Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. SICHERHEITSPOLITIK
2. Die schweizerische Neutralität
2.2. Neutralitätsgarantien
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 3, doc. 389
volume linkBern 1986
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#92* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 49 | |
Titolo dossier | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 9 (1889–1889) |
dodis.ch/42368
Letzten Freitag war ich bei dem Grafen H‘ Bismark zum Diner eingeladen, in Gesellschaft von mehrern Botschaftern, Gesandten etc.
Während des Diner’s und auch nachher, im Rauch-Salon, bis unmittelbar vor unserm Weggehen, drehte sich die Conversation zumeist um gleichgültige Dinge nicht politischer Natur. Als ich mich anschikte, mich von dem Grafen zu verabschieden, glaubte ich dann noch ein verbindliches Wort über die Erledigung der Angelegenheit betr. die Zoll-Strasse bei Lützel einfliessen lassen zu sollen und hierauf erwiderte alsdann der Graf, mich etwas auf die Seite führend, ungefähr Folgendes:
«Ach ja, die Sache ist nun erledigt. Die ganze Geschichte war übrigens von geringer Bedeutung. Andere Fragen, welche die Schweiz betreffen, sind für uns und für erstere viel wichtiger. H. v. Bülow, der uns immer recht gute Berichte schikt, hat neulich gemeldet, dass die Militär-Centralisations-Bewegung, welche von den Schweiz. Offizierskreisen ausgehe, vor der Hand an massgebender Stelle und in den eidg. Räthen noch wenig Entgegenkommen finde. Wir bedauern dies sehr, denn wir wünschen die Schweiz möglichst stark, und so lange die Kantone in militärischen Dingen, wobei namentlich die Offiziersernennungen hervorzuheben sind, noch so viel mitzureden haben, wird eben doch Ihre Armee für den Ernstfall noch Erklekliches zu wünschen übrig lassen. Überhaupt wäre der Schweiz noch etwas mehr Centralisation entschieden erspriesslich. So sollte namentlich die Centralgewalt den Kantonen gegenüber betreffend Überwachung und Einschränkung der subversiven Elemente noch viel kräftiger einschreiten können, als es jetzt der Fall ist. Wir anerkennen vollkommen den guten Willen des Bundesrathes und sind demselben im Besondern sehr dankbar für die Unterdrükung des sozialdemokratischen Schandblattes in Zürich. Wir möchten nur wünschen, derselbe wäre auch nach dieser Richtung in seiner Thätigkeit weniger gelähmt durch die Competenzen und Gegenströmungen der Kantone. Einen ganz besondern Werth legen wir aber, wie bemerkt, darauf, dass die Schweiz militärisch stark sei und dass die von den Offizierskreisen so warm befürwortete Centralisation recht bald durchgeführt werde. Wir wünschen dies namentlich mit Rüksicht auf gewisse andere Staaten; wir wünschen, dass auch andere Regierungen über die Fähigkeit der Schweiz, Einbrüche in ihr Gebiet mit Gewalt abzuwehren, so recht überzeugt seien. Sie wissen, ich habe da namentlich ein gewisses Loch im Jura im Auge. Wir werden nie bei Ihnen einbrechen, nie. Das haben wir Ihnen 1870 sofort des Bestimmtesten erklärt; das habe ich Ihnen persönlich seither wiederholt betont und die gleiche Antwort würde Ihre Regierung bei dem eventuellen Ausbruche neuer kriegerischer Verwiklungen wieder a tempo erhalten. Dafür müssen wir aber – ich komme nochmals darauf zurück – immer und immer wieder den Wunsch betonen, dass Sie stark und militärisch gut organisirt seien, wozu die besprochene Militär-Centralisation in ganz erheblichem Masse beitragen dürfte. Ich glaube, H. von Bülow hat sich H. Präsident Hammer gegenüber gelegentlich schon in diesem Sinne geäussert. Verwerthen Sie das, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, nach Gutdünken; sei es, dass Sie nach Bern schreiben (natürlich sehr vertraulich) oder dass Sie den Herren dort etwa anlässlich der Ferien mündlich von der Sache sprechen. Doch bitte ich Sie ausdrüklich, diese meine Mittheilungen als Privat-Äusserungen aufzufassen, welche ich Ihnen hier in meinem Hause gemacht habe und zwar auch hier nur deswegen gemacht habe, weil ich Sie näher kenne und weil ich weiss, dass ich mich auf Sie betreffend Alles, was geeignet ist, den bisherigen freundschaftlichen Verkehr zwischen beiden Regierungen aufrechtzuerhalten und zu kräftigen, sowie auch was Discretion betrifft, unbedingt verlassen kann. Amtlich und drüben im Auswärtigen Amt hätte ich Ihnen alles dies nicht gesagt.»
Da sich mittlerweile alle ändern Gäste behufs Verabschiedung uns genähert hatten und der Graf sich selbst anschikte, unser tête à tête aufzuheben, konnte ich ihm nur noch summarisch antworten. Puncto subversive Elemente in den Kantonen etc. erwiderte ich, es dürfte sich doch empfehlen, dass in der Beurtheilung unserer Zustände dem wahren Sachverhalte und u. A. der fortgesetzt vortrefflichen Haltung der eidg. Räthe etwas mehr Rechnung getragen werde und dass gewisse Press-Extravaganzen weniger Beachtung finden; der Bundesrath werde sich mit den Competenzen, welche er bereits besitze, auch in der Folge nach Bedürfniss zu helfen wissen und er sei auch entschlossen von diesen Competenzen Gebrauch zu machen. Betreffend Militär-Centralisation bemerkte ich, so weit es sich um meine persönliche Ansicht handle, so stehe ich nicht an, dem Grafen das Geständniss abzulegen, «qu’il prêchait à un converti», soweit es sich um die Grundidee handle; ich habe auch die vollendete Überzeugung, dass die Sache kommen werde. Nur dürfte das Tempo hiefür nicht ein so rasches sein, wie die Anhänger der Centralisation es wünschen. Es seien eben noch diese und jene constitutioneile und andere Bedenken mehr zu heben und mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden, welche man in militärischen Kreisen vielleicht nicht hinreichend in Rechnung gebracht habe und dann müsse ich wirklich selbst, obwohl, wie gesagt, für die Centralisation eingenommen, zugestehen und hervorheben, dass man im Lager der Centralisten sans phrase denn doch die jetzigen Zustände zu schwarz ausmale. Der Graf möge überzeugt sein, dass wir auch bei der gegenwärtigen Organisation nicht nur gewillt, sondern auch materiell im Stande wären, unsern Pflichten betreffend active Wahrung der Neutralität zu genügen.
Ich überlasse es vertrauensvoll Ihnen, Herr Bundesrath, zu beurtheilen, ob und in welcher Form und Ausdehnung vorstehende Mittheilungen zur Kenntniss Ihrer Herrn Collegen gelangen sollen. Nur darf ich Sie für alle Fälle bitten, dafür besorgt zu sein, dass rüksichtlich derselben die strengste Discretion beobachtet und dass gegen Aussen mein Name und derjenige des Grafen Bismark unter keinen Umständen genannt werde.2
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