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Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 24, Dok. 167
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E-01#1987/78#579* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)-01/1987/78 161 | |
Dossiertitel | Militärische Zusammenarbeit Schweden-Schweiz (1968–1975) | |
Aktenzeichen Archiv | B.51.13.009 |
dodis.ch/32962 Zusammenarbeit Schweden/Schweiz auf militärtechnischem Gebiet
Nachdem seit dem Notenaustausch2 über die Zusammenarbeit mit Schweden auf militärtechnischem Gebiet (4. 8. 66) über drei Jahre verstrichen sind, scheint es zweckmässig, eine kurze Zwischenbilanz zu ziehen.
Die Gemischte Kommission ist erstmals im Februar 19683 in Schweden zusammengetreten und traf sich seither einmal in der Schweiz4 und einmal in Schweden5. Vorgängig dieser Zusammenkünfte hatten sich Vertreter beider Seiten einige Male getroffen, um unter anderem das Procedere der militärtechnischen Zusammenarbeit festzulegen und die diesbezüglichen Anträge an die Regierungen auszuarbeiten6. Es wurde danach getrachtet, möglichst direkte Kontakte zwischen den beidseitig interessierten Instanzen herzustellen. Infolge unterschiedlicher Organisation und unterschiedlichen Verwaltungsaufbaues in den beiden Ländern war dies nicht sehr einfach.
Heute bestehen Zusammenarbeitsregelungen auf folgenden Gebieten7: – Verstärkung des Geländes – Individuelle Ausrüstung, Biwak- und Unterkunftsmaterial – Verteidigungsmedizinische Forschung und San[itätsa]usrüstung – Lebensmittel – Fliegerabwehr – Fliegerabwehr-Lenkwaffe Bloodhound M[ar]k 2 – Panzerabwehr8 – Panzerkampfwagen und Panzerfahrzeuge, einschliesslich Feuerleitgeräte
und optische und elektrooptische Instrumente – Kampfflugzeuge – C-Waffen – Kriegsbrückenmaterial, Übersetzmittel und zugehörige Materialfragen – Artillerie – Wasserversorgung und -Aufbereitung
Zwei weitere Zusammenarbeitsregelungen9 sind in Aussicht genommen, nämlich: – Nachtsehmittel – Landminen
Bei diesen Zusammenarbeitsregelungen steht der Informationsaustausch im Vordergrund. Es dauerte zum Teil über ein Jahr, bis dieser Informationsaustausch im Fluss kam. Anlässlich der letzten Zusammenkunft der Gemischten Kommission vom 1.–4. 7. 6910 wurden die bestehenden Zusammenarbeitsregelungen im einzelnen geprüft. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass sie auch weiterhin als wertvoll und interessant betrachtet werden können. Sie sind auf fünf Jahre befristet, und es wird zu gegebener Zeit zu prüfen sein, welche davon über diesen Zeitpunkt hinaus weitergeführt werden sollen. Der Informationsaustausch, der durch ein Geheimhaltungsabkommen11 erleichtert wird, kann schon an sich als wertvoll beurteilt werden und dürfte die damit verbundenen Umtriebe und Aufwendungen als sinnvoll erschienen lassen. Es muss allerdings bemerkt werden, dass die Zusammenarbeit eine nicht unbeträchtliche Belastung der daran unmittelbar interessierten Dienststellen mit sich bringt.
Man ist sich auf beiden Seiten einig, dass die Zusammenarbeit über diesen Informationsaustausch hinausgehen sollte. Das Ziel besteht darin, durch gemeinsame Entwicklung und allenfalls Beschaffung rationellere Wege für die Bewaffnung und Ausrüstung der Streitkräfte zu finden. Es hat sich gezeigt, dass dies nur in Ausnahmefällen möglich sein wird, da die Definition der militärischen Anforderungen von Land zu Land naturgemäss verschieden ist. Eine über den Informations- und Erfahrungsaustausch hinausgehende praktische Zusammenarbeit kann nur erreicht werden, wenn Projekte in einem möglichst frühen Stadium, d. h. von der Festlegung der militärischen Anforderungen (Pflichtenhefte), aufeinander abgestimmt werden. Aus dieser Erkenntnis ist die Gemischte Kommission zur Auffassung gekommen, dass zur Vorbereitung ihrer Arbeit Gespräche im kleinen Kreis zwischen den verantwortlichen Planungs- und technischen Instanzen Platz greifen müssen. Eine erste solche Zusammenkunft hat im März 1969 stattgefunden, eine zweite ist für diesen Herbst vorgesehen12. Der Zweck dieser Gespräche besteht in einer frühzeitigen Erfassung der kommenden Bedürfnisse und im Versuch, die an künftiges Kriegsmaterial zu stellenden Anforderungen aufeinander abzustimmen. Wenn diese Fragen gelöst werden können und wenn es auch gelingt, in bezug auf die industrielle Fertigung, bei der naturgemäss in beiden Ländern eine Konkurrenzsituation bestehen wird, eine Lösung zu finden, dürfte es möglich sein, zu praktischen Formen der Zusammenarbeit zu kommen. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht für alle Zusammenarbeitsregelungen gelingen wird. Wenn indessen das angestrebte Ziel auch nur im einen oder andern Fall erreicht werden kann, dürften sich, im ganzen gesehen, die Aufwendungen lohnen.
Nach der heutigen Beurteilung besteht bei folgenden Projekten am ehesten Aussicht auf konkrete Resultate: – Panzerabwehrsysteme der nächsten Generation – Panzer und Schützenpanzer der nächsten Generation – Kampfhelikopter bzw. Helikopterbewaffnung – Kurz- und Mittelstrecken-Flablenkwaffen
Der bisherige Erfahrungs- und Informationsaustausch erwies sich insbesondere auf dem Gebiet der Verstärkung des Geländes und der Panzerkampfwagen und Panzerfahrzeuge als fruchtbar. Er führte zu gegenseitigem Austausch von Material zu Erprobungszwecken. Möglicherweise ergibt sich dadurch eine Ersparnis bei Entwicklungsarbeiten.
Da der Gemischten Kommission auch je ein Vertreter13 des Politischen Departements bzw. des Utrikesdepartementes angehört, gaben die Sitzungen zudem Gelegenheit, inoffizielle Gespräche über verschiedene Probleme der Neutralitäts- und der Aussenpolitik, soweit sie militärische Aspekte aufweist, zu führen. So orientierte man sich gegenseitig über Fragen, die mit den Atomwaffen14 und den chemischen und bakteriologischen Kampfmitteln zusammenhängen sowie über die Kriegsmaterialausfuhr15, die europäische Sicherheitskonferenz16 und die Friedens- und Konfliktsforschung17. Die erhaltenen Informationen waren nützlich und stellen vielleicht einen Beitrag zu einer Annäherung der Haltung beider Staaten in gewissen Punkten dar. Diese Gespräche sollten im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik18 weitergeführt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die angebahnte Zusammenarbeit auf militärtechnischem Gebiet sich als nützlich erweist. Spektakuläre Resultate sind in nächster Zukunft jedoch nicht zu erwarten. Die Anlaufzeit, d. h. das Herstellen direkter Kontakte zwischen den beidseitig interessierten Stellen, die Beseitigung administrativer Hindernisse und die Regelung der Geheimhaltungsfragen, hat verhältnismässig viel Zeit in Anspruch genommen. Die Tatsache, dass der «Viggen» aus der weitern Evaluation der von uns zu beschaffenden Kampfflugzeuge ausgeschieden ist, hat natürlich unsere schwedischen Partner enttäuscht. Ihr Wille, trotz des Rückschlages aus der technischen Zusammenarbeit das Beste herauszuholen, besteht indessen nach wie vor.
Die Kontakte werden, wie erwähnt, künftig vermehrt zwischen den Planungs- und technischen Stellen stattfinden müssen. Die Gemischte Kommission ist deshalb von einem halbjährigen zu einem ganzjährigen Turnus ihrer Zusammenkünfte übergegangen. Der Aufwand kann auf diese Weise herabgesetzt werden.
- 2
- Schreiben von W. Spühler an K. Böök und von K. Böök an W. Spühler vom 4. August 1966, dodis.ch/33848. Zur militärtechnischen Zusammenarbeit mit Schweden vgl. ferner DDS, Bd. 23, Dok. 160, dodis.ch/31211; die Notiz von F. Blankart vom 29. Mai 1967, dodis.ch/34092; die Notiz von W. Wyttenbach an R. Bindschedler vom 14. Juli 1967, dodis.ch/32954 und das Schreiben von Ch. Schaefer an C. Weidemann vom 3. Dezember 1968, dodis.ch/32956.↩
- 3
- Zu den Besprechungen vom 27.–29. Februar in Stockholm vgl. die Notiz von A. Kaech und N. Simonsson vom 29. Februar 1969, Doss. wie Anm. 1.↩
- 4
- Zu den Besprechungen vom 10.–14. November 1968 in Bern vgl. die Notiz von A. Kaech und S. Marcus vom 14. November 1968, Doss. Anm. 1.↩
- 5
- Zu den Besprechungen in Abisko vom 2.–3. Juli 1969 vgl. die Notiz von S. Marcus und H. Wildholz vom 4. Juli 1969, Doss. wie Anm. 1.↩
- 6
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1989 vom 9. Dezember 1968, dodis.ch/32961.↩
- 7
- Vgl. dazu auch das Protokoll von A. Kaech und C. Voegelin vom 30. Januar 1969, dodis.ch/32957. Zu den einzelnen Gebieten vgl. Doss. E 5560(D) 1996/188 Bd. 143 (241.3.32).↩
- 8
- Vgl. dazu das Schreiben von P. Riklin an H. Wildholz vom 13. Februar 1968, dodis.ch/32955.↩
- 9
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1756 vom 22. Oktober 1969, E1004.1#1000/9#751*.↩
- 10
- Vgl. Anm. 5.↩
- 11
- Geheimschutz-Vereinbarung zwischen S. Synnergren und Ch. Schaefer vom 13. April 1967, Doss. wie Anm. 7.↩
- 12
- Vgl. dazu die Notiz Organisatorische Fragen der Zusammenarbeit vom 25. Juni 1969, Doss. wie Anm. 7.↩
- 13
- R. Bindschedler und H. Blix.↩
- 14
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 63, dodis.ch/33194; Dok. 87, dodis.ch/33144 und Dok. 155, dodis.ch/33145.↩
- 15
- Zum schweizerischen Kriegsmaterialexport vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 135, dodis.ch/33261.↩
- 16
- Zur Europäischen Sicherheitskonferenz vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 154, dodis.ch/32403.↩
- 17
- Vgl. dazu die Notiz von H. Langenbacher vom 15. August 1968, dodis.ch/34146.↩
- 18
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 104, dodis.ch/31614; Dok. 152, dodis.ch/30895 sowie DDS, Bd. 24, Dok. 169, dodis.ch/31454.↩
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Militärpolitik Schweden (Allgemein)