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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 25, doc. 164
volume linkZürich/Locarno/Genève 2014
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1982/58#2661* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1982/58 327 | |
Dossier title | Frage der Anerkennung Nordkoreas durch die Schweiz (1971–1972) | |
File reference archive | B.15.11.1 • Additional component: Korea |
dodis.ch/35836 Notiz des Chefs des politischen Diensts Ost des Politischen Departements, H. Miesch1 AUFZEICHNUNG ÜBER DIE UNTERREDUNG VOM 18. SEPTEMBER 1972 MIT HERRN BLIX VOM SCHWEDISCHEN AUSSENMINISTERIUM BETREFFEND SCHWEDISCHE ANERKENNUNGSIDEE NORD- UND SÜDKOREAS2
Die Unterredung, die sehr nützlich war, brachte Übereinstimmung in allen Punkten im Sinne des von uns angestrebten behutsamen Vorgehens.
Der nun für den 26. September vorgesehene gemeinsame Vorstoss in Prag und Warschau soll mündlich erfolgen, wobei sich der jeweilige schwedische3 und schweizerische4 Botschafter an das beiliegende Memorandum5 in der Fassung vom 18. September 1972 zu halten hätten, ohne dieses jedoch den Gesprächspartnern zu überlassen. Es soll der exploratorische Charakter unterstrichen werden, wobei dieser erste Schritt als eine Angelegenheit zwischen den vier Regierungen zu betrachten ist, welche die Mitglieder der Neutralen Überwachungskommission gestellt haben. Erst wenn Polen und Tschechen den Plan positiv beurteilen sollten, wird über das weitere Vorgehen zu beraten sein, wobei davon ausgegangen wird, dass schliesslich der Plan von allen Beteiligten d. h. auch von Süd- und Nordkorea gebilligt werden soll.
Dieser Exploration kommt vertraulicher Charakter zu. In diesem ersten Stadium sollen daher weder Süd- noch Nordkorea, aber auch nicht der Generalsekretär6 der UNO oder allfällige weitere direkt Interessierte (Amerika, China) ins Vertrauen gezogen werden.
Sowohl die schwedische als auch die schweizerische Seite sind eher skeptisch mit Bezug auf die Möglichkeit einer sofortigen positiven Stellungnahme der Polen und Tschechen. Diese dürften sich, wenn überhaupt, nicht vor gewalteter UNO-Debatte (über die Koreafrage) auf den Plan irgendwie einlassen wollen.
Nachdem es sich somit um einen ersten Sondierungsschritt mit völlig ungewissem Ausgang handelt, teilt die schwedische Seite unsere Auffassung, wonach sich der schwedische Aussenminister7 anlässlich des sozialistischen Parteikongresses im Oktober bedeutend unverbindlicher äussern sollte, als dies nach den Ausführungen gemäss Telegramm 133 unserer Botschaft in Stockholm 8 anzunehmen war. Es soll dies nun in einer Form geschehen, die Erkundigungen der süd- und nordkoreanischen Regierung wie auch der Öffentlichkeit nach Möglichkeit ausschliesst.
Sollten Nord- oder Südkorea sich dennoch melden, so würde ihnen auseinandergesetzt, dass es sich vorerst um unverbindliche Abklärungen unter den vier NNSC-Mitgliederländern handelt, die im Falle einer positiven Reaktion mit den beiden Hauptbeteiligten aufgenommen und ohne deren Zustimmung nicht verwirklicht werden soll. Sowohl Nord- wie Südkorea sind im übrigen in groben Zügen bereits mit der Idee konfrontiert worden; die nordkoreanische Seite durch Schweden und die Schweiz, die südkoreanische Seite durch die Schweiz (in Bern)9.
Im Falle einer Indiskretion kann die Aktion als unverbindliche Abklärung einer Idee dargestellt werden, wobei zur Zeit nichts Konkretes vorliegt und irgendwelche Spekulationen verfrüht wären.
Wir haben uns auch darüber unterhalten, inwieweit die Träger der Demarche vom 26. September auf allfällige Fragen der Tschechen und Polen antworten sollen10. Dabei kamen wir überein, dass Fragen, deren Beantwortung anhand des Memorandums nicht möglich erscheint, ad referendum entgegengenommen werden sollten. Immerhin haben wir vier mögliche Fragen herausgegriffen und deren Beantwortung durch die Botschafter wie folgt festgelegt:
a) Frage: Warum stellen wir eine Verbindung her zwischen der Anerkennungsfrage und der Mitarbeit in der NNSC?
Antwort: Wie die polnische und tschechische Regierung diese Frage beurteilen, wissen wir nicht. Für die schwedische und schweizerische Regierung ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sie Mitglieder der Überwachungskommission gestellt haben, ein besonderer Aspekt, der bei der Beurteilung der Anerkennungsfrage nicht ausser acht gelassen werden kann.
b) Frage: Warum kann man sich nicht auf die Anerkennung von Nord- und Südkorea beschränken, anstatt schon die Frage der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu vereinbaren?
Antwort: Die Schweiz und Schweden möchten gegebenenfalls mit Nordkorea Beziehungen aufnehmen u. a. im Sinne eines konkreten Beitrags zur Entspannung in jener Gegend. Es geht ihnen um mehr als die Anerkennung.
c) Frage: Was würde im Falle einer positiven Reaktion Polens und der CSSR geschehen?
Antwort: Wir würden uns zu verständigen haben darüber, wann und wie Nord- und Südkorea in den Plan eingeweiht werden sollen. Im Falle einer positiven Haltung der beiden koreanischen Regierungen müsste geprüft werden, wie die ganze Frage zu formalisieren ist.
d) Frage: Was geschieht, wenn Nordkorea ja sagt, Südkorea hingegen ablehnt?
Antwort: Da eine ausbalancierte Lösung für Schweden und die Schweiz wesentlich ist, könnte der Plan nicht weiterverfolgt werden.
Falls der Plan irgendwelche Verwirklichungschancen haben sollte, müsste in formeller Hinsicht eine schriftliche Vereinbarung über die gleichzeitige Durchführung angestrebt werden, die für alle Beteiligten verbindlich wäre. Dies um zu vermeiden, dass eine Partei plötzlich wieder aussteigt.
In rein technischer Beziehung wurde noch festgelegt, dass die Demarche in Prag und Warschau auf gleichem Niveau erfolgen sollte. In Prag handelt es sich um Vizeaussenminister Ruzek. Schweden wird seinen Botschafter in Polen beauftragen, zuständigenorts ein Rendez-vous für den 26. September anzuberaumen für eine gemeinsame Demarche. Wortführer sollen sein in Prag Frau Botschafter Roessel und in Polen Botschafter Frochaux11. Dies aus dem Grunde, weil Frau Roessel besser vertraut ist mit der Angelegenheit als der schwedische Botschafter in Polen.
Für den Fall eines Scheiterns des Planes behält sich Schweden vor, allenfalls allein vorzugehen und diplomatische Beziehungen mit Nordkorea aufzunehmen. Die Frage würde sich für Schweden vor allem dann stellen, wenn es die DDR12 anerkennen sollte.
- 1
- Notiz: CH-BAR#E2001E-01#1982/58#2661* (B.15.11.1). Dieses Exemplar ging an P. Graber und wurde von ihm visiert. Kopien an C. Caratsch, W. Bossi, C. Ochsenbein, A. Natural, G. E. Bucher, E. Thalmann, R. Keller und P. Thévenaz.↩
- 2
- Die Unterredung fand in Stockholm statt. Anwesend: H. Blix, K. Björk, H. Miesch, C. Ochsenbein und J. Romare. Im Dokument werden fälschlicherweise ein Botschafter Jörg und Sekretär Morita aufgeführt. Für die schwedische Demarche zur Anerkennung Nord- und Südkoreas durch die Mitgliedstaaten der Neutralen Überwachungskommission in Korea, vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 152, dodis.ch/35835.↩
- 4
- W. Bossi bzw. P. Frochaux.↩
- 5
- Gemeinsames schwedisch-schweizerisches Memorandum vom 18. September 1972, Doss. wie Anm. 1.↩
- 6
- K. Waldheim.↩
- 7
- K. Wickman.↩
- 8
- Telegramm Nr. 133 der schweizerischen Botschaft in Stockholm an das Politische Departement vom 5. September 1972, Doss. wie Anm. 1.↩
- 9
- Vgl. dazu die Aufzeichnung von K. Fritschi vom 2. Juni 1972, dodis.ch/36011 und die Notiz von H. Miesch vom 5. September 1971, Doss. wie Anm. 1.↩
- 10
- Zur Demarche und den Reaktionen in Prag und Warschau vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 168, dodis.ch/35837.↩
- 11
- P. Frochaux wurde bei der Vorsprache von C. Caratsch, C. Wollin von L. Bergquist vertreten.↩
- 12
- Vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 179, dodis.ch/34372.↩
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