Überblick über die schweizerischen Vermittlungsbemühungen in den Kapitulationsverhandlungen Japans mit den Alliierten.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 16, doc. 25
volume linkZürich/Locarno/Genève 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2800#1967/59#1163* | |
Old classification | CH-BAR E 2800(-)1967/59 93 | |
Dossier title | Stucki Walter (1927–1961) | |
File reference archive | 44.119 |
dodis.ch/36 Der Chef der Abteilung für Auswärtiges des Politischen Departements, W. Stucki, an den Vorsteher des Politischen Departements, M. Petitpierre1 KAPITULATIONSVERHANDLUNGEN JAPAN
Da sich der Eingang der japanischen Antwort auf die Erklärung der 4 alliierten Grossmächte vom 11. August2 stark verzögerte, telegraphierte ich am l4. früh nach Washington, ob die dortige Regierung damit einverstanden sei, dass die Antwort, um Zeit zu ersparen, unchiffriert von Bern nach Washington übermittelt werde. Um 11 Uhr traf eine bejahende Antwort ein. Um l6 Uhr wurde diese Antwort durch ein neues Telegramm dahin modifiziert, dass eine unchiffrierte Übermittlung nur erfolgen solle, wenn die japanische Antwort eine bedingungslose Annahme enthalte. Minister Harrison erhielt eine gleiche Instruktion und gab mir davon unverzüglich Kenntnis.
Ich hatte Radio Suisse angewiesen, mir den Eingang von Telegrammen aus Tokio an die japanische Gesandtschaft in Bern jeweils sofort zu melden. Um 11.05 erhielt ich von Radio Suisse die Mitteilung, es laufe ein langes chiffriertes Telegramm aus Tokio für die japanische Gesandtschaft in Bern soeben ein. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um die sehnlich erwartete Antwort. Da ich aus den eingegangenen Telegrammen wusste, mit welcher ungeheuren Ungeduld und Aufregung man diese Antwort in Amerika erwartete, telephonierte ich um 11. 50 dem schweizerischen Geschäftsträger in Washington3, es laufe soeben ein chiffriertes Telegramm ein, wahrscheinlich handle es sich um die erwartete Antwort, mit Sicherheit könne ich dies natürlich nicht behaupten. Die gleiche Mitteilung machte ich Minister Harrison. Als bis l4.30 von der japanischen Gesandtschaft keine Mitteilung einging, liess ich dort anfragen, ob die Antwort nicht eingetroffen sei. Man erwiderte, es seien wohl Telegramme eingelangt, aber die erwartete Antwort befinde sich nicht darunter. Ich telegraphierte dies sofort nach Washington. Unterdessen hatte bereits das Weisse Haus eine Mitteilung ausgegeben, wonach die Antwort um l2 Uhr mittags in Bern eingelangt sei. Legationsrat Grässli, der meine Mitteilung richtig, das heisst mit allem Vorbehalt, weitergeleitet hatte, berichtigte unverzüglich mündlich und schriftlich die unrichtige Meldung, was er mir um 18.30 telephonisch mitteilte.
Im Verlaufe des Nachmittags sind noch verschiedene Telegramme von Tokio an die japanische Gesandtschaft in Bern eingelangt, keines enthielt aber die erwartete Antwort. Angesichts der grossen Aufregung in Journalistenkreisen und der zahllosen sich widersprechenden Meldungen liess ich durch die Depeschenagentur bekanntmachen, dass bis um 17.15 bei uns die Antwort nicht eingegangen sei.
Erst um 18.50 telephonierte der japanische Gesandte4, die Antwort sei nun eingelangt und müsse dechiffriert werden. Er hoffe, sie in einer Stunde überreichen zu können. Um 20.00 besucht mich Herr Minister Kase und übergibt mir die Antwort (Beilage 1). Minister Harrison, den ich ins Vorzimmer bestellt hatte, erhielt sofort davon Kenntnis, und wir prüften zusammen eingehend den Text, um zu entscheiden, ob die Antwort offen oder chiffriert weitergeleitet werden könne. Mit Rücksicht auf verschiedene Unklarheiten und Unvollständigkeiten kamen wir zum Schluss, es müsse chiffriert werden. Um 21.05 ging das chiffrierte Telegramm5 an unsere Gesandtschaft in Washington hier ab und bereits um 21.22 bestätigte New York den Empfang.
Als sich Minister Harrison noch in meinem Bureau befand, erhielt er einen Telephonaufruf des amerikanischen Staatssekretärs für Auswärtiges, Byrnes, der sich nach der Situation erkundigte. Auf sein ausdrückliches Verlangen las ihm Harrison den Text der japanischen Antwort am Telephon vor und erhielt den Befehl, seinerseits den Text offen nach Washington zu kabeln. Wie sich unterdessen herausgestellt hat, ist trotzdem, gestützt auf unser Chiffretelegramm, der Text durch unsern Geschäftsträger in Washington überreicht worden, bevor das Telegramm Harrisons dort einlief.
Am 15. August 02.25 traf ein offenes Telegramm unserer Gesandtschaft in Washington ein. Ich wurde vom Pikettdienst unverzüglich alarmiert und begab mich ins Bureau, nachdem ich den japanischen Gesandten auf 03.30 zu mir gebeten hatte. Ich überreichte ihm offiziell den direkt für Japan bestimmten Text der Botschaft (auf Beilage 2 blau unterstrichen). Offiziös gab ich ihm aber auch von der sehr wichtigen Einleitung Kenntnis (auf Beilage 2 rot unterstrichen). Ich hielt es für erforderlich, dass Tokio darüber informiert werde, dass die amerikanische Regierung die japanische Antwort als Annahme nicht nur der Beschlüsse von Potsdam sondern auch des Memorandums der Alliierten vom 11. August auffasse.
Der Depeschenagentur sind am 14. August 2l Uhr und am 15. August 03.45 von uns entsprechende Meldungen zugestellt worden, die unterdessen publiziert worden sind.
Um 07.30 am 15. August telephoniert Direktor Rothen von Radio Suisse, dass zwischen 05.00 Uhr und 07.30 mit drei Sendern in voller Stärke versucht wurde, das um 05.00 aufgegebene Telegramm des japanischen Gesandten nach Tokio zu übertragen, dass aber die atmosphärischen Störungen zunächst unüberwindlich waren. Erst um 07.40 bestätigte die japanische Station den Empfang.
- 1
- E 2800/1967/59/93. Diese Notiz wurde auch an Ph. Etter geschickt, vermutlich weil dieser als Stellvertreter des Vorstehers des EPD amtierte.↩
- 2
- Für dieses und die weiteren in dieser Notiz erwähnten Dokumente vgl. E 2801/1967/77/3.↩
- 3
- M. Grässli.↩
- 5
- Vgl. DDS, Bd. 16, Dok. 23, dodis.ch/34.↩
Relations to other documents
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