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Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 23, Dok. 126
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E1001#1970/24#35* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 1001(-)1970/24 35 | |
Dossiertitel | Januar - April 1966 (1966–1966) | |
Aktenzeichen Archiv | 1.4 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7001C#1978/58#481* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7001(C)1978/58 16 | |
Dossiertitel | Gründung einer Sowjetbank (1966–1966) | |
Aktenzeichen Archiv | 1611.02 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E4110B#1981/85#284* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 4110(B)1981/85 32 | |
Dossiertitel | Gutachten an Departementschef: Gründung einer Sowjetbank (1966–1966) | |
Aktenzeichen Archiv | M.132 • Zusatzkomponente: Justiz- und Polizeidepartement 1966 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern |
Alte Signatur | CH-BAR E 4320(C)1995/301 278 |
Dossiertitel | Sowjetrussische Handelsbank (1960–1967) |
Aktenzeichen Archiv | (1153:0) 954/198 |
dodis.ch/31034
Bericht zur Frage der Gründung einer Sowjetbank
I.
1. Mit Note vom 3. September 19652 teilte die sowjetrussische Botschaft in Bern dem Eidg. Politischen Departement mit, dass beabsichtigt sei, gemäss schweizerischem Recht in Zürich eine Bank als selbständige AG zu gründen.
Durch Überweisung einer Kopie des Antwortschreibens der Eidg. Fremdenpolizei an die Abteilung für politische Angelegenheiten des EPD vom 24. September 19653 und eine Mitteilung der Bundesanwaltschaft vom 1. Ok tober 19654 erhielt das Justiz- und Polizeidepartement Kenntnis von dieser Angelegenheit. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1965 an das EPD5 regte das Departement, unter Hinweis auf die den Interessen des Staatsschutzes abträglichen Aspekte, eine Gesamtprüfung des sowjetrussischen Projektes an.
2. Am 5. Januar 1966 fand eine konferenzielle Besprechung der Angelegenheit zwischen Vertretern des EPD, EFZD und EJPD statt6. Die Diskussion ergab als Schlussfolgerung, die Gesichtspunkte des EJPD seien in der Form eines Berichtes dem Bundesrat zu unterbreiten.II.
Vom Standpunkt des EJPD aus ergeben sich gegen die beabsichtigte Gründung einer Sowjetbank folgende schwerwiegende, vor allem fremdenpolizeiliche und staatspolitische Bedenken:
A. Allgemeines
1. Einer Argumentation, die sich auf Gründungen ähnlicher westlicher Institutionen bezieht, kann nur bedingt gefolgt werden, da – abgesehen davon, dass schweizerischerseits weder ein Bedürfnis noch der Wunsch besteht, in der Sowjetunion eine Bank zu gründen – inbezug auf die Möglichkeit der Reziprozität auch auf diesem Gebiet bei den kommunistischen Oststaaten die Voraussetzungen nicht gegeben sind und auch nicht geschaffen werden.
2. Von nicht geringer Bedeutung ist der innenpolitische Aspekt. Die Neuzulassung einer sowjetischen Bank würde wohl heute von einem Grossteil der Schweizerbevölkerung nicht verstanden und abgelehnt.
3. Angesichts der notwendigen Dämpfungsmassnahmen erscheint es nicht angezeigt, den Osthandel zu erleichtern und zu einer Intensivierung behörderlicherseits beizutragen.
B. Fremdenpolizeiliche Bedenken
1. Es erscheint als wenig sinnvoll, drastische Beschränkungsmassnahmen in der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte durchzusetzen und auf der anderen Seite ohne zwingenden Grund oder ohne dass sehr gewichtige wirtschaftliche Interessen namhaft gemacht werden können, eine Neugründung zu ermöglichen.
2. Angesichts der heutigen Überfremdungssituation7 ist die eidgenössische Fremdenpolizei gezwungen, bei der Neuzulassung von Ausländern ganz allgemein äusserste Zurückhaltung zu üben. Ein positiver Entscheid kann im Einzelfalle nur in Erwägung gezogen werden, wenn gegenüber dem allgemeinen Ablehnungsgrund der Überfremdung gewichtige und bedeutende positive Mo mente geltend gemacht werden können, die überwiegen. Dass solche positive Elemente im Zusammenhang mit der Gründung der Sowjetbank in Zürich vorliegen, ist bis heute von keiner Seite nachgewiesen worden.
3. Auch vom Standpunkt der Rechtsgleichheit aus gesehen wäre es nicht vertretbar, für die schweizerische Wirtschaft wie auch die ausländisch beherrschten Firmen mit Sitz in der Schweiz Abbaumassnahmen zu dekretieren und gleichzeitig der sowjetischen Neugründung ausländische Arbeitskräfte zuzugestehen.
4. Fremdenpolizeilich und arbeitsmarktlich drängt sich somit die Ablehnung des sowjetischen Gesuches auf vor allem auch mit Rücksicht auf die Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 26. Februar 19658 über die Begrenzung und Herabsetzung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften. Die Zulassung der Sowjetbank hätte ein Gesuch um Zuerkennung sowohl eines bestimmten Gesamtpersonalbestandes wie auch eines gewissen Ausländerbestandes zur Folge. Eine solche Zuerkennung wäre nur auf Grund einer entsprechenden Ausnahmebewilligung des BIGA möglich. Die Voraussetzungen für die Erteilung der notwendigen Ausnahmebewilligung scheinen uns nach dem heutigen Wortlaut von Art. 6 des BRB vom 26. Februar 19659 wie auch des in Aussicht genommenen Revisionstextes10 nicht erfüllt.
In diesem Zusammenhang weisen wir noch darauf hin, dass die Plafonierungsvorschriften auch gegenüber anderen Gesuchstellern ausländischer Nationalität, die eine Sitzverlegung in die Schweiz beabsichtigen, konsequent angewandt werden.
C. Staatsschutz-Bedenken
Vor allem vom Standpunkt des Staatsschutzes aus muss das Projekt der Gründung einer von Sowjetrussland und mithin von der sowjetischen kommunistischen Partei beherrschten Bank in der Schweiz abgelehnt werden:
1. Mit der Bankgründung hätten die sowjetrussischen Kommunisten einen weiteren Stützpunkt in unserem Land – neben der Botschaft in Bern, neben der UNO-Delegation in Genf und neben den zwei ständigen Pressevertretern in Genf – um ihre subversive Tätigkeit in der Schweiz und im Westen aus zubauen. Dabei stehen folgende Aktionen im Vordergrund:
a) Bezahlung von Agenten:
Die Schweiz wird seit mehreren Jahren für die Finanzierung des sowjetischen Nachrichtendienstes im Westen missbraucht. Beste Voraussetzungen dafür bilden die harte Währung, die Devisenfreiheit, die Konvertierbarkeit in alle Währungen, das schweizerische Bankgeheimnis und die touristischen Möglichkeiten.
Alle diese Vorzüge bilden günstige Voraussetzungen für die Finanzierung der sog. illegalen Residenten, d. h. östlicher Ausländer, die Angehörige eines sowjetischen Nachrichtendienstes sind, im Westen aber mit gefälschten westlichen Ausweispapieren als westliche Staatsangehörige leben und ein Nachrichtennetz betreuen. Sie beteiligen sich zur Tarnung an irgendwelchen Handels- oder Produktionsbetrieben. Die Gelder zu solchen Beteiligungen und die Mittel zum Lebensunterhalt beziehen sie aus Bankkonten, welche sie bei einem kürzeren oder längeren Aufenthalt in der Schweiz als westlicher Tourist, Student usw. bei irgendeiner Bank eröffnet haben. Um die Sache zu tarnen, werden diese Konten von den Sowjetrussen über verschiedene Bankoder Postcheckeinzahlungen, teilweise über Strohmänner unter Missbrauch gutklingender industrieller Namen, gespiesen. Vom Konto aus gelangen die Gelder, teilweise auf Umwegen, die eine Nachforschung erschweren sollen, zum Wohnort des Residenten, wo sie wegen ihrer Herkunft aus der Schweiz kein Aufsehen erregen.
Solche Fälle sind nicht vereinzelt, weshalb die Bundesanwaltschaft – wie auch die westlichen Nachrichtendienste – überzeugt ist, dass sowjetische Agenten sowohl in Europa wie auch in den USA und im Orient zu einem grossen Teil über die Schweiz finanziert werden. Die Errichtung einer sowjetischen Bank würde diese illegale Finanzierung ausserordentlich erleichtern.
b) Es besteht auch der dringliche Verdacht, dass durch diese Sowjetbank Mittel für propagandistische Ziele und für die finanzielle Unterstützung der kommunistischen Parteien des Westens bereitgestellt würden.
2. Von Seiten der Staatsschutzorgane bestünden keine oder nur sehr spärliche Kontrollmöglichkeiten. Die Sowjetrussen könnten einerseits alle Vorteile des anonymen Bankverkehrs sowie des schweizerischen Bankgeheimnisses für sich beanspruchen und andererseits ungestraft laufend das Bankgeheimnis verletzen, da man die Bankorgane nicht daran hindern könnte, alle ihre Wahrnehmungen «pflichtgemäss» den zuständigen sowjetrussischen Stellen zu melden.
3. Mit allem Nachdruck muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Bundesanwaltschaft weder Personal noch Mittel besässe, um auch diesen neuen beabsichtigten Stützpunkt des internationalen Kommunismus in der Schweiz wirkungsvoll zu überwachen.
Es gilt hier den Anfängen zu wehren und zu verhindern, dass eine Situation entsteht wie bei der Vertretung Rotchinas11. Wäre deren Überdimensionierung rechtzeitig und mit Erfolg verhindert worden, hätten die Staatsschutzorgane heute nicht derart Mühe, deren unerlaubte Tätigkeit zu erfassen12. Wenn sich die Sowjetbank einmal in der Schweiz etabliert hat, wird es in einem späteren Zeitpunkt auch bei schlechtesten Erfahrungen kaum mehr möglich sein, etwas gegen sie zu unternehmen.
4. Schliesslich besteht die Gefahr, dass durch die Gründung einer Sowjetbank in der Schweiz mit der Zeit eine Zentralisation aller ähnlichen Bestrebungen der Oststaaten in die Wege geleitet wird. Die Schweiz böte hierzu ausgerechnet in einem Zeitpunkt Hand, wo sich in einzelnen Satellitenstaaten, wenigstens auf dem wirtschaftlichen Sektor, mit einem gewissen Erfolg Emanzipationsbestrebungen bemerkbar machen.
Aus den dargelegten Gründen sollte die Niederlassung einer Sowjetbank in Zürich verhindert werden. Hiezu scheint rechtlich keine Möglichkeit zu bestehen. An und für sich würde sich in Anbetracht des Gefährdungsmomentes eine auf Grund von Art. 102, Ziff. 10 BV getroffene Massnahmen rechtfertigen. Im gegenwärtigen Zeitpunkt kann indessen aus aussenpolitischen Überlegungen ein solches Vorgehen nicht in Frage kommen. Zum mindesten müssen gegenüber den Bankgründern fremdenpolizeiliche Gesichtspunkte angeführt und Gesuche um Arbeitsbewilligungen an Ausländer strikte abgelehnt werden. Wenn dann auch mit schweizerischen Strohmännern gearbeitet wird, können sich diese doch weniger einem allfälligen gesetzlichen Zugreifen entziehen, womit eventuell etwas mehr Gewähr geboten ist.
Aus diesem Grund stellen wir den Antrag, der Bundesrat möge beschliessen:
Vom Bericht des Justiz- und Polizeidepartements vom 26. Januar 1966 wird in zustimmendem Sinne Kenntnis genommen13.
- 2
- Note der Botschaft der Sowjetunion an das Politische Departement vom 3. September 1965, E 2001(E) 1978/84 Bd. 253 (C.41.731).↩
- 3
- Vgl. das Schreiben von E. Mäder an P. Micheli vom 24. September 1964, ibid.↩
- 4
- Vgl. das Schreiben von H. Fürst an L. von Moos vom 1. Oktober 1965, E 4320(C) 1995/301 Bd. 278 ((1153:0)954/198).↩
- 6
- Vgl. die Notiz von R. Beaujon vom. 7. Januar 1966, ibid.↩
- 7
- Vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 82. Sitzung vom 24. November 1964, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 6 f.↩
- 8
- Vgl. den Bundesratsbeschluss über die Begrenzung und Herabsetzung des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften, AS, 1965, S. 119–126. Zu diesem Bundesratbeschluss vgl. auch das BR-Verhandlungsprot. der 15. Sitzung vom 26. Februar 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3, S. 1–2.↩
- 9
- Bei ausgesprochenen Notständen und zur Aufrechterhaltung der wissenschaftlichen Forschung können ausnahmsweise Bewilligungen zur Erhöhung des Ausländerbestandes erteilt werden, vgl. AS, 1965, S. 121.↩
- 10
- Vgl. Doss. E 2807(-) 1974/12 Bd. 92 (17-01).↩
- 11
- Zum hohen Personalbestand der chinesischen Botschaft in Bern vgl. das Schreiben von P. Micheli an A. Zehnder vom 27. November 1964, dodis.ch/30961.↩
- 12
- Zur Aufklärung einer Spionageaffäre unter Beteiligung von diplomatischem Personal der chinesischen Botschaft durch die Bundespolizei vgl. die Notiz von A. Janner vom 21. März 1966, dodis.ch/30959.↩
- 13
- Der Bundesrat hat am 11. März 1966 vom Bericht Kenntnis genommen. Das Politische Departement wurde in Zustimmung zu seinem Mitbericht, vgl. dodis.ch/31035, ermächtigt, der Sowjetbotschaft in Bern auf ihre Note vom 3. September 1965 gemäss vorgelegtem Entwurf zu antworten. Vgl. BR-Prot. Nr. 513 vom 11. März 1966, E 1004.1(-) 1000/9 Bd. 707.1. Für die Debatte im Bundesrat vgl. das BR-Verhandlungsprot. der 14. Sitzung vom 1. März 1966, dodis.ch/32029, S. 1–5.↩
Verknüpfungen mit anderen Dokumenten
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