dodis.ch/12563
Das politische Departement
1 an die schweizerische Gesandtschaft in
Köln2
BETRIFFT: VERSORGUNGSLEISTUNGEN AN SCHWEIZERISCHE ANGEHÖRIGE DER WEHRMACHT.
Wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 15. Oktober3, worin Sie uns über Äusserungen des Referenten «Schweiz» der Länderabteilung des Auswärtigen Amtes zum Problem der Gewährung von Renten gemäss § 8 BVG an ehemalige schweizerische Wehrmachtsangehörige orientierten.
Wie Ihr Gewährsmann zutreffend erklärte, hat sich die Gesandtschaft der Bundesrepublik in Bern in dieser Angelegenheit an das Departement gewandt. Herr Gesandtschaftsrat von Fischer überreichte uns am 17. Mai 1956 ein Aide-Mémoire (siehe Beilage 1)4, in dem die Frage aufgeworfen wird, ob der Bundesrat das generelle Einverständnis zu der von den deutschen Behörden in Aussicht genommenen Gewährung von Versorgungsleistungen geben könnte. Die Gesandtschaft stützte sich dabei auf den angeblichen Präzedenzfall, wonach es (nur) im Einvernehmen mit dem schweizerischen Bundesrat möglich gewesen sei, Heilbehandlung einschliesslich orthopädischer Versorgung an die schweizerischen Kriegsopfer in deutschen Diensten zu gewähren (Aide-Mémoire der deutschen Gesandtschaft vom 17. April 1953, siehe Beilage 2).
Tatsächlich war unsere Reaktion auf diese Anfragen die folgende:
Wir haben in beiden Fällen erklärt, der Bundesrat könne zu der Frage nicht Stellung nehmen. Das Aide-Mémoire vom 17. 4. 1953 wurde telephonisch, dasjenige vom 17. 5. 1956 schriftlich (siehe Beilage 3) in diesem Sinne beantwortet.
Anlässlich der Übergabe unseres Aide-Mémoire vom 18. 7. 1956 (Beilage 3) an den Vertreter der deutschen Gesandtschaft haben wir ergänzend darauf aufmerksam gemacht, dass wir nicht in der Lage seien, den deutschen Behörden in irgendeiner Weise, sei es durch unser stilles Einverständnis mit der geplanten Massnahme oder durch die Beschaffung von Unterlagen über schweizerische Wehrmachtsangehörige behilflich zu sein. Für Nationalsozialisten und Landesverräter könnten und wollten wir nichts tun! Es wurde auch unmissverständlich auf die sehr unerfreuliche Situation hingewiesen, die entstehen würde, wenn schweizerische Angehörige der Waffen-SS – denn um solche handelt es sich in erster Linie – Renten bezögen, während unsere Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vergeblich auf die Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts warten.
Wir haben also über unsere Einstellung zum deutschen Vorhaben keine Zweifel offen gelassen.
Es ist uns unverständlich, dass die zuständigen Behörden trotzdem nicht von ihren Plänen abgerückt sind. Wir begrüssen deshalb Ihre Mitteilung, die Länderabteilung des Auswärtigen Amtes wolle sich dafür einsetzen, dass die zur Diskussion stehenden Versorgungsfälle erst erledigt werden, wenn in der Frage der Wiedergutmachung ein Weg gefunden ist.
Auf diesen Aspekt des Problems werden wir zu Beginn des Jahres zurückkommen. Bis dahin wird auch der bereinigte Text der Botschaft betreffend die vorschussweise Entschädigung schweizerischer Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vorliegen5. Die parlamentarischen Kommissionen für die Behandlung des Beschlussentwurfes sind inzwischen bestellt worden6.
Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.
N. B.
Die von den deutschen Behörden genannte Zahl von ca. 800 schweizerischen Angehörigen der Waffen-SS ist nicht zu hoch gegriffen. Wenn wir in unserem Schreiben vom 2. 10. 1956 nur eine geringe Zahl von Versorgungsfällen genannt hatten, so bezog sich diese auf die uns bekannten und vom Departement auf Grund der geltenden Bestimmungen des BVG behandelten Fälle rückgebürgerter Witwen deutscher Soldaten.