Argumente Ritters zugunsten der Errichtung einer Gesandtschaft in Israel. Reziprozität muss berücksichtigt werden, da Israel bereits einen Gesandten für Bern ernannt hat.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 18, doc. 33
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1968/83#913* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1968/83 55 | |
Dossier title | Israel (1949–1951) | |
File reference archive | B.21.213 |
dodis.ch/8443 Der schweizerische Generalkonsul in Tel-Aviv, P. Ritter, an den Vorsteher des Politischen Departements, M. Petitpierre1
Mit Schreiben vom 23. November 1949 teilten Sie mir mit2, dass in der kommenden Märzsession den Kammern eine Botschaft unterbreitet werden soll, dahingehend, das hiesige Konsulat in eine Gesandtschaft zu erheben3.
Zurückgreifend auf mein Schreiben vom 14. November 19494 beehre ich mich zu Ihrer Kenntnis zu bringen, dass auf der Seite Israels die Verstimmung über die Verzögerung dieses Schrittes sehr spürbar weiterbesteht. Es ist deshalb meine Pflicht, Ihnen in diesem Zusammenhang folgendes zu melden und zu wiederholen:
1. Herr Staatspräsident Dr. Chaim Weizmann, eine der markantesten Persönlichkeiten der Gegenwart, ist, wie ich Ihnen dies bereits mehrmals schrieb, schon rein persönlich gekränkt und verletzt, dass die Schweiz mit der Errichtung einer Gesandtschaft solange zuwartete. Offiziell erwartet er, dass unser Land aus verschiedenen Gründen (Sonderstellung der Schweiz zum Zionismus und zur jüdischen Frage, das Abhalten der zionistischen Kongresse in Basel, der Wiege des wiedererstandenen Judenstaates etc.) einen Gesandten ernennt, um seinerseits an die längst in Aussicht genommene Akkreditierung des israelischen Generalkonsuls in Zürich Herrn Tolkowsky als Gesandten in Bern schreiten zu können.
2. Der greise Präsident legt besonderes Gewicht darauf, dass der erste diplomatische Vertreter der Schweiz in Israel sein Beglaubigungsschreiben ihm, der die Schweiz als seine zweite Heimat betrachtet, und nicht dem Aussenminister überreicht.
3. Obschon meine persönlichen Beziehungen zu den einzelnen Ministern und Beamten gut sind und meine Frau und ich uns der Sympathien der massgebenden Persönlichkeiten erfreuen, bekomme ich bei jeder Gelegenheit zu hören und zu fühlen, wie sehr das schweizerische Verhalten die Israelbehörden schmerzt und kränkt. Die leitenden Kreise sind in diesen Dingen hyperempfindlich. Die Elite setzt sich eben aus russischen Juden zusammen. Auf die orientalische und grosszügige Mentalität der alten Garde muss man unbedingt Rücksicht nehmen. Junge Staaten sind immer empfindlich. Die Juden sind es im Quadrat. Das diplomatische Korps hat sich hier nun konstituiert und einzig die Türkei unterhält in Tel-Aviv einen Geschäftsträger, der allerdings den Titel eines bevollmächtigten Gesandten hat, obschon sich in Ankara ein Israel-Gesandter befindet. Dieser Umstand fusst auf politischen Gründen, ist doch die Türkei der erste islamische Staat, der Israel bisher anerkannte. Obschon es sich hier um eine nur vorübergehende Massnahme handelt, ist der Empfangsstaat deswegen sichtbar verschnupft.
4. Israel ist nicht nur ein Staat von einer Million hier lebender Juden, sondern eine internationale Macht von mindestens 16 Millionen Juden, die über die ganze Welt verstreut leben und überall eine führende Rolle spielen. Deswegen kann man Israel nicht mit den arabischen Nachbarn vergleichen, die keinen geschichtlichen Tiefgang haben und auf sehr schwachen Füssen stehen.
5. Die hiesige Regierung und die Judenheit würden es als zum mindesten schmerzlich empfinden, wenn ihr Vertreter in Bern, der in Zürich seinen Umzug dorthin bereits vorbereitet, nicht zum Gesandten ernannt werden könnte und am Schwanze des diplomatischen Korps in der Hauptstadt der ältesten Demokratie der Welt marschieren müsste.
6. Mit einem Hinweis darauf, dass mit Rücksicht auf die arabischen Staaten oder aus finanziellen Erwägungen der Bundesrat keine Voll-Lösung des Gesandtschaftsproblemes in Tel-Aviv finden könne, wird man das hiesige «Faché» nicht nur nicht beheben können, sondern nur vertiefen. Die hiesige Vertretung kostet, so oder so gleichviel. Es wäre somit schade, wenn die Schweiz, deren Export nach Palästina in der Mandatszeit ca. 1 Million Franken im Jahr betrug und die ihre Ausfuhr nach Israel im Jahr 1949 bereits auf 9 Millionen Franken heraufschraubte5, im Hintertreffen verbleiben müsste, falls sie ihrem Vertreter bei den Juden einen Rang geben will, der ihn seinen Kollegen gegenüber in eine untergeordnete Position geraten lässt. Israel ist schliesslich nicht ein arabischer Staat, sondern der Sitz der Regierung eines internationalen Volkes, das nach einem Unterbruch von 2000 Jahren wieder in das Konzert der Mächte tritt und darin über kurz eine wichtige Rolle spielen wird. Der Fall Israels ist einmalig in der Weltgeschichte. Schon heute sitzen in vielen internationalen Kommissionen Vertreter Israels oder Juden, die aus Rancune der Schweiz eines Tages einen Streich spielen können. Vorsehen heisst hier vorbauen. Es ist deshalb wichtig, dass der Chef der ersten diplomatischen Mission bei den Juden, eben wegen der Internationalität, die Israel anhaftet, keine geringere Stellung hat wie seine Kollegen.
Indem ich Sie bitte, mich für alle Fälle jetzt schon verständigen zu wollen, an welchem Datum ungefähr die Erhebung des Konsulates in eine Gesandtschaft wird vollzogen werden können, benutze ich auch diesen Anlass gerne, um Sie, Herr Bundespräsident, meiner ausgezeichnetsten Hochachtung und vollen Ergebenheit zu versichern.
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