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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 21, doc. 79
volume linkZürich/Locarno/Genève 2007
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001E#1976/17#616* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(E)1976/17 95 | |
Titolo dossier | Norbu, Thubten, 1922, Bruder des Dalai Lama (1959–1961) | |
Riferimento archivio | B.41.21 |
dodis.ch/15293 Interne Notiz des Politischen Departements1
Besuch von Herrn Lai, chinesischer Botschaftsrat
Auf seinen Wunsch spricht Herr Lai mit einem Übersetzer2 vor.
Zur Einführung teilt er mit, dass er wegen der immer stärker werdenden antichinesischen Kampagne komme. Im besondern hebt er folgende Punkte hervor, die alle im Zusammenhang mit Tibet3 stehen: 1. Es findet in der Schweiz eine offenbar gestattete Geldsammlung statt zugunsten des Tibet-Hauses des Kinderdorfes Pestalozzi4. Dieses soll von
Tibetanern betreut werden, die gegen ihr Vaterland Hochverrat begangen haben. Solche Initiativen sind für die Beziehungen zweier Staaten offensichtlich schädlich.
2. Die NZZ vom 14. April d. J.5 spricht von der verständnisvollen Unterstützung des Politischen Departements für das Tibet-Haus. Er bittet um Aufklärung.
Die «Gazette de Lausanne» vom 5. und 6. Mai6 spricht, dass man bei der
Errichtung dieses Tibet-Hauses auch mit der Unterstützung des schweizerischen Botschafters in New Delhi7 rechne. Auch zu dieser Meldung wünscht
Herr Lai die Stellungnahme des EPD.
3. In der letzten Zeit sollen briefmarkenähnliche Zettel mit der Aufschrift «Tibet ruft Hilfe» verbreitet werden. Diese sollen auf Briefumschlägen von der Bundespost ausgetragen werden. Tibet ist und bleibt ein chinesisches Territorium. Das Volk führe jetzt ein glückliches Leben im Aufbau. Die Aktion «Tibet ruft Hilfe» sei eine antichinesische Aktion und werde sicherlich ihre
Wirkung auf die Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben.
4. Um eine eventuelle antichinesische Tätigkeit des Herrn Norbu, Bruder des Dalai Lama, zu verhindern, haben im letzten Herbst verantwortliche Beamte der Botschaft8 beim EPD und solche des Generalkonsulats9 in Genf bei den dortigen Behörden vorgesprochen. Man habe ihnen immer geantwortet,
Norbu werde nicht gestattet werden, Angriffe gegen die chinesische Regierung und das chinesische Volk zu unternehmen. Im Widerspruch dazu habe nun die
Schweiz Letzterem schon mehrmals die Einreisebewilligung erteilt und Norbu habe in der Schweiz antichinesische Aktionen unternommen. viele Häuser aller Rassen der Welt gebe und, dass deren Sinn rein humanitär und völkerannähernd sei. Die Angelegenheit werde auch nicht als politisch betrachtet, sodass unsere Abteilung mit der Sache ohnehin nichts zu tun habe.
Herr Lai ist mit dieser Antwort nicht zufrieden und behauptet erneut, die
Errichtung des Tibet-Hauses bedeute für sie eine gewollte politische Aktion gegen China. Er erwartet Aufschluss.
Zu Punkt 3 teile ich meinem Gesprächspartner mit, dass ich die betreffenden «Marken» noch nie gesehen hätte, dass es aber üblich sei, in der Schweiz solche
Aktionen durchzuführen und dass die Post m. E. dafür nicht verantwortlich sei. Letztere habe nur zu prüfen, ob die Briefumschläge richtig frankiert seien.
Immerhin verspreche ich ihm, auch diesen Punkt näher zu prüfen.
Was Herrn Norbu betrifft, teile ich Herrn Lai mit, dass wir diesem die
Einreise in die Schweiz nur bewilligen unter der Bedingung, dass er hier keine politische Tätigkeit ausübt10. Es sei mir bisher auch nicht zu Ohren gekommen, dass er sich nicht korrekt verhalten habe11. Ich ersuche Herrn Lai um nähere
Angaben. Dieser erklärt mir darauf, dass schon allein die Anwesenheit des
Herrn Norbu in der Schweiz für China ein Affront bedeute. Dazu komme noch, dass er sich hier aktiv mit der Errichtung des Tibet-Hauses im Pestalozzidorf befasse. Ich muss erwidern, dass es immer eine schöne Aufgabe der Schweiz gewesen ist, ausländische Flüchtlinge aufzunehmen und erwähne zum Beispiel Lenin.
Zu seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Pestalozzidorf wiederhole ich, dass diese nicht politisch ist.
Zum Abschluss erklärt Herr Lai nochmals, dass er demnächst eine befriedigendere Antwort des Politischen Departements in dieser Frage erwarte, denn er hoffe, dass die Beziehungen zwischen China und der Schweiz durch solche Sachen nicht getrübt werden. Ich verspreche ihm, ihn nochmals zu empfangen12.
- 1
- E 2001(E)1976/17/95. Paraphe: BU. Diese Notiz wurde von G. E. Bucher unterzeichnet und als Kopie an die Botschaft in Peking, an J. de Rham und an J.- A. Cuttat zur Kenntnisnahme weitergeleitet.↩
- 2
- Nicht identifiziert.↩
- 3
- Zur Frage Tibets und im besonderen der tibetischen Flüchtlinge vgl. Nrn. 106 und 123 in diesem Band und das Schreiben von J.-A. Cuttat an R. Kohli vom 24. März 1960, E 2300(-)1000/716/302 (dodis.ch/14425).↩
- 4
- Zur Frage der Aufnahme von tibetischen Kindern im Kinderdorf Pestalozzi vgl. E 2003(A) 1971/44/96.↩
- 5
- Vgl. den Zeitungsausschnitt der NZZ Tibetkinder in der Schweiz? Aktion für ein neues Haus im Pestalozzidorf vom 14. April 1960, ibid.↩
- 6
- Es handelt sich um den Beitrag Pour une maison tibétaine au Village suisse Pestalozzi vom 5. Mai 1960 und den Leserbrief 20 enfants au Village Pestalozzi vom 6. Mai 1960.↩
- 8
- Botschaftsrat Y. Lai intervenierte am 3. September 1959 gegen die Einreisebewilligung von Th. Norbu, vgl. die Notiz von O. Rossetti vom 3. September 1959, nicht abgedruckt. Am 7. September 1959 sprach der chinesische Botschafter Ch. Li in gleicher Sache bei R. Kohli vor, vgl. die Notizen von R. Kohli vom 7. und 8. September 1959, E 2808(-)1974/13/41.↩
- 10
- Vgl. die Notiz von R. Kohli vom 11. August 1959, E 2808(-)1974/13/41 und das Telegramm der Fremdenpolizei an die Schweizer Botschaft in Wien vom 11. August 1959, nicht abgedruckt.↩
- 11
- Th. Norbu erhielt vom Justizdepartement des Kantons Genf eine Redebewilligung, um am 14. September 1959 bei der Conférence permanente des Agences bénévoles travaillant pour les réfugiés einen Vortrag zum Thema der Probleme der tibetischen Flüchtlinge zu halten, vgl. die Notiz von C. Rossetti an R Kohli vom 14. September 1959, nicht abgedruckt.↩
- 12
- Im August 1960 spricht der chinesische Botschafter Ch. Li anlässlich der bevorstehenden Aufnahme von tibetischen Kindern im Kinderdorf Pestalozzi bei R. Kohli vor, vgl. die Notiz von R. Kohli vom 12. August 1960, E 2808(-)1974/13/47.Im Dezember 1960 wiederholt die Chinesische Regierung ihre Forderungen, vgl. die diplomatische Note der Volksrepublik China vom 21. Dezember 1960 und die Antwort des Politischen Departements vom 28. Januar 1961, E 2001(E)1978/84/1012.↩
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Cina (Politica)
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