Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 65
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2804#1971/2#599* | |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 108 | |
Dossier title | EFTA-Ministertagungen (1961–1965) | |
File reference archive | 065.3 |
dodis.ch/30200 Der Chef des Integrationsbureaus, P. R. Jolles, an den Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen1
Herr Buraas, Leiter des Informationsbüros der EFTA in Washington, hat mich heute besucht und folgende interessante Kommentare zur amerikanischen Haltung betreffend die Neutralen3 gemacht:
Das Integrationsproblem wird von den Amerikanern rein emotionell behandelt. Nachdem die riesigen Aufwendungen für die Entwicklungshilfe ein sehr enttäuschendes Resultat ergeben haben, konzentriert sich nunmehr die amerikanische Regierung darauf, die europäische Integration als einen durchschlagenden Erfolg der amerikanischen Aussenpolitik darzustellen. Daher steht das politische Element im Vordergrund.
Die Einstellung George Balls ist absolut massgebend. Es gibt im Staatsdepartement keine abweichenden Meinungen. Die Opposition gegen die Assoziation der Neutralen ist grundsätzlicher Natur, während die Argumente, die zur Rechtfertigung dieser Haltung verwendet werden, je nach Umständen wechseln. Keines dieser Argumente ist stichhaltig. Neuerdings steht die These im Vordergrund, dass die Neutralität ansteckend werden könnte, und ein Entgegenkommen gegenüber den Neutralen vor allem die Bundesrepublik Deutschland in Versuchung bringen könnte, ihre NATO- und EWG-Bindungen zu lockern.
Im Übrigen sind die amerikanischen Thesen voller offener Widersprüche. Einerseits behauptet man, die Neutralen seien in Europa quantité négligeable; anderseits wird eine Diskriminierung der USA durch Assoziation der Neutralen mit der EWG als schwere wirtschaftliche Belastung dargestellt. Während die wirtschaftlichen Rückwirkungen der EWG auf die USA als sehr schwerwiegend eingeschätzt werden, glaubt man, die Neutralen – obschon sie unvergleichlich stärker mit der EWG wirtschaftlich verflochten sind – ohne ernsthafte wirtschaftliche Schädigung auf noch völlig unbekannte bilaterale Lösungen vertrösten zu können, etc., etc.
Buraas glaubt, dass eine positivere Haltung gegenüber den Neutralen mit der Zeit von zwei Seiten her erfolgen könnte: in erster Linie vom Verteidigungsministerium (McNamara), das die militärische Stärke der Neutralen zu schätzen wisse und im Gegensatz zu Ball im amerikanischen Kongress über grosses Ansehen verfüge (Ball hat wegen seiner herablassenden Art den Kongress stark verstimmt).
Zweitens sei auch nicht ausgeschlossen, dass Präsident Kennedy zu einer positiveren Haltung gelangen könnte. Sein Vertrauen in George Ball sei zwar absolut, aber er liebe es, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Jede Beeinflussung des Präsidenten seitens der amerikanischen Verwaltung sei durch George Ball versperrt. Dagegen leihe Kennedy gerne ausländischen Staatschefs sein Ohr. In diesem Zusammenhang sind somit die Besuche Bundeskanzler Gorbachs (7. Mai) und des norwegischen Premierministers4 (9. Mai) von besonderer Bedeutung.
- 1
- Notice: E 2804(-)1971/2/108. Kopien dieser Notiz gingen an H. Schaffner, P. Micheli, E. Stopper, O. Long und A. Weitnauer.↩
- 2
- Handschriftliche Anmerkung: Unterschrift Wa [Wahlen], zur Bestätigung der Kenntnisnahme.↩
- 3
- Vgl. auch DDS, Bd. 22, Dok. 63, dodis.ch/30198.↩
Relations to other documents
http://dodis.ch/30198 | see also | http://dodis.ch/30200 |
Tags
United States of America (USA) (Politics) European Union (EEC–EC–EU)