Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
23. Uruguay
23.1. Expulsion du Ministre Nin
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 4, Dok. 230
volume linkBern 1994
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001A#1000/45#1643* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(A)1000/45 238 | |
Dossiertitel | Uruguayische Gesandtschaft, Minister (1896–1898) | |
Aktenzeichen Archiv | C.424-09-1 |
dodis.ch/42640
Proposition du Président de la Confédération et Chef du Département politique, A. Deucher, au Conseil fédéral1
Mit Depesche vom 1. Dezember 18692 übermittelt Herr Minister-Resident Rodé in Buenos Aires die Korrespondenz, welche in der Angelegenheit Ninzwischen ihm und der Regierung der Republik Uruguay gewechselt worden ist, nämlich:
1) Abschrift einer Note des Ministeriums des Auswärtigen Uruguays vom 9. November 1896 als Antwort auf die Noten des Herrn Rodé vom 21. September u. 26. Oktober 1896;
2) Note des Herrn Rodé an das Ministerium des Auswärtigen der Republik Uruguay vom 12. November 1896;
3) Antwort der uruguayschen Regierung auf diese Note vom 30. November 1896.3
Aus dieser Korrespondenz geht hervor, dass der Zwischenfall sich nunmehr zu einem förmlichen Konflikte zwischen den beiden Regierungen zugespitzt hat.
Die Regierung der Republik Uruguay vertritt den Standpunkt, dass die Aufforderung des Herrn Bundesrats Frey an ihren Gesandten, sich ihm vorzustellen, und dessen Wegweisung vom Manöverfelde eine der Nation selbst, die Nin vertrat, zugefügte schwere Beleidigung sei, und verlangt, dass der Bundesrat das Verhalten des Herrn Frey missbillige und ihr diejenige Genugthuung gewähre, die ihr gebühre.
Das gegen Herrn Nin beobachtete Verfahren schliesse eine Verletzung der durch das Völkerrecht den Gesandten gewährleisteten Immunitäten in sich. Auch vorausgesetzt aber nicht zugegeben, dass Herr Nin sich gegenüber Herrn Frey unschicklich benommen hätte, könnte jenes Verfahren nicht gerechtfertigt werden. Herr Frey hätte beim Bundesrat und dieser bei ihr – der uruguayschen Regierung – Beschwerde führen sollen, denn nach allgemein geltenden völkerrechtlichen Grundsätzen stehe es dem absendenden Staate allein zu, seinen Gesandten für rechtswidrige oder unschickliche Handlungen zu bestrafen.
Dies der Sinn und die Quintessenz der uruguayschen Note.
Herr Rodé hat sich bemüht, der uruguayschen Regierung begreiflich zu machen, dass die Angelegenheit mehr vom militärischen Standpunkte aus betrachtet u. beurteilt werden sollte, und dass die von Herrn Frey gegen Herrn Nin verfügte Massregel dem Offizier, der sich schwer vergangen hatte, nicht dem Vertreter Uruguays galt; allein dieser Versuch ist als gescheitert zu betrachten. Die uruguaysche Regierung weigerte sich in ihrer Note vom 30. November 1896 sich hierüber in weitere Erörterungen einzulassen, indem sie darauf hinwies, dass die Eigenschaft des Herrn Nin als Gesandten Uruguays dem Herrn Frey wohl bekannt war.
Nach der Ansicht des Herrn Rodé gibt es drei Wege, zu einer Lösung zu kommen:
1) Der Bundesrat kann dem Herrn Nin die Pässe zustellen und auf diese Weise selbst der Mission dieses Diplomaten ein Ende setzen. Das wäre der Bruch, der von unberechenbaren Folgen für die in Uruguay niedergelassenen zahlreichen Schweizerbürger begleitet sein könnte;
2) Auf dem Weg eines Vergleiches den Streit beizulegen suchen. Herr Rodé glaubt, dass der uruguaysche Gesandte in Buenos-Aires, Herr Frias, sich mit der Absicht trägt, ihm Vergleichsvorschläge zu machen;
3) die Sache einem dritten Staate zur schiedsrichterlichen Erledigung vorzulegen.
In dieser Angelegenheit, bei welcher unsere guten Beziehungen zu einem Lande auf dem Spiele stehen, wo zahlreiche Schweizerbürger leben und ihr Brot verdienen, haben wir für nötig gehalten, uns auch bei dem ältesten u. erfahrendsten unserer Vertreter im Auslande, Herrn Roth in Berlin, Raths zu erholen, indem wir ihn ersuchten, uns mitzuteilen, wie er den Vorfall beurteile und auf welche Weise er glaube, dass nun vorgegangen werden sollte.
Herr Roth hat die ihm übermittelten Akten einer gründlichen Prüfung unterzogen u. sich über die Frage in einem Berichte vom 13. lf. Mts.4 vernehmen lassen, den wir Ihnen vorlegen.
Herr Roth hält dafür, dass die von Herrn Frey verfügte und durch den Bundesrat bedingungslos gutgeheissene Wegweisung Nins vom Manöverfelde den schwachen Punkt unserer Situation bildet und glaubt sich kaum zu täuschen, wenn er annimmt, dass eine dritte und zwar gleichviel welche Staatsregierung, die als Schiedsrichter über den Konflikt zu entscheiden hätte, speziell nach dieser Richtung trotz des provozierenden Verhaltens Nins und der vielen Ungebührlichkeiten, welche derselbe sich successive zu Schulde kommen liess, uns Unrecht geben würde.5 Aus diesem Grunde erscheine es ihm nicht als ratsam, den Weg einer schiedsrichterlichen Austragung der Angelegenheit zu beschreiten. Ein Schiedsspruch, der das Begehren der Regierung von Uruguay auf Genugthuung als begründet erklärte, würde den Bundesrat blosstellen, was um so bedenklicher erscheine, als es keinem Zweifel unterliege, dass die Regierung Uruguays u. Nin selbst für eine Bekanntgabe des Schiedsspruchs in grossem Stile besorgt sein würden.
Herr Roth ist jedoch der Ansicht, dass der Bundesrat, wenn immer möglich, es nicht auf einen Bruch ankommen lassen sollte, und empfiehlt, die Lösung des Falles auf dem Wege der Weiterführung direkter Verhandlungen mit der Regierung von Uruguay zu suchen. Er deutet an, wie dies in einer Note geschehen könnte, wo der Bundesrat der Regierung von Uruguay über die Wegweisung Nins sein Bedauern aussprechen würde. Dabei wäre zu betonen, dass diese Genugthuung der Regierung als solcher, nicht der Person des Herrn Nin gelte.
Wir stimmen Herrn Minister Roth unbedingt darin zu, dass wir alles thun sollten, was von uns abhängt, um einen Bruch mit Uruguay zu vermeiden. Herr Rodé schildert die Folgen, die für die zahlreichen in Uruguay sesshaften Schweizerbürger aus einem Bruch entstehen könnten, in so anschaulicher Weise, dass wir weiter keine Worte über die Nothwendigkeit zu verlieren brauchen eine freundschaftliche Beilegung der Angelegenheit anzustreben.
Von den Vergleichsvorschlägen des uruguayschen Gesandten in Buenos Aires versprechen wir uns nichts. Herr Rodé selbst lässt deutlich durchblicken, dass dieselben, wenn sie überhaupt gemacht werden, kaum als für uns annehmbar ausfallen werden. Die zweite Note vom 30. November 1896 lässt keine Hoffnung zu, dass die Regierung Uruguays je von ihrem Standpunkte abgehe. Wir glauben auch, dass durch Zaudern und Temporisieren nichts zu gewinnen sei; im Gegenteil, wir halten dafür, dass der Bundesrat danach trachten sollte eine rasche Erledigung der Angelegenheit herbeizuführen, und zwar auf dem Wege eines Schiedsgerichtes. Der Vorschlag des Herrn Roth verdient gewiss von Ihnen in reifliche Erwägung gezogen zu werden, wir vermögen uns aber demselben aus folgenden Gründen nicht anzuschliessen.
Wenn der Bundesrat eine Note in dem von Herrn Roth vorgeschlagenen Sinne an die Regierung Uruguays richtet, so gibt er in grellem Widerspruch mit seiner Note vom 19. September 1896 zu, dass ein Verstoss gegen das Völkerrecht begangen worden ist, und wir zweifeln keinen Augenblick daran, dass die Uruguaysche Regierung und Nin selber dieses Schuldbekenntnis ebensosehr an die grosse Glocke hängen würden, wie einen ihnen günstigen Schiedsspruch. Wir würden unser Unrecht eingestehen und uns blosstellen, ohne auch nur die geringste Bürgschaft dafür zu haben, dass Uruguay die ihm angebotene Genugthuung auch annehmen werde. Es könnte leicht geschehen, dass die uruguaysche Regierung, durch unsere Erklärungen ermutigt, die sie auf unser Schuldbewusstsein und unsere Furcht vor den Folgen eines Bruches zurückzuführen versucht sein möchte, uns weitergehende Zumutungen machte, die wir zurückweisen müssten. Dann wäre der Bruch unvermeidlich; von einem Schiedsgericht würde keine Rede mehr sein können.
Durch den Antrag auf eine schiedsgerichtliche Austragung des Falles würden wir hingegen uns noch keine Blösse geben, uns namentlich nicht mit uns selbst in Widerspruch setzen. Unsere Erklärung an Uruguay könnte etwa folgendermassen lauten:
«Nachdem durch die zwischen den beiden Regierungen gewechselten Noten konstatiert ist, dass ihre Auffassungen auseinandergehen, weil jede von ihnen den Vorfall von einem ändern Standpunkte aus betrachtet und beurteilt, so bleibe nach der Ansicht des Bundesrates nichts anderes übrig, um eine freundschaftliche Lösung der Angelegenheit herbeizuführen, wie sie zweifelsohne im Wunsche auch der uruguayschen Regierung liege, als einen dritten Staat als Schiedsrichter anzurufen. Der Bundesrat schlage als Schiedsrichterin eine mit beiden Ländern auf gleich befreundetem Fusse stehende Macht, Deutschland, vor und gewärtige die Antwort der Regierung, um bei der deutschen Reichsregierung die hiezu erforderlichen Schritte zu thun.»
Uruguay, das sich in der Hauptsache in s "nem Rechte fühlt, wird voraussichtlich diesen Antrag annehmen und es wäre dann die Aufgabe unseres Gesandten in Berlin dahin zu wirken, dass der Schiedsspruch so ausfalle, dass die Würde des Bundesrates jedenfalls gewahrt bleibe. Wir zweifeln auch nicht daran, dass Deutschland einen Ausweg finden wird, Uruguay, wenn das Völkerrecht es gebietet, Genugthuung zu gewähren, ohne dem Bundesrat Zumutungen zu machen, die mit seiner Würde unvereinbar wären.
In einer Zeit, wo das Schiedsgerichtsverfahren in allen Tonarten als das beste Mittel gepriesen wird, alle internationalen Streitigkeiten zu schlichten, wo der Bundesrat selbst die Initiative ergreift, um mit einem überseeischen Staate einen Vertrag abzuschliessen, welcher die Einsetzung eines ständigen Schiedsgerichts vorsieht, scheint uns, dass wir nur mit uns selber konsequent wären, wenn wir im vorliegenden Streit mit Uruguay dieses Verfahren wählten, ohne Rücksicht darauf, ob der Schiedsspruch zu unseren Gunsten oder Ungunsten ausfallen werde. Wenn ein Staat sich nur dann dieser Einrichtung bedienen wollte, wenn er begründete Hoffnung hätte, auch Recht zu bekommen, so hätte sie keinen Werth, und wir sollten uns die Mühe ersparen, mit ändern Staaten Schiedsgerichtsverträge abzuschliessen.
Im vorliegenden Falle scheint der von uns befürwortete Weg auch deshalb angezeigt, weil wir uns einer kleinen Republik gegenüber befinden und deshalb uns nicht dem Vorwurf aussetzen sollten, wir seien so verfahren, wie wir es einer grösseren Macht gegenüber nicht gewagt hätten.
Bedenken wir, dass alle Staaten in derartigen Angelegenheiten, wo völkerrechtliche Satzungen in Frage stehen, sich solidarisch fühlen, und dass wir selbst einmal im Falle sein könnten, uns bei Reklamationen gegen andere Staaten auf solche Satzungen zu berufen.
Nimmt Uruguay nicht an, so bessert sich dann unsere Stellung; sollte es in diesem Falle zum Bruch kommen, so wird niemand gegen uns den Vorwurf erheben dürfen, wir hätten ihn gewollt.
Wenn Sie sich dieser unserer Ansicht anschliessen, möchten wir Ihnendas politische Departement zu ermächtigen, die erforderlichen Schritte in diesem Sinne zu thun.
- 1
- Propositon: E 2001 (A) 1652. Angelegenheit Nin.↩
- 2
- Cf. no 226.↩
- 3
- Ces documents ne sont pas reproduits.↩
- 4
- Cf. no 228.↩
- 5
- Astérisque indiquant un renvoi à un texte en bas de page: Geffeken, eine Autorität im Gebiete des Völkerrechts, spricht sich im Holtzendorffschen Handbuch des Völkerrechts (III. Bd. S. 648) über die Unverletzlichkeit der Gesandten folgendermassen aus: «Die Person des Gesandten, was er auch thun mag, ist unverletzlich, jeder Angriff auf sie ist eine Beleidigung seiner Regierung....Verletzt der Gesandte die Pflichten seiner Stellung, indem er Mitglieder der Regierung beleidigt, gegen dieselben conspiriert, sich in innere Angelegenheiten mischt oder sonstwie zu begründeten Klagen Anlass gibt, so soll ihn dafür entsprechende Strafe treffen; solche eintreten zu lassen, ist der Absenderstaat verpflichtet, denn da angenommen werden muss, dass er den Gesandten zur Pflege guter Beziehungen beglaubigt hat, so hat derselbe, wenn er diese gestört, offenbar gegen seine Instruktionen gehandelt und verdient dafür Strafe, aber diese zu verhängen, hat nur der Absenderstaat das Recht wie die Pflicht. Die Regierung, bei der er beglaubigt ist, hat sich daraufzu beschränken, unter Anführung der Gründe seine Abberufung bzw. Genugthuung zu fordern.» Darin stimmen alle Völkerrechtslehrer überein (Grotius, Vattel, Heffter, Bluntschli, Martens, Calvo, Rivier, Pradier-Fodéré u. a.), so dass die Meinung des Herrn Roth, dass dieser Punkt unsere Achillesferse bilde, wohl nicht so leicht zu widerlegen wäre.↩
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