringend, begrüssen.
Regierungsrat Schneider in Basel macht nun einen grossangelegten Versuch, die Gegensätze zu überbrücken. Er hat umfangreiche Thesen ausgearbeitet, die er von der sozialdemokratischen Partei wie vom Moskau er Exekutivkomitee will genehmigen lassen. Hauptziel ist ihm die Vermeidung einer Spaltung. Zu diesem Zweck muss er nach links wie nach rechts Konzessionen machen. Für ihn persönlich bedeutet das eine gewisse Abschwächung seines Extremismus. Dass ihm am meisten an der Verhütung der Spaltung gelegen, ist erklärlich, weil er in Basel Führer und Amtsinhaber ist. Schneider glaubt, seine etwas die Schärfe der Bedingungen abschwächende Interpretation werde in Moskau Gehör finden, wenn erwiesen ist, dass die nämliche Interpretation «die schweizerische Arbeiterschaft» hinter sich hat. Er rechnet mit der Abbröckelung von Rechtsstehenden, Reformisten etc., schätzt den Verlust aber nicht höher ein als die s.Zt. durch die Abspaltung der Grütlianer erwachsene Einbusse. Dagegen stelle der grosse verbleibende Stock dann eine richtige revolutionäre Masse dar. Auch den Namenswechsel mutet Schneider der Partei zu; sie dürfe sich kommunistische nennen, da Marx und Engels dies schon getan hätten.
Den Plan Schneiders nun sucht die «Kommunistische Partei der Schweiz» (K.P.S.) zu durchkreuzen. Sie will eine Spaltung und glaubt dadurch zu ermöglichen, dass die Parteilinke mit ihr fusioniert.
Zur Gewinnung von Anhang will die K.P.S. in der soz. Partei, ganz besonders aber in den Gewerkschaften, ansetzen. Ihre Taktik erhellt aus folgenden Mitteilungen, die wir ihrem Organ, dem «Bieler Vorwärts», entnehmen. Ein Artikel «Zum Schweiz. Gewerkschaftskongress» sagt im Anschluss an die früher publizierten Anträge der Zürcher (Austritt aus dem Amsterdam er Gewerkschaftsbund und Eintritt in die Moskau er Gewerkschaftszentrale):
«Die Hauptaufgabe, das Hauptgewicht liegt in den einzelnen Verbänden, und nur die Schaffung von kommunistischen Gewerkschaftsfraktionen, deren Aktivität, wird diesem Antrag Realität geben können. Bis heute haben dies noch nicht alle kommunistischen Genossen begriffen. Das Bestreben der Linkssozialisten auf Schaffung einer schweizerischen Unionsföderation hat in letzter Zeit nachgelassen. Der Versuch zur Schaffung einer Einheitsorganisation zeitigte verschiedene Projekte. Überall zerfallen alle diese Pläne zu nichts, die Halbheiten und Schwächen vermochten bis heute nie den starren zentralisierten Machtapparat des Gewerkschaftsbundes zu brechen.
Das Ziel, dem Gewerkschaftsbunde die Leitung bei Massenaktionen aus der Hand zu reissen, scheiterte immer und immer wieder. Die Notwendigkeit der Zusammenfassung der revolutionären Kräfte wird je länger je mehr zur Tageslosung. Die Stellung der K.P.S. zu den Unionsföderationen wurde am westschweizerischen Kongress der K.P.S. wie folgt festgelegt und als Antrag zuhanden des Zentralvorstandes der K.P.S. eingereicht:
Unser Parteiprogramm, in Vereinbarung mit dem Programm der III. Internationalen, verpflichtet uns zu vermehrter Arbeit auf gewerkschaftlichem Gebiet und speziell für den kommenden schweizerischen Gewerkschaftskongress. Die Schaffung von revolutionären Fraktionen innerhalb der Gewerkschaften macht es nötig, dass wir versuchen, mit den Linkssozialisten (L. S.) zusammenzuarbeiten. Wie diese aber gesinnt sind, lässt schliessen, dass sie nach wie vor unsere Propaganda für die Räte bekämpfen werden. Mit den L.S. sind wir darin einig, dass die Macht der Zentralinstanzen, des Gewerkschaftsbundes, gebrochen werden, dass das Schwergewicht bei Entscheidungen über Aktionen innerhalb des organisierten Proletariats liegen muss.
In der Propaganda fest am Rätesystem haltend, müssen wir in der Praxis dasjenige tun, was die Form der proletarischen Massenorganisation dem Rätesystem näher bringt.»
Im Ausland beschäftigt die Anschlussfrage mit den Moskau er-Bedingungen die sozialistischen Parteien ebenfalls sehr stark. Die deutschen U.-Sozialisten sind selbst gespalten. Wie in der Schweiz will ein Teil die Bedingungen annehmen, ein anderer Teil nicht, und täglich laufen bei den sozialistischen Blättern der Schweiz Einzelanmeldungen über die Stellungnahme von Parteisektionen ein, die zeigen, dass auch in Deutschland der Kampf ein sehr scharfer ist. Ein Teil der U.-S. gleitet bereits zu der Kommunistischen Partei über.
Die extremen Blätter der Schweiz, «Volksrecht» und «Vorwärts», registrieren hauptsächlich Meldungen von anschlussfreundlichen Parteien, während die «Tagwacht» ihren Lesern vornehmlich die deutschen Gesinnungsgenossen ihrer Richtung bekannt gibt.
Für die Schweiz ist es nicht unwichtig, dass in Badendie Stimmung mehr für Anschluss an Moskau ist. In Bayernhat sich vorläufig der Landesvorstand der U.-S. mehrheitlich gegen Annahme der Bedingungen ausgesprochen.
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