Également: Arrangement économique entre la Suisse et l’Autriche. Annexe de 1. et 3.2.1916
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 6, doc. 184
volume linkBern 1981
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#1242* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 520 | |
Titolo dossier | Wien, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Konsularberichte, Band 31 (1916–1916) | |
Riferimento archivio | 188 |
dodis.ch/43459
Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass sich seit längerer Zeit die Schwierigkeiten, denen wir in unsern Verhandlungen mit der hiesigen Regierung begegnen, immer fühlbarer machen. Ich habe folgende Liste von Geschäften aufgestellt, bei deren Erledigung wir uns keines besonderen Entgegenkommens von seiten Österreich-Ungarns erfreuen:
1. Ausführung des Handelsabkommens des Herrn Nationalrats Schmidheiny vom 1./3. Februar. 19162.
2. Goldzoll auf Luxusartikel (Seidenwaren), vertragswidrige Vorzugsbehandlung deutscher Waren.
3. Requisition des in Ungarn liegenden schweizerischen Zuckers.
4. Verweigerung der Charterung österreichisch-ungarischer Handelsschiffe für unsere Getreideversorgung.
5. Vertragswidrige Ausfuhrsperre für die Bodenerzeugnisse schweizerischer Grundeigentümer im Rheintal.
6. Langandauernde, lästige Sperre bezüglich Quarantäne an der Schweizer Grenze.
7. Verhaftung wegen Spionagenverdacht auf die geringsten Indizien hin und unverantwortliche Dauer der gerichtlichen und administrativen Untersuchungen.
8. Geringes Entgegenkommen betreffend den Austausch der Schwerverwundeten mit Italien.
9. Unfreundliche Behandlung der Delegierten des Hilfskomitees für die serbische Zivilbevölkerung in Belgrad.
Wenn es sich auch nicht um eine Regierungssache handelt, so darf vielleicht hier auch noch, als in das gleiche Kapitel gehörend,
10. die Haltung des Barons Spiegelfeld gegenüber dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes erwähnt werden.
Ich habe mich nun fragen müssen, ob prinzipieller schlechter Wille bei der k.u.k. Regierung vorliege, und ob diese Sachlage einen tieferen Grund habe.
Von eigentlichem schlechten Willen kann nun, meines Erachtens, nicht die Rede sein. Nicht nur zum ganzen Ministerium des Äussern sind meine persönlichen Beziehungen ausgezeichnete, sondern auch mit dem Finanzminister und Sektionschef Mühlvenzl und ganz speziell mit dem Kriegsminister und seinen hauptsächlichsten für uns in Betracht kommenden Dienstchefs stehe ich auf dem besten Fusse, persönliche Reibungen sind nicht vorgekommen, und ich kann mich über die Haltung irgendeines Ressortchefs nicht beklagen.
Mit Baron Burian habe ich immer den angenehmsten Verkehr gehabt. Allerdings steht der Präsident des gemeinsamen Ministeriums und Minister des Kaiserlichen und Königlichen Hauses und des Äussern auf einem hohen Piedestal, so dass seine Stellung derjenigen des deutschen Reichskanzlers nicht unähnlich ist. Er kann sich daher in diesen Zeiten selbstverständlich mit kleineren Geschäften gar nicht abgeben; es ist infolgedessen auch nicht zu verwundern, wenn er seit Neujahr seinen regelmässigen Mittwochsempfang schon vierzehnmal abgesagt hat; wenn ich aber in der Zwischenzeit eine Angelegenheit mit ihm persönlich zu besprechen wünschte, hat er sich mir jedesmal mit der grössten Zuvorkommenheit zur Verfügung gestellt und meine Anliegen stets mit dem grössten Wohlwollen entgegengenommen. Dass er sich nicht ungern selbst reden hört und daher seinem Gegenpart wenig Gelegenheit lässt, seine Argumente zur Geltung zu bringen, ist ein Vorwurf, der ihm, wie ich aus guter Quelle weiss, auch schon anlässlich eines Besuches in Berlin gemacht worden ist.
Sektionschef Ippen von der Handelsabteilung des Ministeriums des Äussern hat freilich seine bösen wie seine guten Tage, neigt gerne zur Kritik, ich möchte fast sagen zur Nörgelei, doch ist das, wie mir auch von Kollegen bestätigt wird, überhaupt seine Art und nicht eine der Schweiz gegenüber absichtlich angenommene Haltung.
Sachliche Gründe, welche der Schweiz gegenüber ein weniger grosses Zuvorkommen rechtfertigen würden, liegen andererseits auch kaum vor. Natürlich können wir der Monarchie nicht alle Rohstoffe, die sie gerne haben möchte, liefern und, wie Herr Nationalrat Schmidheiny bestätigen wird, es mag hier die Meinung geherrscht haben, dass wir in dieser Beziehung etwas mehr Entgegenkommen hätten zeigen dürfen; alle von seiten des Herrn Schmidheiny oder der Gesandtschaft gegebenen Versicherungen und Erläuterungen wurden zwar in höflichster Weise und mit dem Ausdruck des Bedauerns für die schwierige Lage der Schweiz entgegengenommen, doch Hessen hie und da beiläufige Bemerkungen oder verständnisinniges Lächeln erraten, dass man glaubte, mit einigem guten Willen könnten wir der Monarchie doch mehr anbieten, als was wir zu leisten geneigt waren. Natürlich mutete man uns dabei, allerdings nur im stillen, ein Verhalten zu, gegen das man energisch protestiert hätte, wenn wir es der Entente gegenüber eingenommen hätten. Es huldigt offenbar jeder Kriegführende der Ansicht, dass man sich ihm gegenüber aus besonderer Freundschaft ganz im geheimen ein klein wenig unneutral entgegenkommend erweisen sollte. In letzter Zeit freilich haben solche Andeutungen so ziemlich aufgehört, sei es, dass man sich endlich überzeugt hat, dass wir wirklich nicht anders können, sei es, dass man resigniert unsere Starrköpfigkeit als unverbesserlich hinnimmt. Eine gewisse Enttäuschung mag also in dieser Beziehung auf das Wohlwollen der Schweiz gegenüber einigermassen abkühlend gewirkt haben.
Bei einigen, wenn auch nicht bei gut informierten Leuten mag ferner die Hoffnung, uns in den Krieg gegen Italien eingreifen zu sehen, trotz allen unsern Versicherungen, doch noch in der Tiefe des Herzens geglimmt haben; unsere absolut korrekte Haltung unserem südlichen Nachbar gegenüber und das Zutrauen, das wir seinen Freundschaftserklärungen schenkten, mögen also auch dazu beigetragen haben, dass man auf die Schweiz, die man nicht mehr als einen allfälligen Bundesgenossen betrachten konnte, weniger Rücksichten zu nehmen geneigt war, als es der Fall war, solange man noch glauben wollte, die beiderseitigen Armeen würden sich am Stilfserjoch die Hand reichen. Nun ist auch in dieser Richtung jede Hoffnung geschwunden, und es mag damit bei einigen ein besonders auf dieser Hoffnung begründetes, spezielles Wohlwollen verflogen sein. Die Gewichtigkeit dieses Elementes einer abgekühlten Stimmung richtig einzuschätzen, ist allerdings schwer, es gehört in die Klasse der zartesten Imponderabilien, doch bin ich nicht geneigt, wenn ich es auch nicht ganz ausschalten möchte, es als sehr stark in Betracht kommend anzusehen.
Alles in allem genommen komme ich zum Schlüsse, dass weniger in unserem besondern Verhältnisse zu Österreich-Ungarn liegende Ursachen die glatte Abwicklung so mancher Geschäfte hemmen, sondern dass die wohl bei allen Kriegführenden nach zwei Jahren des schrecklichsten blutigen Ringens und des intensivsten wirtschaftlichen Kampfes vorherrschende Mentalität für diesen Zustand die Schuld trage. Der Ausspruch des Herrn von Bethmann-Hollweg «Not kennt kein Gebot» wird immer mehr zur Wahrheit. Rücksichten auf die Neutralen werden nur noch soweit zugelassen, als sich der Kriegführende dabei besser befindet, wie wenn er auf sie verzichtete. Der heilige Egoismus ist für die um Leben und Tod ringenden Völker eine, ich möchte fast sagen obligatorische Tugend geworden.
Daneben wird zwar nicht geleugnet, dass die Neutralen unter den Folgen dieses Weltkrieges selbst stark zu leiden haben, aber man empfindet dies kaum als ein Unrecht, man wäre fast geneigt, den Neutralen einen Vorwurf zu machen, dass sie nicht auch am Kampfe teilnehmen, wie wenn sie sich dadurch einen nicht ganz gerechtfertigten Vorteil sicherten. Dazu kommt, dass man - was ja menschlich ist - den Neutralen diejenigen Gewinne, die ihr Handel und ihre Industrie zum Teile aus dem Weltkriege ziehen, missgönnt, und dass man namentlich ihre nach dem Kriege verhältnismässig ungebrochene wirtschaftliche Kraft argwöhnisch voraussieht. Für die Schweiz, die im Vergleich zu ändern Neutralen, z.B. Amerika, Holland, Norwegen, sehr wenig Vorteile aus dem Kriege zieht und Leiden ausgesetzt ist, denen andere Staaten, die eigene Seehäfen besitzen, entgehen, ist es misslich, dass man sie, bisweilen ohne näher zuzusehen, auf die gleiche Stufe mit diesen «profitmachenden» Staaten setzt.
Am rücksichtslosesten sind natürlich die Militärs, sie haben nur ein Ziel (und dürfen auch kein anderes haben): den Feind niederkämpfen. Diplomatischen Bedenken ist daher die Armee sehr wenig zugänglich, und da liegt eine der Hauptursachen der Schwierigkeiten, denen wir begegnen. Die Entscheidung in der Mehrzahl der eingangs aufgezählten Geschäfte liegt zuletzt beim Armeeoberkommando und, wie ich zu erwähnen schon in früheren Berichten Gelegenheit hatte, selbst ein Baron Burian erklärt sich demselben gegenüber ohnmächtig.
Beinahe ebenso scharf wie der eigentliche Krieg wird die wirtschaftliche Verteidigung gehandhabt. Sie haben gesehen, hochverehrter Herr Bundesrat, wie z.B. in der Goldzollfrage unser Handelsvertrag einfach auf die Seite geschoben wird, wenn es sich darum handelt, dem verbündeten Deutschen Reiche besondere Vorteile zu sichern; zur Besserung der Valuta werden von der Devisenzentrale Schweizer Devisen zur Zahlung von Zürcher Seidenwaren dem Handel rundweg und prinzipiell vorenthalten, kurz: es wird mit allen gesetzlichen und ungesetzlichen Mitteln gekämpft, wobei die Schweiz auf diesem Gebiet geradezu als Gegner behandelt wird. Soviel ich weiss, verfügen wir selbst leider nicht über sehr scharfe Waffen, um in diesem Kampfe zu bestehen, doch glaube ich, es würde nichts schaden, wenn genauer untersucht würde, was für Repressalien allfällig als wirksames Druckmittel in Betracht kämen. Ich habe das Gefühl, dass solche Massnahmen ihre Wirkung hier durchaus nicht verfehlen würden.
Zur richtigen Würdigung der uns begegnenden Schwierigkeiten darf selbstverständlich bei der k.u.k. österreichisch-ungarischen, der k.u.k. österreichischen und der kgl. ungarischen Regierung der heilige Bureaukratius nicht vergessen werden. Abgesehen von der schon in der angedeuteten Dreiteilung der Verwaltung liegenden Schwerfälligkeit, zu der sich jetzt noch das Oberkommando als Staat im Staate gesellt, darf in einem Lande, in welchem, wie es der Volksmund ausdrückt, die Kaiserin Maria Theresia und Fürst Metternich immer noch nicht gestorben sind, die Schwerfälligkeit einer Beamtenregierung nicht ignoriert werden. Hieran hat der Krieg nichts geändert, und die sich häufenden Geschäfte werden, im Ministerium des Äussern, mit der gleichen Gründlichkeit und Umständlichkeit behandelt wie im tiefsten Frieden.
Ich werde natürlich nicht ermangeln, die oben aufgezählten Geschäfte einzeln mit allem Nachdrucke zu verfolgen, doch frage ich mich, ob es nicht angezeigt wäre, bei dem nächsten nicht abgesagten Mittwochsempfange oder bei einer sonstigen Gelegenheit Baron Burian auf die hier erwähnten Schwierigkeiten im Zusammenhange aufmerksam zu machen und ihm zu sagen, wie unerklärlich uns der Mangel an Entgegenkommen in so zahlreichen Fällen erscheine. Ich bitte Sie, mir hierüber Ihre Instruktionen zukommen zu lassen, bzw. mir mitzuteilen, ob ich gar in Ihrem Aufträge zu diesem Behufe eine Spezialaudienz verlangen sollte. Viel wage ich mir von einem solchen Schritte freilich nicht zu versprechen, da sicher die «bösen Militärs» wieder werden herhalten müssen, und ich an das Oberkommando nicht anders als durch das Ministerium gelangen kann.
Ich möchte nichts vernachlässigen, und doch bin ich auch dem «faire du zèle» sehr abgeneigt; aus unserem Verhältnisse zu den ändern kriegführenden Staaten werden aber Sie, Herr Bundesrat, besser beurteilen können als ich, ob wir uns hier einer aussergewöhnlichen Situation gegenüber befinden, welche besondere Vorstellungen rechtfertigt, oder ob an allen Fronten der gleiche zum mindesten scheinbare Mangel an gutem Willen herrscht, so dass man eben in mühsamen Kampfe jede Angelegenheit für sich, so gut oder schlecht es eben geht, durchfechten soll.
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Negoziati economici e finanziari con gli Imperi centrali (Prima Guerra mondiale)