Classement thématique série 1848–1945:
III. RELATIONS ÉCONOMIQUES INTERNATIONALES
III.2. LES ALLIÉS
III.2.3. NÉGOCIATIONS ÉCONOMIQUES AVEC LES ALLIÉS À BERNE EN FÉVRIER ET MARS 1945
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 377
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1553#6789* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1553 348 | |
Dossier title | Akten über andere Verhandlungsgegenstände als Transit durch die Schweiz (1944–1945) | |
File reference archive | B.51.14.20.10.6 |
dodis.ch/47981
1. Allgemeines
Ich glaube feststellen zu dürfen, dass sich die bisherige Führung der Verhandlungen bewährt und zu einem relativ günstigen Resultat geführt hat: Auf Seiten der Alliierten eine wesentliche Entspannung, die sich nicht nur im Verhalten der Delegierten, sondern auch dadurch bemerkbar macht, dass die Angriffe gegen die Schweiz in Presse und Radio sozusagen vollkommen verschwunden sind. Gegenüber Deutschland ist das bewusst gesteckte Ziel erreicht worden: Es kommt zu keinem neuen Wirtschaftsabkommen mehr - das für die andere Seite untragbar gewesen wäre -, ohne dass es zu dem nötigenfalls in Kauf genommenen Bruch der diplomatischen Beziehungen gekommen wäre. Im Gegenteil hat die deutsche Delegation, trotz einigen begreiflichen, bitteren Bemerkungen, den dringenden Wunsch nach Abschluss eines « modus vivendi» geäussert und ihre angekündigte Abreise vorderhand verschoben. Mein heutiges Gespräch mit dem Chef der deutschen Delegation verlief nicht nur korrekt, sondern durchaus freundschaftlich. Herr Schnurre hat mir gesagt, dass er und seine Mitarbeiter das Verbot des Konzertes Furtwängler in Zürich2 ungleich schwerer und kränkender empfunden hätten als die Sperre der deutschen Guthaben und als unsere Forderungen betreffend Nachlieferung von Kohle. Natürlich seien ihnen diese Massnahmen und Begehren sehr unangenehm, aber sie hätten durchaus Verständnis für unsere Lage.
2. Deutschland
Aus den Verhandlungen unserer Delegation und aus den heutigen Mitteilungen von Herrn Minister Schnurre ergibt sich:
a) Deutschland wäre unter keinen Umständen in der Lage gewesen, uns monatlich insgesamt mehr als 30-40000 Tonnen Kohle zu liefern.
b) Von besonderer Wichtigkeit ist für Deutschland die Entscheidung des Bundesrates in der Frage des Transites (ohne Kohle). Es lehnt die Argumentation Italiens3 und der Alliierten ab und beruft sich neben dem Gotthardvertrag auch auf einen Notenwechsel von 19394, auf die Abmachungen der Konferenz von Barcelona und auf das Haager Abkommen (es fehlt mir die Zeit, diese Dokumente zu studieren). Herr Schnurre möchte so rasch als irgend wie möglich Bescheid über die Stellungnahme des Bundesrates. Ich habe ihm erklärt, dass es vorderhand beim jetzigen Zustand bleibe, d.h. Sperre des Kohlentransites5, im übrigen aber Weiterführung des Transites im bisherigen Rahmen.
c) Herr Schnurre ersucht um umgehenden Bericht, was die Schweiz mit den 7856 Tonnen Kohle, die seit anfangs Februar in Basel zurückgehalten sind, und die für Italien bestimmt waren, zu tun gedenkt. Er verlangt entweder Weiterspedition nach Italien oder Rücklieferung nach Deutschland. Ich bin der Ansicht, dass die Rücklieferung kaum verweigert werden kann.
d) Deutschland möchte möglichst rasch eine Ordnung der laufenden Zahlungen aus blockierten Guthaben.
e) Mit den von der Schweiz in Aussicht genommenen vereinzelten Kompensationsgeschäften ist Deutschland grundsätzlich einverstanden, wobei aber noch verschiedene Fragen abzuklären seien6.
3. Alliiertea) Finanzfragen
Der Sperrebeschluss betreffend Deutschland ist sehr gut aufgenommen worden7. Die Alliierten haben eine Reihe technischer Aufschlüsse verlangt, über die zurzeit noch gesprochen wird. Meines Erachtens kann es bei der Instruktion bleiben, dass, abgesehen von allfälligen, technisch bedingten textlichen Änderungen des Beschlusses, die Schweiz nun weitere Konzessionen ablehnen muss, da sie nun vor allem ein Inventar über die deutschen Guthaben in der Schweiz aufzustellen habe. Abgesehen von den Gütern, bei denen der Nachweis, dass sie unrechtmässig erworben wurden, erbracht wird, behält sich die Schweiz vor, die festgestellten deutschen Guthaben gegen die schweizerischen Guthaben in Deutschland wenn möglich in irgend einer Form zu kompensieren. Irgendwelche Zusagen über die Sperre von Guthaben anderer Staaten und über die Inventarisierung solcher Guthaben sollen nicht gemacht werden. Die Frage der französischen Guthaben in der Schweiz ist separat zu betrachten und zu behandeln und mit der französischen Delegation zu besprechen. Diese hat bis jetzt keine präzisen Begehren gestellt. Sie dürfte aber kommen und sehr schwierige Fragen aufwerfen8.
Die Besprechungen über die Blockierung der schweizerischen Guthaben in den USA haben begonnen9. Die schweizerische Delegation hat grundsätzlich den amerikanischen Standpunkt betreffend der sogenannten «Regel 50» angenommen. Als Durchführungsorgan ist die schweizerische Verrechnungsstelle bestimmt. Begehren der Amerikaner, nicht nur den Schweizerbesitz auszuscheiden sondern auch denjenigen anderer Staaten, sind abzulehnen.b) Transit
Da Deutschland wiederholt die bestimmte Erklärung abgegeben hat, die Kohlenrückstände pro Januar von 41 000 Tonnen nicht liefern zu können, so kann den Alliierten erklärt werden, dass der Kohlentransit durch den Gotthard schweizerischerseits endgültig eingestellt sei10.
Was den übrigen Transit anbelangt, so liegen vor: die italienische Note und die Gutachten Schindler und Sauser-Hall11. Diese Rechtsfragen sind heute vom Chef des Politischen Departements mit den drei Delegationschefs besprochen worden. Deutschland anerkennt die Argumentation der italienischen Note nicht (vergleiche oben). Herr Schnurre hat beigefügt, dass, wenn der Transit vollständig unterbunden werden sollte, natürlich auch der Transit durch Deutschland nach und von Schweden und Dänemark unterbunden werde. Dieser Transit ist aber gegenwärtig ohnehin unterbrochen. In einer Delegationssitzung soll Schnurre eine Andeutung gemacht haben, dass Deutschland das Schiffahrtsabkommen, welches die schweizerischen Schiffe vor der Torpedierung durch deutsche U-Boote schützt, als hinfällig betrachten könnte. Mir gegenüber hat er hiervon nicht gesprochen. Der gegenwärtige Transit ist wirklich kaum noch mehr als symbolisch: Vom 1.-19. Februar haben transitiert in Richtung Nord-Süd 12700 Tonnen, wovon 6000 Tonnen Kohle, 2450 Tonnen Salz, 1000 Tonnen Eisen und Eisenerz und 2100 Tonnen Soda. In Richtung Süd-Nord wurden in der gleichen Zeit 4800 Tonnen spediert, wovon 2300 Tonnen Reis, 750 Tonnen andere Lebensmittel, 580 Tonnen Seidenwaren, 260 Tonnen Konfektion und 274 Tonnen Kies und Sand.c) Kompensationsgeschäfte mit Deutschland
Zur Wahrung unserer Neutralität sollten wir meines Erachtens daran festhalten, dass uns grundsätzlich einerseits die Liquidierung bestehender Verpflichtungen und anderseits der Abschluss einzelner Kompensationsgeschäfte nicht untersagt werde. In einer Besprechung mit Herrn Bundesrat Stämpfli schien Herr Currie hierfür Verständnis zu haben, während er seine Zusagen kurz nachher Prof. Rappard gegenüber zurückzog mit der Begründung, er hätte sie unter dem Einfluss eines guten Mittagessens gemacht! Dingle Foot war in der gestrigen Besprechung durchaus unnachgiebig. Die Frage ist vielmehr theoretisch und politisch als praktisch. Deutschland würdigt unsere Anstrengungen kaum, allein trotzdem sollten wir meines Erachtens festhalten. Selbstverständlich könnten wir den Alliierten bindende Erklärungen über die aus- und einzuführenden Kompensationswaren wenn nötig abgeben. Werkzeugmaschinen sind wenn möglich auszuschliessen. Eisen kann besonders behandelt werden, ohne Abtragung der Kohlenrückstände, bei ändern Waren ist eine solche von Deutschland zu verlangen. Unter allen Umständen sollte vermieden werden, dass mit Deutschland irgend etwas abgemacht wird, über das die Alliierten nicht vollkommen orientiert werden.d) Ausfuhr elektrischer Energie
Keine neue Situation. Dringend ist der Erlass des Bundesratsbeschlusses gestützt auf das Wasserrechtsgesetz.e) Transit durch Frankreich
Die Chefs der alliierten Delegationen haben ohne weiteres zugegeben, dass sie mit der Abgabe präziser Erklärungen und Zusagen noch sehr im Rückstände seien. Trotz grösster Anstrengungen hätten sie bisher die nötigen Informationen nicht bekommen können. Offensichtlich handle es sich um Meinungsverschiedenheiten zwischen der französischen Regierung und dem interalliierten Oberkommando.
In der technischen Unterkommission sind dagegen vom Vertreter der französischen Bahnen folgende Erklärungen abgegeben worden:
1. Täglich ein Zug bis 15. März, nachher 2 Züge in jeder Richtung.
2. Nach der Wiederherstellung der Brücke von Pyrimont bei Bellegarde könnten täglich 3 und mehr Züge verkehren.
S. Diese Züge könnten, entgegen der bisherigen Haltung, auch die schweizerischen Exportgüter befördern, ebenso die Post.
4. Die Benützung des Hafens von Marseille durch die Schweiz ist vollkommen ausgeschlossen. Es kann nur der Hafen von Toulon zur Verfügung gestellt werden. Die Bedingungen sind schlecht, immerhin sind in letzter Zeit täglich 8000 Tonnen abgefertigt worden.
5. Verbindung zwischen der Schweiz und Toulon: 1 Zug täglich.
6. Es ist den Alliierten unmöglich, Schiffsraum zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil ersuchen sie die Schweiz, von ihren Schiffen vorübergehend für französische Bedürfnisse abzutreten. Diese Tonnage beträgt 50000 Tonnen Schweizerschiffe und 70000 Tonnen gemietete griechische Schiffe. Die Schweiz kann dieser Forderung aus 2 Gründen nicht entsprechen: Einmal weil sie mehr als diesen Schiffsraum benötigt, um die versprochenen neuen Waren, insbesondere Rohstoffe, zu transportieren. Sodann weil die deutsche Garantie betreffend Nichttorpedierung selbstverständlich sofort hinfällig würde.
Verhandlungen über Flugzeugverkehr, Rheinschiffahrt und Verkehr mit Skandinavien gehen weiter.f) Schweizerische Einfuhrkontingente
Die alliierten Erklärungen über die Einräumung neuer Kontingente an die Schweiz sind, wie schon früher gesagt, ziemlich befriedigend. Unbefriedigend ist noch der Stand der Besprechungen über die schwarzen Listen.
- 1
- (Copie): E 2001 (D) 3/348.↩
- 2
- Le Conseil d’Etat du canton de Zurich avait interdit un concert dirigé par Wilhelm Fürtwangler et des manifestants lui reprochaient ses sympathies nazies. Malgré ces manifestations et de vives polémiques, deux concerts eurent lieu à Zurich et à Winterthur. Cf. E4001 (C) 1/291.↩
- 3
- Cf. No 364.↩
- 4
- Cf. DDS, vol. 13, doc. 11, dodis.ch/46768, doc. 89, dodis.ch/46846, doc. 110, dodis.ch/46867, doc. 121, dodis.ch/46878, doc. 131, dodis.ch/46888.↩
- 5
- Cf. No 362.↩
- 6
- Cf. le Schlussprotokoll du 28 février 1945 échangé entre Hotz et Schnurre (E 2001 (E) 2/576 et K 1.983).↩
- 7
- Sur les réactions des autorités allemandes à Berlin, cf. le télégramme de la Légation de Suisse du 23 février 1945, E 7110/1967/32/904.Deutschland/1945. Lors de la troisième séance de la «Commission financière» du 17 février, le blocage des avoirs allemands est discuté avec les Alliés (E 7110/1976/16/67).↩
- 8
- Cf. notamment l’entretien du 28 février 1945 de Nussbaumer avec Bloch-Lainé(E 2001 (E) 2/555).↩
- 9
- Cf. ci-dessus No 372. Cf. aussi le PV de la séance du 27 février 1945, E 2001 (E) 1/385.↩
- 10
- Cf. E 2001 (D) 3/348.Sur ces négociations, cf. aussi E 2800/1967/61/97, E 2801/1967/77/5, E 6100 (A) 21/1774, E 6100 (B) 1981/196/12, E 4001 (C) 3/1/18, E 2001 (E) 1967/113/429.↩
- 11
- Cf. ci-dessus No 364.↩
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