handschriftlich Vättis, 22. August 1911
Ich habe ein schwieriges Pensum in diese Ferien mitnehmen müssen, die Genfer Eisenbahnfragen, und werde mich nun volens nolens an die Geschäfte heranmachen. Im Hintergrund lauert Solothurn-Schönbühl, auch dringlich, da weiss ich noch nicht, wo hinaus.
Was Ihr Anliegen2 anbetrifft, so war es mir neu. Die Rhein-Bodensee-Schiffahrtsbestrebungen sind mir, heute noch, nicht sehr sympathisch. Die SBB haben noch eine lange Zeit nötig, um ins Gleichgewicht zu kommen, zumal die Bahnhoferweiterungen und die Ersetzung der Niveauübergänge, auch wenn man immer nur das Dringlichste vornimmt, auf viele Jahre hinaus jährlich zwischen 20 und 30 Millionen beanspruchen und man derartige Ausgaben richtigerweise vorwegs tilgen, statt ein Baukonto aufstappeln sollte. Wozu nun, ohne Not, jetzt schon Kanäle bauen, um auch ja zu verhindern, dass die SBB auf einen grünen Zweig kommen.
Von den SBB verlangen, dass sie ihre Abrechnungen vorlegen, damit man die mutmassliche Rentabilität der Rhein-Bodensee-Schiffahrt ermitteln könne, ist denn doch eine starke Zumutung. Es kommt mir vor, wie wenn ein Kaufmann aus Schaffhausen zur Firma Bader in Winterthur käme, die das Kolonialwarengeschäft des Platzes beherrscht und ihr vortragen würde: «Ich gedenke, mich in Winterthur zu etablieren und Dir Konkurrenz zu machen. Als Kollege bitte ich Dich, mir Deine letzte Jahresrechnung für acht Tage nach Hause zu überlassen, damit ich ausrechnen kann, wie gross Dein Jahresgewinn war und ob ich mit der Hälfte desselben werde existieren können. Es liegt im öffentlichen Interesse von Winterthur, dass man Dir Konkurrenz mache und da Dein Chef Mitglied des Kantonsrates und Stadtrat von Winterthur ist, so wirst Du mir die Herausgabe Deiner Jahresrechnung nicht abschlagen.»
Ich werde mich nicht ohne Not einmischen und die SBB machen lassen. Sollte aber gegenüber der allfällig ablehnenden Haltung der SBB die Intervention des Bundesrates anbegehrt werden, so könnte ich dieses Begehren nicht befürworten.
Dringend möchte ich davor warnen, die Rhein-Bodensee-Schiffrage mit der Splügenfrage in Beziehung zu bringen. Dadurch verdoppelt man die Zahl der Gegner des Splügen und das Gewicht ihrer Gegengründe. Schon die blosse Kunde, dass Hr. Würmli der verkehrstechnische Berater des Verbandes von Hrn. Hauser ist, und dass Sie, der spiritus rector des Splügen, auch diesem Verband zu Gevatter stehen, wird sehr ungünstig wirken.
Ich unterbreite Ihnen diese letzteren Betrachtungen in Freundschaft und ganz konfidentiell.