dodis.ch/15251
Der schweizerische Geschäftsträger in Sofia,
W. Jäggi, an die
Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements
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Am 4. Mai sprach Herr Pierre Grandjean, stellvertretender Direktor der schweizerischen Bankgesellschaft, Zürich, auf der Gesandtschaft vor. Der
Genannte befindet sich auf einer Reise durch alle Oststaaten. Er hat bereits die DDR, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien besucht und wird nach einem 24 stündigen Aufenthalt in der bulgarischen Hauptstadt auch noch in Belgrad Besprechungen führen betreffend die Gewährung von Krediten an Oststaaten zur ausschliesslichen Beschaffung schweizerischer Ausfuhrprodukte.
In Sofia wurden von Herrn Grandjean die vor Jahresfrist in Zürich angeknüpften und seither mit dem bulgarischen Handelsrat in Bern, Marin Kralev, weitergeführten Verhandlungen besprochen. Wie ich dem Gespräch, das ich mit ihm führte, entnehmen konnte, scheint die schweizerische Bankgesellschaft bereit zu sein, der bulgarischen Nationalbank kurz, mittel und eventuell sogar langfristige Darlehen zu gewähren, die indessen ausschliesslich zum Kaufe schweizerischer Produkte Verwendung finden dürften.
Mein Gesprächspartner erwähnte in diesem Zusammenhang, dass die
Zugehörigkeit der Schweiz zum EFTA-Klub den Banken gewisse Sorgen bereite; denn sie befürchteten einen baldigen Rückgang des Warenaustausches zwischen der Schweiz und den OEEC Ländern. Es müsse deshalb rechtzeitig
Vorsorge getroffen werden, um diesen voraussichtlichen Marktausfall auf irgendeine Weise wettzumachen. Seines Erachtens gingen die Banken bei der
Kreditgewährung an Oststaaten weniger grosse Risiken ein als in bezug auf
Entwicklungsländer in Asien, Afrika und Südamerika, wo bereits schlechte Erfahrungen gemacht worden seien. Überdies würden anstelle der Schweiz andere
EFTA oder OEEC Länder nach den Oststaaten liefern, wenn sich die Banken nicht bereit finden könnten, Kredite zu gewähren. Leider werde aber noch jeder
Schweizerbürger, der sich mit Geschäften mit den Oststaaten befasse, in der
Heimat als «Kommunist» verdächtigt. Ich erklärte hierauf meinem Besucher, dass die schweizerischen Behörden und das Volk gegen einen Handelsverkehr mit Oststaaten, mit welchen der Bundesrat diplomatische Beziehungen unterhält, kaum Einwände erheben könnten. Dem wirtschaftlichen Fortschritt dieser
Staaten könne ohnehin heute durch Exportdrosselung westlicher Produkte kein
Einhalt mehr geboten werden. Die Verbesserung des Volkswohlstandes habe, wenigstens in Bulgarien, bisher eher zur Bourgeoisierung, jedenfalls nicht zur
Verschärfung des Kommunismus beigetragen. Meinerseits würde ich deshalb einen noch regeren Handelsverkehr zwischen der Schweiz und Bulgarien nur begrüssen. Immerhin seien die Auffassungen in bezug auf die Kreditgewährung in den Reihen meiner Kollegen geteilt. Insbesondere der österreichische
Geschäftsträger in Sofia3, ein guter Kenner kommunistischer Staaten, lehne eine solche als mit vielen Risiken verbunden ab.