Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 21, doc. 82
volume linkZürich/Locarno/Genève 2007
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1001#1000/6#529* | |
Old classification | CH-BAR E 1001(-)1000/6 529 | |
Dossier title | Anträge des Finanz- und Zolldepartementes Januar - Juni 1960 (1960–1960) | |
File reference archive | 1.6 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#639* |
Old classification | CH-BAR E 1004.1(-)1000/9 638.2 |
Dossier title | Beschlussprotokolle des Bundesrates Juni 1960 (2 Bände) (1960–1960) |
dodis.ch/14891
Betr. Forderungen des Bundes gegenüber FIAT/ITALNAVI
1. Im Zusammenhang mit der Liquidation den aus der Kriegszeit stammenden Forderungen des Bundes gegenüber Italien von rund 145 Mio. Franken wurde im Jahre 1948 ein Betrag von 4 Mrd Lire (22,5 Mio. SFr. zum Kurs von 100 Lire = 0,56 Fr.) den beiden Firmen FIAT AG, Turin, und Schiffahrtsgesellschaft ITALNAVI AG, Genua, zu Investitionszwecken zur Verfügung gestellt2.
In der am 22. November 1948 unterzeichneten Konvention zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und den genannten beiden Gesellschaften wurde die Rückzahlungspflicht auf 22,5 Mio. Schweizerfranken festgelegt3. Das
Darlehen ist weder zeitlich befristet, noch kündbar, noch verzinslich, noch sind minimale Amortisationszahlungen vorgesehen.
Hinsichtlich der Amortisation ist folgendes vereinbart worden: a) Die Schuld ist durch Abspaltung von 10–40% (40% ab 1. 1. 1952) auf
Frachtzahlungen für Transporte auf ITALNAVI-Schiffen von für die Schweiz bestimmter Waren zu tilgen. b) In einem separaten Briefwechsel vom 21. Oktober 19504 wurde ferner vorgesehen, dass im Einzelfall 20% auf Zahlungen an FIAT zur Amortisation herangezogen worden können, sofern es sich um Lieferungen dieser Firma an den Bund handelt.
In einem Briefwechsel vom 30. November 19555 wurde die erwähnte Amortisationsquote von 40 auf 60% erhöht. Ferner wurde die Regelung in dem Sinne ausgedehnt, dass auch Frachtzahlungen für Transporte nach Drittländern für die Amortisation unserer Forderung beigezogen werden können. Schliesslich erklärte sich FIAT bereit, die Erhöhung der Amortisationsquote von 20 auf
40% für Zahlungen aus FIAT-Lieferungen zu prüfen, sofern grössere Aufträge zur Diskussion stünden.
Endlich ist zu vermerken, dass sich die ITALNAVI verpflichtete, dem Bund und privaten Firmen jährlich mindestens 120’000 t Schiffsraum zur Verfügung zu stellen, vorzugsweise für Transporte aus Südamerika.
2. Beim Abschluss des Vertrages im Jahre 1948 wurde damit gerechnet, dass das Darlehen innerhalb von etwa 10 Jahren zurückbezahlt werde. Diese
Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Vom Darlehensbetrag von ursprünglich
22,5 Mio. Franken sind innert 12 Jahren lediglich 15,3 Mio. Franken zurückbezahlt worden. Davon entfallen 116’000 Franken auf Amortisationen im
Zusammenhang mit FIAT-Lieferungen und 15,2 Mio. Franken auf Amortisationen im Zusammenhang mit Charterungen von ITALNAVI-Schiffen. Heute sind noch 7,1 Mio. Franken ausstehend.
Der Problematik des im Vertrag vorgesehenen Rückzahlungsmodus war man sich bereits bei der Unterzeichnung bewusst. Man konnte im Jahre
1948 den Importbedarf für Getreide, vor allem aus Argentinien, welches die
Grundlage der Rückzahlung bilden sollte, nicht voraussehen. Tatsächlich ist die
Getreideeinfuhr aus diesem Lande von Anfang an weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, teilweise wegen schlechten Ernten und teilweise wegen handelspolitischen Schwierigkeiten und übersetzten Preisen. Auch musste erfahrungsgemäss mit starken Schwankungen der Seefrachten gerechnet werden. Auf Grund der Aktenlage war es aber offenbar nicht möglich, einen festen Amortisationsplan zu verwirklichen. Das Abkommen lässt sich deshalb nur aus der Situation der Nachkriegszeit herauserklären; eine Forderung gegenüber dem italienischen Staat hatte damals einen dubiosen Aspekt und eine
Umlegung auf private, gute Schuldner schien für den Bund wünschbar zu sein.
Zudem konnte mit der Transaktion Schiffsraum für schweizerische Importe sichergestellt und auf italienischer Seite die Charterung von ITALNAVI-Schiffen bzw. die Lieferung von FIAT-Produkten mit einer Arbeitsbeschaffung verbunden werden.
3. Die Aussichten einer rascheren Amortisation können für die nächste
Zukunft nicht zuversichtlich beurteilt werden; im Gegenteil – sie sind ausgesprochen ungünstig.
Ausschlaggebend ist dabei, dass die Eidg. Getreideverwaltung in Zukunft bedeutend weniger importieren wird als in der Vergangenheit. Sie kann nach dem neuen Getreidegesetz vom 20. März 19596 nur noch das für die Anlegung und Erneuerung ihrer Vorräte benötigte Brotgetreide einkaufen und einführen. Je nach dem Ausfall der inländischen Getreideernte dürfte es sich dabei jährlich um 50’000 bis höchstens 130’000 t Weizen handeln. Unsere Kontakte mit privaten Firmen, die wir zur Benützung des Frachtangebotes ITALNAVI und damit zur Mithilfe an der Amortisation eingeladen haben, zeigen, dass es nicht möglich sein wird, die Ausfälle der Getreideverwaltung auf diesem Wege zu kompensieren. Zudem ist bei solchen Einladungen durch die Bundesverwaltung grosse Zurückhaltung am Platz, da die Konkurrenz solche Kontakte sehr kritisch betrachtet.
Falls sich die Amortisation weiterhin auf der vertraglichen Grundlage abzuwickeln hätte, müsste bis zur endgültigen Tilgung der Schuld mit einer weitern und langen Amortisationsdauer gerechnet werden, wenigstens 10 oder mehr
Jahre, zinslos und ohne feste Rückzahlungsraten.
4. Bei dieser Sachlage hat sich das Finanz- und Zolldepartement mit den beiden Schuldner-Firmen in Verbindung gesetzt, mit dem Ziel, Mittel und
Wege einer rascheren Amortisation der Schuld zu finden. Wir waren uns dabei bewusst, dass unsere Rechtslage zur Durchsetzung unserer Begehren durchaus schwach ist.
Auf unseren Vorschlag, die Restschuld von 7,1 Mio. Franken in Abweichung von der Konvention in bar zu begleichen, reagierten unsere italienischen
Gesprächspartner zunächst negativ. Sie legten dar, dass eine solche Tilgungsart dem Geiste der Konvention widersprechen würde, indem die beiden Firmen auch heute noch Wert darauf legen, die Schuld durch Arbeitsleistungen zu tilgen. Schliesslich willigten sie aber ein, die Frage wohlwollend zu prüfen, unter der Bedingung allerdings, dass der Bund im Falle einer Barzahlung einen Diskont gewähren müsste, der unter Berücksichtigung der italienischen
Zinsverhältnisse auf 5% beziffert wurde.
Obwohl es eigenartig erscheint, für die Barzahlung einer zinslosen Schuld einen Diskont zu bezahlen, so kann im Hinblick auf die Vertragslage die Berechtigung eines Diskonts nicht abgesprochen werden. Zweifelsohne wäre die ITALNAVI bei sofortiger Rückzahlung gehalten, bei schweizerischen
Banken einen mittelfristigen Kredit aufzunehmen, um mit den auf diese
Weise erhaltenen Mitteln den Bund zu befriedigen. Dieser Bankenkredit müsste selbstverständlich verzinst werden, weshalb es verständlich ist, dass die ITALNAVI diese zusätzlichen Kosten nicht auch noch tragen will, wenn die Gesellschaft entgegenkommenderweise zu einer Barzahlung bereit ist.
Abgesehen von dieser Überlegung ist ein Diskont bei jeglicher Vorauszahlung ein an sich unbestrittenes Prinzip.
Wir sind deshalb der Auffassung, dass grundsätzlich auf das italienische
Begehren eingetreten werden sollte, um das Geschäft ein für alle Male zu liquidieren. Wie unter Ziffer 3 erwähnt, muss andernfalls damit gerechnet werden, dass sich die Amortisation noch jahrelang hinzieht, wodurch der Bund weitere substantielle Zinsverluste zu tragen hatte. Unsere Erfahrungen haben ergeben, dass private Firmen für die Charterung von ITALNAVI-Schiffen in der Regel nur interessiert werden können, wenn eine bestimmte Prämie zur
Verbilligung der Transporte vergütet wird. Wir bezahlten in den vergangenen
Jahren an solchen Prämien rund Fr. 155’000.– und hatten in diesem Ausmass zusätzliche Kosten.
In den Verhandlungen mit FIAT/ITALNAVI wäre zu erstreben, den Diskontsatz auf 3% bis maximal 4½% zu beschränken, was den schweizerischen
Zinsverhältnissen entsprechen würde. Auch müsste angestrebt werden, die
Diskontgewährung auf etwa 4–5 Jahre zu limitieren.
Sofern sich eine Barzahlung nicht verwirklichen lässt, wäre die Aufstellung eines kurzfristigen Amortisationsplanes ins Auge zu fassen.
5. Die nachstehenden Zahlen geben Aufschluss über die Grössenordnung eines allfällig zu gewährenden Diskonts bei Barzahlung:
[...]7
Wird die Schuld sofort bezahlt, so kann der Bund theoretisch das Geld für die Rückzahlung seiner Schulden verwenden, wodurch für ihn ein Zinsersparnis resultieren würde. Unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 3%, welcher ungefähr dem durschnittlichen Selbstkostenzinsfuss der Bundesschulden entspricht, würde die Nettobelastung des zu gewährenden Diskonts demnach betragen:
[...]8
6. Bevor wir die Gespräche mit unseren italienischen Partnern wieder aufnehmen, erachten wir es als notwendig abzuklären, ob der Bund in nächster
Zeit in die Lage kommen könnte, der Firma FIAT Aufträge zuzuweisen. Gegebenenfalls könnten solche Lieferungen – wie unter Ziffer 1 dargelegt – zur
Tilgung der Bundesforderung herangezogen werden, was die Gewährung eines
Diskonts überflüssig machen würde. In Frage kämen in erster Linie Lieferungen für militärische Zwecke9 und für die Bedürfnisse der PTT (Kampfflugzeuge,
Jeeps, Personen- und Lastwagen). Im Falle der ITALNAVI sollte auch die
Möglichkeit des Transportes von Militärmaterial (z. B. Tanks, Munition aus
USA) geprüft werden.
Wir wären den interessierten Departemente für eine neuerliche Untersuchung der Angelegenheit verbunden und verweisen auf frühere Kontakte und
Korrespondenzen. Allfällige Angaben sind direkt der Eidg. Finanzverwaltung zur Verfügung zu stellen.
7. Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen: a) Das Finanz- und Zolldepartement wird ermächtigt, die Verhandlungen mit den Firmen FIAT und ITALNAVI weiterzuführen und die Restforderung des Bundes von 7,1 Mio. Franken in Form einer Barzahlung mit Gewährung eines Diskonts einzukassieren oder eventuell mit den Schuldnerfirmen einen kurzfristigen Amortisationsplan zu vereinbaren. b) Die interessierten Departemente, insbesondere das Militärdepartement und das Post- und Eisenbahndepartement werden eingeladen, der
Eidg. Finanzverwaltung bis Ende Juni 1960 im Sinne von Ziffer 6 hievor
über voraussichtliche Bestellungen oder Transportmöglichkeiten Bericht zu erstatten10.
- 1
- Antrag: E 1001(-)1000/6/529.↩
- 2
- Vgl. DDS, Bd. 17, Dok. 70, dodis.ch/4260, sowie das Procès-verbal sommaire de la 1 ère Conférence interdépartementale relative aux créances de la Confédération envers l’Italie. Samedi, le 5 juin 1948, à 10.00 heures, à la salle des conférences du Département fédéral des Postes et des Chemins de fer vom 22. Juni 1948, E 2001(E)-/1/361 (dodis.ch/6302) und das BR-Prot. Nr. 2191 vom 24. September 1948, E 1004.1(-)1000/9/497 (dodis.ch/6301).↩
- 3
- Vgl. E 6100(B)1972/96/16.Siehe auch DDS, Bd. 18, Dok. 123, dodis.ch/8821(dodis.ch/8821).↩
- 5
- Vgl. das Schreiben der Gesellschaften Fiat und Italnavi an die Eidgenössische Finanzverwaltung vom 30. November 1955, E 6100(B)1972/96/16.↩
- 6
- Vgl. BBl, 1959, Bd. 1, S. 526–547.↩
- 7
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/14891. Pour le tableau, cf. dodis.ch/14891. For the table, cf. dodis.ch/14891. Per la tabella, cf. dodis.ch/14891.↩
- 8
- Für die Tabelle vgl. dodis.ch/14891. Pour le tableau, cf. dodis.ch/14891. For the table, cf. dodis.ch/14891. Per la tabella, cf. dodis.ch/14891.↩
- 9
- Vgl. das Schreiben von P. Chaudet an H. Streuli vom 28. Januar 1959, E 5001(G)1970/ 5/87.↩
- 10
- Zur Annahme des Antrages vgl. BR-Prot. Nr. 1063 vom 20. Juni 1960, E 1004.1(-)1000/ 9/638.2.↩
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