Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. WIRTSCHAFTS-, HANDELS- UND WÄHRUNGSPOLITIK
1. Bilaterale Verhandlungen
1.5. Der Handelsvertrag mit Japan
Darin: Über die Vertretung der Schweiz bei den Verhandlun gen in Tokio herrscht Verwirrung. Deutschland und Japan betrachten den deutschen Gesandten, der Bundesrat Generalkonsul Wolff als Delegierten der Schweiz. Das Beste ist auch weiterhin eine Doppelvertretung. Annex vom 31.5.1884
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 3, doc. 262
volume linkBern 1986
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E13#1000/38#219* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 13(-)1000/38 50 | |
Titolo dossier | Korrespondenz des Handels- und Landwirtschaftsdepartements; Notizen; Anträge des politischen Departements an den Bundesrat; Briefe des Schweizer Generalkonsulats in Yokohama sowie der japanischen Botschaft in Bern an den Bundespräsidenten; Bundesratsbeschlüsse; Vertrags- und Tarifentwürfe (1883–1887) |
dodis.ch/42241
Mit Ihrer geehrten Zuschrift vom 14. Februar3, welche gestern in meinen Besitz gelangte, übermitteln Sie zu meiner Orientirung die Note4, welche der hohe Bundesrath an die verschiedenen Regierungen als Ausdruck seiner Gesinnung betreffend die japanesischen und die deutsch-englischen Vorschläge gerichtet hat, sowie, konfidentiell, den Protokollauszug5 aus den betreffenden Bundesraths-Verhandlungen, welche Mittheilungen ich Ihnen bestens verdanke.
Was mich in dem genannten Protokollauszug, welcher vom 19. Oct. vorigen Jahres datirt, in erster Linie frappirte, ist, dass obige Verbalnote sogleich allen schweizerischen Gesandtschaften mitgetheilt wurde, während Ihr Vertreter in Japan erst sechs Monate später davon Kenntniss erhält, obschon er doch das grösste Interesse an dieser Angelegenheit hat. Aus meinem Schreiben an das politische Departement vom 2. Feb. a.c.4 geht auch hervor, dass der hiesige deutsche Vertreter schon im Dezember vorigen Jahres von dieser Note Kenntniss hatte.
Welcher Natur die deutsch-englischen Vorschläge sind, ist mir zur Stunde noch unbekannt, u. ebenso die der japanischen, sofern sie von den in den Conferenz-Protokollen6 angeführten abweichen.
Der neue englische Minister für Japan ist kürzlich hier eingetroffen und scheinen nun alle fremden Vertreter ihre neuen Instruktionen erhalten zu haben, so dass die Wiederaufnahme der Conferenzen in Tokio in allernächster Zeit bevorsteht. Obschon daher bei Ankunft dieser Zeilen in dort die Unterhandlungen hier sehr wahrscheinlich wieder im Gang sein werden, so erlaube ich mir dennoch Ihnen meine persönliche Ansicht bezüglich der genannten Verbalnote zu unterbreiten.
Dass das Protokoll über den Zolltarif wieder eröffnet wird, glaube ich nicht, j edenfalls dürften weder England noch Deutschland, die am Tarif am meisten interessirten Mächte, den Vorschlag des Bundesrathes unterstützen, dass für Gewebe und Uhren der bisherige Tarif (von ca 5%) beibehalten werde, da mit Ausnahme der Schweiz sämmtliche Vertragsmächte schon vor längerer Zeit sich bereit erklärt haben, den jetzigen Importtarif von einer Duchschnittsbasis von 5% auf durchschnittlich 10% zu erhöhen. Wenn wir daher noch eine Concession in dieser Hinsicht zu erreichen wünschen, so scheint es mir, wäre solche eher zu erlangen, wenn wir eventuell statt der von den fremden Delegirten proponirten Ansätze von 15% auf halbseidenen Geweben von 20% auf goldenen Uhren einen Zoll von 10% verlangen würden.
Die Passage betreffs anzustrebender Verbesserungen in Bezug auf den gegenwärtigen Stand der Münzcirculation und des Münzwechsels in Japan ist mir, offen gestanden, nicht recht klar. Aus meinem Bericht für das Jahr 18837 geht hervor, dass der Werth des einheimischen Papiergeldes sich in letzter Zeit bedeutend gebessert hat, u. dass die japanische Regierung überhaupt ihr Möglichstes thut, um, so weit es die ihr zu Gebote stehenden beschränkten Mittel erlauben, der gegenwärtigen Finanznoth abzuhelfen. Dass aber auswärtige Regierungen Japan in Bezug auf dessen eigene, innere Angelegenheiten Vorschriften machen wollen, scheint mir nicht gerechtfertigt, und überdiess würde die japanische Regierung uns ohne Zweifel, u. nicht mit Unrecht, entgegenhalten, dass wir in unsern Forderungen selbst nicht consistent sind, wenn wir einerseits niedrigere Zölle und anderseits Verbesserung bezüglich der Münzcirculation verlangen; denn die japanische Regierung hat von je her betont, dass sie auf einem höhern Tarif hauptsächlich aus finanziellen Gründen insistire, da die Zölle beinahe ihre ausschliessliche Einnahme in Spezie bilden u. sie solche zur Amortisirung der Papierschuld zu verwenden beabsichtige.
Wenn der Bundesrath ferner seine Einwilligung dazu gibt, dass die Consular - Jurisdiction durch Spezial-Gerichtshöfe ersetzt werde, welche über Ausländer Gerichtsbarkeit besitzen u. aus ausländischen Richtern zusammengesetzt werden, so scheint mir dieser Passus auf einer unrichtigen Voraussetzung zu beruhen; denn Japan hat schwerlich je eine derartige Proposition gemacht, und würde eine solche auch nicht annehmen. So viel mir wenigstens bekannt, hat Japan bis jetzt nur proponirt, gemischte Gerichtshöfe, also aus fremden u. japanischen Richtern zusammengesetzt, zu errichten, und wurde dabei deutlich zu verstehen gegeben, dass die fremden Richter nur auf eine limitirte Zeit engagirt würden, d. h. so lange, bis die japanischen Richter für competent erachtet würden, die Jurisdiction über die Fremden ausschliesslich auszuüben.
Diese meine Bemerkungen basiren sich natürlich auf den Stand der Revisionsfrage, soweit es mir eben zur Stunde bekannt ist, u. ist es ja wohl möglich und sogar wahrscheinlich, dass Sie ein viel reicheres Material zur Beurtheilung dieser Angelegenheit an der Hand haben, wie ich.
Ich kann bei diesem Anlass Ihnen nicht verhehlen, dass ich mit meiner Stellung in dieser Revisionsfrage nichts weniger wie befriedigt bin. Der Bundesrath hat mich zu seinem zweiten Delegirten ernannt, ohne mich dieserhalb nur anzufragen, obschon ich zur Zeit in der Schweiz weilte, (Sommer 1882) und ohne dass ich mich je für diese Charge beworben hätte.8 Der erste Delegirte, Graf Döhnhoff, der deutsche Vertreter in Tokio, lebte mit mir auf einem gezwungenen freundschaftlichen Fuss, doch kann ich von ihm absolut keine Unterstützung erwarten, da er ohne die directe Ordre von Berlin mich auch heute noch ignoriren würde.9 Der hiesige deutsche Generalkonsul, welcher ebenfalls zweiter Delegirter seiner Regierung ist, hat übrigens in dieser Beziehung ganz ähnliche Erfahrungen gemacht.
Von meiner eigenen Regierung fehlen mir nicht nur neue, auf die letztjährigen Verhandlungen in Europa basirte, Instructionen, wie sie heute jeder andere Delegirte hier besitzt, (eigentliche Instructionen10 habe ich überhaupt nie empfangen, ) sondern ich werde von Allem, was vorgeht, in Unwissenheit gelassen. Ich hätte aber um so eher erwarten dürfen, vom Bundesrath kräftig unterstützt u. renseignirt zu werden, als demselben ja bekannt ist, dass die japanische Regierung sowohl wie die fremden Diplomaten in Tokio meine Zulassung zu den Conferenzen lebhaft bekämpft haben.11
Ich habe dem Konsulat schon viele Opfer an Zeit und Geld gebracht, und werde so lange ich an meinem Posten bin, solche auch in Zukunft nicht scheuen, dagegen sehe ich absolut nicht ein, wie ich unter den jetzigen Verhältnissen an der bevorstehenden Conferenz den schweizerischen Interessen nützlich sein kann, und Sie würden mich daher zu Dank verpflichten, wenn Sie mich meiner Stellung als zweiter Delegirter entheben wollten, denn die Rolle, die ich unter diesen Umständen spielen kann, ist allzu unbefriedigend u. peinlich für mich. Ich begreife sehr wohl, dass der Vertrag mit Japan für die Schweiz wenig Interesse hat, u. überhaupt besser gar nie gemacht worden wäre; wenn es aber dem Bundesrath zu viele Mühe verursacht, mich von dem, was bezüglich der Vertragsrevision vorgeht, auf dem laufenden zu halten, und mich überhaupt so zu postiren, dass ich meiner Aufgabe gerecht werden kann, u. ich mich nicht vor den ändern Delegirten zu schämen brauche, so ist es viel einfacher u. jedenfalls für mich weit angenehmer, wenn ich jeder Betheiligung dabei enthoben werde.12
- 1
- Bericht: E 13 (B)/202. Via Brindisi.↩
- 2
- ; E 13 (B)/202.↩
- 3
- Es handelt sich um das Schreiben vom 15. 2. 1884 (E 13 (B)/202).↩
- 4
- Nr. 249.↩
- 5
- E 1004 1/135, Nr. 5099.↩
- 8
- Vgl. das Bundesratsprotokoll vom 1. 8.1882 (E 1004 1/130, Nr. 3879).↩
- 10
- Vgl. auch Nr. 229 und den Annex.↩
- 11
- Vgl. Nr. 230.↩
- 12
- Vgl. den Annex.↩
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