Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
18. Spanien
18.2. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 85
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#546* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 102 | |
Dossier title | Verhandlungen über einen neuen provisorischen Vertrag: Korrespondenz zwischen der spanischen Gesandtschaft in Bern, dem eidgenössischen Handelsdepartement, dem Bundesrat und dem schweizerischem Generalkonsulat in Madrid; Bundesratsbeschlüsse; Akten der Bundesversammlung; Mitteilung des Bundesrates betr. des Inkraftretens des Provisoriums bis zum 01.03.1906 (1905–1905) |
dodis.ch/42940
Antrag des ausserordentlichen Stellvertreters des Vorstehers des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, R. Comtesse, an den Bundesrat1
Der spanische Gesandte hat in der beiliegenden Note vom 2. dies2 im Aufträge seiner Regierung Gegenvorschläge zu einer provisorischen Regelung der Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Spanien eingereicht.
Diese Vorschläge sind folgende:
1. Die spanischen Erzeugnisse werden in der Zeit vom 1. September 1905 bis und mit dem 28. Februar 1906 bei ihrer Einfuhr in die Schweiz zu den gleichen Zöllen zugelassen, wie die Produkte Italiens. Dabei sollen die spanischen WeinSpezialitäten Malaga, Xeres, Priorato und ähnliche hochgradige Weine die gleiche Vergünstigung gemessen, wie die italienischen Weine Marsala, Malvasia, Moscato und Vernaccia, d. h. sie sollen, wenn ihr Alkoholgehalt 18 Volumgrade nicht übersteigt, dem Zollzuschlag und der Monopolgebühr nicht unterworfen sein.
2. Spanien wendet hingegen während dieser Zeit auf schweizerische Waren die niedrigsten Zölle an, die von den Produkten der meistbegünstigten Nationen erhoben werden.
Diese Anträge weichen von den Vorschlägen des Bundesrates, wie sie in seiner Note vom 14. April 19053 an den spanischen Gesandten formuliert waren, in mehreren Hauptpunkten wesentlich ab, so in Bezug auf die Dauer des Provisoriums und die für spanische Weine bei der Einfuhr in die Schweiz zu entrichtenden Zölle. Ferner wird in der spanischen Note die Forderung des Bundesrates nicht berührt, dass für Haushaltungsgegenstände aus emailliertem Eisenblech, Kabel für öffentliche elektrische Leitungen, Kindermehl und Ätzstickereien auf administrativem Wege eine den Bestimmungen der Handelsübereinkunft vom 13. Juli 1892 besser entsprechende Verzollung herbeigeführt werde.
Über den Hauptpunkt der schweizerischen Anträge, die Beibehaltung des Tarifes B (Zölle bei der Einfuhr in Spanien) der 1892er Konvention während der ganzen Dauer des zu vereinbarenden Provisoriums, lässt uns die spanische Note im Unklaren: Spanien offeriert uns nur die Meistbegünstigung, also nach dem gegenwärtigen Zollregime seinen zweiten Tarif (Tarifa segunda), dessen Ansätze eben durch die erwähnte Übereinkunft für eine Reihe unserer Exportartikel, wie Stickereien, Maschinen, Taschenuhren, Teerfarben, emaillierte Haushaltungsgegenstände, gewisse Textilwaren, Käse etc. ermässigt worden sind.
Es ist allerdings anzunehmen, dass die Unklarheit über diesen Hauptpunkt in der Redaktion der Note liege, weil die spanische Regierung durch den Beschluss der Cortes vom 4. Juli ausdrücklich ermächtigt worden ist, den Tarif B der Handelskonvention mit der Schweiz bis Ende Februar 1906 gegenüber allen meistbegünstigten Nationen aufrecht zu erhalten, sofern von diesen Gegenrecht gehalten werde.
Die handelspolitische Situation ist durch das dilatorische Verhalten der spanischen Regierung, die sich über die Tragweite eines Abbruches der vertragsmässigen Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht genügend klar zu sein scheint, und durch die für uns unannehmbaren Gegenvorschläge in hohem Grade kritisch und unhaltbar geworden; und es ist keine Zeit mehr zu verlieren, wenn es nicht zu einem Bruche kommen soll.
Wir haben es daher als dringend geboten erachtet, Vertreter der am Export nach Spanien hauptsächlich beteiligten Industrien, des schweizerischen Weinhandels, der Landwirtschaft und des Weinbaues, mit unsern Delegierten für die Unterhandlungen zu einer Konferenz einzuberufen, um die Sachlage eingehend pro und contra zu erörtern und uns ein Urteil über die im Gesamtinteresse des Landes zu treffenden weitern Massnahmen zu bilden. Das Ergebnis dieser Konferenz, die am 16. dieses Monats stattfand, ist in dem mitfolgenden Protokoll4 enthalten.
Im allgemeinen ist über diese Besprechungen zu bemerken, dass die Vertreter der Industrie und des Weinhandels mit Einstimmigkeit von einer Unterbrechung der handelspolitischen Beziehungen mit Spanien abraten, während man auf Seite der Landwirtschaft und des Weinbaues eher geneigt wäre, es auf das Äusserste ankommen zu lassen5. Immerhin ist zu konstatieren, dass diese letztgenannte Gruppe auf ihrer in der Eingabe des Schweizerischen Bauernverbandes vom 25. Februar 19056 und in der Bundesversammlung geltend gemachten Forderung, die spanischen Weine mit einem, dem Disagio der Valuta Spaniens entsprechenden Zollzuschlage zu belegen, nicht unbedingt insistiert, wenigstens nicht für die Dauer des abzuschliessenden Modus vivendi.
Am gleichen Tage fand sodann zwischen der Delegation des Bundesrates für die Handelsvertrags-Unterhandlungen und den Herren Nationalräten Künzli und Frey eine Konferenz statt, in welcher folgender, der spanischen Regierung als definitiv und unwiderruflich zu unterbreitender Vorschlag zu einem Provisorium in Form eines Notenaustausches formuliert wurde:
1. Spanien gewährt der Schweiz vom 1. September 1905 bis zum 31. August 1906 hinsichtlich der Zölle den Status quo, d. h. die im Tarif B der Handelsübereinkunft vom 13. Juli 1892 enthaltenen Ansätze, und überdies die volle Meistbegünstigung.
Spanien verpflichtet sich, vom 1. September 1905 an auf administrativem Wege die Zölle für Haushaltungsgegenstände aus Schmiedeisen und Stahl, Kabel für öffentliche elektrische Leitungen, Kindermehl und Ätzstickereien mit den Betimmungen der Handelsübereinkunft vom 13. Juli 1892 in Einklang zu bringen.
Endlich verpflichtet sich Spanien, während der ganzen Dauer des Provisoriums die Zölle für schweizerische Waren nicht in Gold, sondern in der gesetzlichen Landeswährung zu erheben.
2. Die Schweiz gewährt Spanien vom 1. September bis zum 31. Dezember 1905 den status quo, d.h. die Ansätze des Tarifes A der Handelsübereinkunft vom 13. Juli 1892 und überdies die volle Meistbegünstigung; vom 1. Januar bis zum 31. August 1906 werden spanische Produkte bei der Einfuhr in die Schweiz zu den gleichen Zöllen zugelassen, wie die Produkte der meistbegünstigten Nation.
Die im Schlussprotokoll, Ziffer II, ad 290 zur Handelsübereinkunft vom 13. Juli 1892 genannten Weinspezialitäten Malaga und Xeres werden bei der Einfuhr in die Schweiz während der ganzen Dauer dieses Provisoriums zu den gleichen Bedingungen zugelassen, wie die italienischen Weinspezialitäten Marsala, Malvasia, Moscato und Vernaccia.
Diese Vorschläge, so weit sie sich auf die gegenseitigen Zollverhältnisse beziehen, sollen der spanischen Regierung als Ultimatum eingereicht und es soll als Schlusstermin für deren Beantwortung der 24. dieses Monats7 bezeichnet werden, in der Meinung, dass, wenn bis zu diesem Tage eine zustimmende Rückäusserung nicht erfolgt, der Bundesrat die diplomatischen Verhandlungen als abgebrochen betrachten müsste. Immerhin glaubten wir, in dem Notenentwurf, den wir unserm Antrage beilegen, den Ausdruck Ultimatum vermeiden und durch die mildere Form «Propositions définitives et irrévocables» ersetzen zu sollen.
Was die Dauer des Modus vivendi betrifft, so herrschte in der Besprechung der bundesrätlichen Delegation mit den Herren Unterhändlern die Ansicht vor, dass zwar vorderhand an dem Datum des 31. August 1906 festzuhalten sei, dass aber, wenn die spanische Regierung sich durch den Beschluss der Cortes vom 4. Juli als unbedingt gebunden erachten sollte, über den l.März 1906 nicht hinauszugehen, in diesem Punkte schliesslich nachgegeben werden könne, wenn die Verständigung nur noch hievon abhängen sollte8.
- 1
- E 13 (B) /255. Handelsvertragsunterhandlungen mit Spanien.↩
- 2
- Nicht abgedruckt.↩
- 3
- Nicht abgedruckt. Vgl. Nr. 72.↩
- 4
- E 13 (B)/258.↩
- 5
- Der Sekretär des Schweizerischen Bauernverbandes, E. Laur, äusserte sich auf der Konferenz vom 16. August 1905 betr. die handelspolitische Situation mit Spanien wie folgt: Die Landwirtschaft ist bereit, das Opfer dem Weinbau zu bringen und eventuell es zu einem Bruche kommen zu lassen; wir müssen dieses Opfer bringen; es ist eine patriotische Pflicht, und wenn es zu einer öffentlichen Diskussion kommen sollte, stünden hunderttausende zu dieser Auffassung. Die Industrie sollte sich auch auf diesen Standpunkt stellen: Hier müssen auch wir Industrielle ein Opfer bringen und suchen, uns auf andere Weise zu entschädigen. Der Export hat es immer noch verstanden, sich über schwierige Zollverhältnisse hinwegzuhelfen und eine Hinterthür zu finden (E 13 (B)/258).↩
- 6
- E 13 (B)/255.↩
- 7
- Im endgültigen Notenentwurf bezeichnete der Bundesrat den 26. August 1905 als Schlusstermin.↩
- 8
- Am 18. August 1905 genehmigte der Bundesrat den vom Handelsdepartement vorgelegten Notenentwurf. Die Verständigung wurde am 29. September 1905 durch einfachen Notenaustausch abgeschlossen. Text des provisorischen Handelsabkommens zwischen der Schweiz und Spanien vom 29. August 1905: BBl 1905, I, S. 73 f. Vgl. den Bericht des Bundesrates betr. die provisorische Regelung der Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Spanien vom 25. September 1905; BBl 1905, V, S.210ff. Am 18. September 1905 ersuchte der Schweizerische Bauernverband die Bundesversammlung in einer vertraulichen Eingabe, ... sie möge ihre verfassungsmässigen Rechte wahren und verlangen, dass ihr das provisorische Handelsabkommen mit Spanien zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werde... und forderte zugleich die Räte auf, eine Ratifikation zu verweigern (E 13 (B)/257). Am 4. Oktober 1905 nahm der Nationalrat vom Bericht des Bundesrates vom 25. September 1905 Vermerk zu Protokoll, ebenso der Ständerat am 4. Oktober 1905. Bundesrat Deucher erklärte im Ständerat, ... der Bundesrat wolle die Frage prüfen, ob in Abweichung vom bisherigen Verfahren in Zukunft provisorische Abkommen ähnlicher Natur wie dieses den Räten zur Genehmigung vorzulegen seien (E 1001 (D) dl/141). Vgl. den Bericht des Bundesrates zur Kompetenzfrage vom 21. November 1905, BBl 1905, VI, S. 15 ff.↩
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