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Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 27, Dok. 81
volume linkZürich/Locarno/Genève 2022
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E-01#1988/16#600* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)-01/1988/16 126 | |
Dossiertitel | Palästina-Büro in Genf (1976–1978) | |
Aktenzeichen Archiv | B.25.60.12 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2003A#1990/3#1469* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2003(A)1990/3 650 | |
Dossiertitel | Organisation de libération de la Palestine (1973–1978) | |
Aktenzeichen Archiv | o.713.27.7 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E-01#1988/16#424* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)-01/1988/16 86 | |
Dossiertitel | Palästinensische Befreiungsorganisationen (1976–1978) | |
Aktenzeichen Archiv | A.45.22.Uch |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2003A#1990/3#43* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2003(A)1990/3 13 | |
Dossiertitel | Bureau de l'Organisation de la libération de la Palestine OLP à Genève (1976–1978) | |
Aktenzeichen Archiv | o.107.3.012 |
dodis.ch/48807Notiz für den Generalsekretär des Politischen Departements, A. Weitnauer1
Verhältnis Schweiz–PLO
Die PLO geniesst einen gewissen legitim-legalen Status als Ansatzpunkt zu einer palästinensischen Regierung «in spe» durch die Anerkennung seitens der UN als legale Vertretung des palästinensischen Volkes.
Strukturell verfügt die PLO über 3 Organe:
- a) den National-Rat (gewissermassen das «Parlament»),
- b) den Zentralrat (eine Art «Extrakt» aus dem National-Rat, der die Kontinuität zwischen den eher seltenen Tagungen des National-Rates sichern soll),
- c) den Exekutivrat (die eigentliche politische Führung oder «Regierung»).
Der National-Rat wählt den Zentralrat und den Exekutivrat. Die PLO-Führung ist also auf eine periodische Bestätigung seitens des «Parlamentes» angewiesen, was erklärt, warum die an sich gemässigte PLO sich immer wieder mit extremistischen Splittergruppen zu arrangieren sucht und sich nicht eindeutig von ihnen absetzen kann.
Sie ist, genau besehen, nach wie vor nicht eindeutig formuliert, weil offenbar im Schosse der PLO (bzw. in den Reihen der sie stützenden oder sie als politischen Hebel benutzenden arabischen Regierungen) keine einheitliche Zielsetzung vorliegt. Sie bewegt sich zwischen einem minimalen Ziel der Schaffung eines palästinensischen Territoriums in Form eines jordanischen Protektorates, über einen unabhängigen palästinensischen Staat bis zur Maximalforderung, Israel müsse die Rückkehr aller geflüchteten bzw. vertriebenen Palästinenser, unter Gewährung voller politischer Rechte, zulassen (was gleichbedeutend wäre mit der Liquidierung des heutigen theokratisch-zionistischen Israels und der Schaffung eines israelischen Staates nach libanesischem Vorbild).
Die verschwommene Zielsetzung ist eines der Haupthindernisse für uns, das Verhältnis zur PLO weiter zu «institutionalisieren»; denn wir wüssten ja nicht genau, auf was wir uns dabei einliessen. Anderseits sind für uns die Rechte des palästinensischen Volkes auf eine gesicherte, ständige Heimstätte unbestritten. (Vgl. P. S.)
Es handelt sich, formell, um ein Verbindungsbüro zur UNO, das wir auf ausdrückliches Ersuchen der UN zugelassen haben2. Es besitzt seit 1976 ein eigenes Statut3 (weniger weitgehende Privilegien als eigentliche UN-Missionen, aber doch gewisse Vorrechte). Barakat drängt seit längerer Zeit auf zusätzliche Immunitäten4. – De facto ist Barakat auch «Verbindungsmann» der PLO zu Bern, und er hat verschiedentlich insinuiert, eine formelle Zulassung seines Büros auch für bilaterale Belange (wie in Paris oder Stockholm) wäre für die PLO erwünscht5.
Aus verschiedenen Indizien lässt sich ersehen, dass das Genfer PLO-Büro im europäischen Netz der PLO-Vertretungen eine wichtige Rolle spielt.
Barakat spricht deutsch, englisch und französisch. Er hat in der BRD studiert. Seine Frau6 stammt anscheinend aus einer Familie, die aus der DDR in die BRD geflüchtet ist.
Wir haben zu zweien Malen die Dienste der PLO beansprucht; beide Male während der Wirren im Libanon7:
- a) zwei von einer extremistischen PLO-Gruppe in Beirut wegen vermeintlicher Spionage «verhaftete» Schweizer konnten dank Vermittlung der PLO befreit werden8.
- b) Die PLO hat, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Gebäulichkeiten der schweizerischen diplomatischen Mission in Beirut, während der Einstellung ihrer dortigen Tätigkeit, bewacht9.
Anderseits ist nicht zu übersehen, dass die arabischen Staaten das Verhältnis der westeuropäischen Staaten zur PLO mehr und mehr zum Prüfstein für die «Echtheit der Gefühle» gegenüber der arabischen Sache machen. Ein Treffen Graber/Kaddumi z. B. in Genf könnte unsere differenzierte Haltung bei Abstimmungen über Israel, Zionismus etc. in internationalen Organisationen11 in arabischen Augen objektivieren. Gegenüber der schweizerischen Öffentlichkeit könnte ein Treffen dahingehend erklärt werden, dass wir die Thesen der PLO, im Hinblick auf die Genfer Konferenz12, aus 1. Hand zu erfahren wünschten.
- 1) Rede vor SP Neuenburg in Les Brenets (15.11.75): «Le meilleur moyen de redresser les torts historiques infligés aux Palestiniens n'est pas de chercher à infliger de nouvelles anxiétés aux Juifs d'Israël, mais de trouver un foyer séparé et viable pour les Palestiniens.»13
- 2) Rede am 40. jüdischen Weltkongress, Genf (17.11.76): «Es scheint mir, dass es heute einige Prinzipien gibt, die fast von allen Seiten akzeptiert werden: Es besteht Übereinstimmung über das Recht auf Existenz und auf Sicherheit, innerhalb der von allen Staaten der Region anerkannten Grenzen, als Vorbedingung einer friedlichen und harmonischen Entwicklung und zur Minderung der Spannungen und des beklemmenden Angstgefühls. Ebenso wurde die Notwendigkeit ausreichender Garantien für die territoriale Unverletzlichkeit und die politische Unabhängigkeit eines jeden Staates erkannt. Auch hier gilt es, Vertrauen anstelle von düsteren Verdächtigungen zu setzen. Schliesslich die Bildung eines nationalen palästinensischen Gemeinwesens, in einem noch von den interessierten Parteien zu bestimmenden Rahmen, wo die arabische Gemeinschaft Palästinas ihre politische und kulturelle Identität verwirklichen kann. Die Sicherheit kann nur durch den Respekt der Rechte aller erreicht werden.»14
- 1
- Notiz: CH-BAR#E2001E-01#1988/16#600* (B.25.60.12). Verfasst von H. Kaufmann und unterzeichnet von J. Iselin. Die Notiz wurde in Hinblick auf das Treffen von A. Weitnauer mit D. Barakat in Genf am 13. September 1977 verfasst. Vgl. dazu die Aufzeichnung des Politischen Departements vom 6. Oktober 1977, dodis.ch/48808.↩
- 2
- BR-Prot. Nr. 1126 vom 25. Juni 1975, dodis.ch/39528.↩
- 3
- Vgl. dazu Doss. CH-BAR#E2003A#1990/3#43* (o.107.3.012).↩
- 4
- Vgl. dazu die Notiz von J. Iselin an die Direktion für internationale Organisationen des Politischen Departements vom 18. Februar 1977, dodis.ch/48806.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 187, dodis.ch/38640 sowie die Notiz von H. Kaufmann vom 24. Februar 1976, dodis.ch/48801.↩
- 6
- M. Barakat-Schrabbeck.↩
- 7
- Zum Libanesischen Bürgerkrieg vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 15, dodis.ch/50290.↩
- 8
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 187, dodis.ch/38640, bes. Anm. 5.↩
- 9
- Vgl. dazu die Note der ständigen Mission der Schweiz bei den internationalen Organisationen in Genf an das Büro des ständigen Beobachters der Palästinensischen Befreiungsorganisation in Genf vom 3. November 1976, dodis.ch/48805.↩
- 10
- P. Graber. Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 190, dodis.ch/48373, Punkt 4 sowie die Notiz von H. Kaufmann an J. Iselin vom 21. Mai 1976, dodis.ch/48802.↩
- 11
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 126, dodis.ch/38638 und Dok. 193, dodis.ch/37207; die Notiz von F. Muheim vom 6. August 1976, dodis.ch/48804 sowie die Notiz von P. Stauffer an F. de Ziegler vom 9. September 1976, dodis.ch/48395.↩
- 12
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 47, dodis.ch/39249, Punkt 3 sowie DDS, Bd. 27, Dok. 10, dodis.ch/49404.↩
- 13
- Referat von P. Graber vom 15. November 1975, dodis.ch/51702.↩
- 14
- Referat von P. Graber vom 17. November 1976, dodis.ch/51970.↩