Darin: Pressemitteilung des EDA vom 4.12.1992 (Beilage).
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2010A#2001/161#1310* | |
Dossier title | Palestinensische-Befreiungsorganisation (OLP), Band 1 (1991–1992) | |
File reference archive | A.45.22 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2210.5#1998/8#221* | |
Dossier title | Moyen Orient (1989–1992) | |
File reference archive | 370.2 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2200.36#2001/71#387* | |
Dossier title | Palästina PLO (Teil 2) (1989–1992) | |
File reference archive | 370.1 • Additional component: Vereinigte Staaten von Amerika |
dodis.ch/62129Sprachregelung der Politischen Abteilung II des EDA1
PLO: Offizieller Gesprächspartner des EDA. Mögliche Fragen und Antworten2
1. Frage: Bedeutet die Bezeichnung eines offiziellen Gesprächspartners eine (implizite) Anerkennung der PLO bzw. des «Staates Palästina» oder einen Schritt in diese Richtung?
Antwort: Nein. Wie Sie wissen, anerkennt die Schweiz nur Staaten, (welche die völkerrechtlichen Kriterien Staatsgebiet, Staatsvolk und effektive Kontrolle durch die Regierung erfüllen), nicht aber Regierungen oder Befreiungsbewegungen. An dieser Politik hat sich nichts geändert. Ein Dialog mit der PLO, welche für die Friedenssuche im Nahen Osten einen wichtigen Faktor darstellt, erlaubt aber, von dieser Informationen aus erster Hand zu erhalten und unseren Standpunkt darzustellen. Ein solcher Dialog wird deshalb seit längerem vom EDA gepflegt.3 Die Bezeichnung eines offiziellen Gesprächspartners (Kanal) soll einzig diesen Dialog erleichtern und intensivieren helfen.
2. Frage: Besteht ein Zusammenhang mit der schweizerischen Teilnahme an den multilateralen Verhandlungen im jetzigen Friedensprozess?4
Antwort: Wie Sie wissen, ist die PLO nicht offizieller Teilnehmer an diesen Gesprächen. Ein indirekter Zusammenhang besteht insofern, als die Schweiz im Rahmen ihrer traditionellen Disponibilität bereit ist, wo erwünscht, einen Beitrag zur Lösung des Nahostkonfliktes zu leisten. Ein Dialog mit allen Akteuren in der Region, wie ihn das EDA seit langem pflegt, ist ein Element dieser Politik.
3. Frage: Warum zu diesem Zeitpunkt?
Antwort: Wie erwähnt, pflegt das EDA mit der PLO seit rund 20 Jahren auf verschiedenen Ebenen einen direkten Dialog. Die Bezeichnung eines offiziellen Gesprächspartners bzw. eines offiziellen Kanals soll einzig diesen Dialog erleichtern helfen.
Der gegenwärtige Zeitpunkt scheint uns gelegen angesichts der neuen Dynamik, welche die Friedenssuche im Nahen Osten seit einem Jahr angenommen hat.5
4. Frage: Ändert sich der Status des PLO-Büros in Genf?
Antwort: Keineswegs. Das «Bureau de l’Observateur permanent de la Palestine» behält den gegenwärtigen Status. Es sei daran erinnert, dass dieses Büro seit 1975 auf Anfrage des GS der UNO und Beschluss des BR über ausschliesslich «funktionelle» Privilegien verfügt.6
5. Frage: Warum kein Verbindungsbüro in Bern?
Antwort: Die gefundene Lösung (Genf) wird von beiden Seiten als zufriedenstellend erachtet.
6. Frage: Stand die Frage der Eröffnung eines PLO-Büros in Bern je zur Diskussion?
Antwort: Die PLO hat den Wunsch einer Intensivierung des Dialogs an uns herangetragen.7 In gegenseitigem Einvernehmen wurde definitiv die vorliegende Lösung gewählt.
7. Frage: Geht der neueste Schritt auf eine Initiative der PLO oder der Schweiz zurück?
Antwort: Es handelt sich um einen Vorschlag der PLO, welcher unsererseits aufgenommen wurde.
8. Frage: Warum ist Herr Ramlawi offizieller Gesprächspartner des EDA und nicht der schweizerischen Regierung?
Antwort: Der funktionelle Dialog mit der PLO wurde immer vom EDA und nicht von der Schweizer Regierung als solcher geführt. Es handelt sich ja nicht um formelle diplomatische Beziehungen.
9. Frage: Unterstützen Sie den Alleinvertretungsanspruch der PLO?
Antwort: Nach beständiger Haltung der Schweiz muss eine Lösung des Nahostproblems zwei Elemente berücksichtigen: das Recht Israels auf Existenz und Sicherheit in international anerkannten Grenzen auf der einen Seite und das Recht des palästinensischen Volkes, seine Zukunft selbst zu bestimmen, auf der anderen Seite. Dabei bildet die PLO einen wichtigen aber nicht ausschliesslichen Faktor.
10. Frage: Hat die etwas offenere Haltung der Regierung Rabin der PLO gegenüber diesen Schritt erleichtert?
Antwort: Es wäre nicht korrekt zu behaupten, die gegenwärtige politische Lage und insbesondere der Regierungswechsel in Israel hätten unseren Entscheid nicht beeinflusst.8 Wir kennen die grundsätzliche Haltung Israels der PLO gegenüber und respektieren sie. Wir stellen aber gleichzeitig fest, dass die PLO im Friedensprozess eine wichtige – wenn auch indirekte – Rolle spielt.
11. Frage: (Thema möglichst vermeiden): Ist die PLO nicht nach wie vor eine terroristische Organisation? Verlangt ihre Charta nicht nach wie vor die Zerstörung Israels?
Antwort: Wie erwähnt führt das EDA mit der PLO seit längerem einen Dialog, weil dies im wohlverstandenen Interesse der Schweiz liegt (Informationsbeschaffung, Darlegung des eigenen Standpunktes). Die PLO verfügt über einen Beobachterstatus in der UNO und einen weltweit hohen Anerkennungsgrad. Wir haben im übrigen mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass sich die PLO vom Terrorismus offiziell distanziert hat. Die PLO-Charta ist von Herrn Yasser Arafat als «caduque» bezeichnet worden.
12. Frage: (Thema möglichst vermeiden): Ist die PLO nicht eine vollkommen zersplitterte Organisation, die sich künftig radikalisieren könnte?
Antwort: Bei der PLO handelt es sich um eine Dachorganisation, in der die verschiedensten Tendenzen vertreten sind. Interne Meinungsverschiedenheiten innerhalb der PLO gibt es seit jeher. Immerhin hat eine deutliche Mehrheit der PLO die palästinensische Teilnahme an den Friedensgesprächen befürwortet. Ein Dialog des EDA mit der PLO leistet sicherlich nicht deren Radikalisierung Vorschub.
- 1
- CH-BAR#E2010A#2001/161#1310* (A.45.22). Diese Notiz wurde von Martin Aeschbacher verfasst, der in der Politischen Abteilung II des EDA für den Nahen und Mittleren Osten, Asien und Ozeanien zuständig war. Sie wurde am 2. Dezember 1992 zusammen mit einer Pressemitteilung vom Abteilungschef, Botschafter Pierre-Yves Simonin, an den EDA-Generalsekretär, Rudolf Schaller, versendet. Kopien der Sprachregelung gingen an den Vorsteher des EDA, Bundesrat René Felber, den Direktor der Politischen Direktion des EDA, Staatssekretär Jakob Kellenberger, den stv. Abteilungschef der Politischen Abteilung II, Denis Feldmeyer, sowie an Botschafter Simonin und Martin Aeschbacher selbst.↩
- 2
- Vgl. auch DDS 1992, Dok. 49, dodis.ch/62755.↩
- 3
- So gab es seit 1971 verschiedene Kontakte zwischen Vertretern des EDA und der PLO, vgl. DDS 1992, Dok. 49, dodis.ch/62755. Für eine Übersicht der Kontakte zwischen 1971 und 1989 vgl. dodis.ch/56203, S. 3–4.↩
- 4
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C2274.↩
- 5
- Vom 30. Oktober bis 1. November 1991 fand die Friedenskonferenz von Madrid statt, welche bilaterale und multilaterale Verhandlungen einläutete, vgl. dodis.ch/59860 sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C2274.↩
- 6
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 1126 vom 25. Juni 1975, dodis.ch/39528, sowie die thematische Zusammenstellung Vertretung der PLO in der Schweiz, dodis.ch/T1393.↩
- 7
- Vgl. dodis.ch/62822.↩
- 8
- Zur Haltung der neu gewählten israelischen Regierung unter Jitzchak Rabin zum Friedensprozess im Nahen Osten vgl. dodis.ch/63773.↩
Tags
Representation of the PLO in Switzerland (1975–)
Near and Middle East Palestine (General)