Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 15, Dok. 385
volume linkBern 1992
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1553#2080* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(D)1000/1553 101 | |
Dossiertitel | Vertretung franz. Interessen durch die Schweiz in Deutschland (1942–1945) | |
Aktenzeichen Archiv | B.24.07 • Zusatzkomponente: Frankreich |
dodis.ch/47989
Bei dem Déjeuner, das der Reichsaussenminister gab, hatte ich Gelegenheit daraufhinzuweisen, dass die Reichsregierung sich noch nicht darüber geäussert habe, ob sie einer Schutzmachtvertretung für die französischen und deutschen Gefangenen zustimme2.
Der Aussenminister wies darauf hin, dass Deutschland gegen eine Betreuung der Gefangenen durch das Internationale Rote Kreuz, wie sie ja schon erfolge, keine Einwendungen zu erheben habe und diese Tätigkeit der Genfer Institution lebhaft begrüsse und fördere.
Auf meinen Hinweis, dass in Anbetracht des Umfanges der Aufgabe es auch für Deutschland vorteilhaft sei, wenn die schweizerische offizielle Vertretung sich mit diesen Aufgaben befasse, antwortete er, dass er diese Frage noch einmal prüfen wolle, immerhin dürfte die Anerkennungsfrage dadurch nicht präjudiziert werden.
Ich unterliess nicht, darauf hinzuweisen, dass die Ernennung von Prof. Burckhardt, des Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zum Gesandten in Paris3, jede Garantie für Deutschland biete, dass auch die Schutzmachtaufgabe in Frankreich im Sinne des Rotkreuzgedankens durchgeführt werde. Herr von Ribbentrop bemerkte, dass Prof. Burckhardt das volle Vertrauen der deutschen Reichsregierung habe und dass Deutschland nach wie vor Anhänger des Rotkreuzgedankens bleibe, der noch eines der wenigen Bande sei, die Deutschland mit dem Westen verbinde.
Der Aussenminister kam dann auf die Vollstreckung von Todesurteilen zu sprechen, die gegenüber Kollaborationisten in Frankreich erfolgten. Deutschland könne dies nicht hinnehmen und habe genügend gaullistische Persönlichkeiten als Geiseln, um entsprechende Gegenmassnahmen zu ergreifen. Es würde sich dabei nicht einmal um Gegenmassnahmen handeln, weil sich diese Gaullisten nachgewiesenermassen gegen deutsche Gesetze vergangen hätten. Aber Deutschland sei bereit, den Strafvollzug auszusetzen, wenn französischerseits das gleiche gegenüber den sogenannten Kollaborationisten geschehe. Mein Einwand, dass es sich bei den Kollaborationisten um Franzosen und nicht um Deutsche handle, wollte der Aussenminister nicht als Argument gegen die deutschen Massnahmen gelten lassen.
Vielleicht hat aber doch auch die französische Regierung in Anbetracht der offensichtlichen Gefährdung der französischen Geiseln in Deutschland ein Interesse, die Prozesse gegen die Kollaborationisten vorderhand ruhen zu lassen, oder doch wenigstens von einer Vollstreckung von Todesurteilen vorläufig Umgang zu nehmen. Nach einer siegreichen Beendigung des Krieges, die man ja in Frankreich mit Recht erwartet, ist die französische Regierung immer noch frei und ohne Gefährdung ihrer eigenen Staatsangehörigen in der Lage, dasjenige vorzukehren, was sie für nötig erachtet. Ganz abgesehen davon, dürfte aber auch eine Verschiebung des Strafvollzuges auf eine ruhigere Zeit dem Rechtsgedanken nur förderlich sein.
Wie ich vermute, hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sich bereits mit dieser Frage befasst und ich stelle anheim, mit Herrn Prof. Burckhardt zu prüfen, ob allenfalls die französische Regierung nicht darauf hingewiesen werden könnte, dass ein Stillehalten in den Kollaborationsprozessen im französischen Interesse läge.
- 1
- Lettre: E 2001 (D) 3/101.↩
- 2
- A ce sujet, H. Frölicher a adressé le télégramme suivant (expédié le 1er mars à 18 h. 00 et reçu à Berne le 2 mars à 15 h. 15): Nummer 112. Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn veranstaltete gestern Aussenminister Mittagessen für Missionschefs. Die Einladung, an der auch die In- und Auslandspresse teilnahm, verfolgte Zweck, die Weltöffentlichkeit auf bolschewistische Gefahr aufmerksam zu machen, die nach Ansicht Reichsregierung einzig Deutschland zu bannen vermöge. Hatte Gelegenheit mit Aussenminister mich zu unterhalten, der deutsche Zustimmung bestätigte, dass Rotes Kreuz bei Gegenseitigkeit franz. Kriegsgefangene betreuen kann. Versprach auch zu prüfen, ob nicht unter gleicher Voraussetzung Gesandtschaft eingeschaltet werden könne, unter Offenlassung Anerkennungsfrage. Er legte Gewicht darauf, dass keine weiteren Collaborationisten exekutiert würden, ansonst zu Gegenmassnahmen an de Gaulle Geiseln gezwungen. Bericht folgt. C. Stucki a annoté le bas du document: Ich habe heute den französ. Geschäftsträger vom Inhalt dieses Tg. mündlich Kenntnis gegeben. 5.3.45.↩
- 3
- Cf. PVCF es 20, 23 et 27 février 1945, E 1004.1 1 /454.Cf. aussi PVCF ° 899 du 24 avril 1945, E 1004.1 1/456.↩
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Frankreich (Wirtschaft)
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