Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE HUMANITAIRE
IV.3. ATTITUDE DE LA SUISSE À l'ÉGARD DES JUIFS
Également: Rothmund regrette que sa proposition d’une démarche générale auprès des autorités allemandes contre les déportations de Juifs n’ait pas été suivie. Annexe de 20.11.1944
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 294
volume linkBern 1992
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E4800.1#1967/111#206* | |
Old classification | CH-BAR E 4800.1(-)1967/111 48 | |
Dossier title | Zum Flüchtlingsbericht Prof. Ludwig: Unterlagen zur Stellungnahme von Herrn BR von Steiger, verschiedene Dokumentationen (1938–1944) | |
File reference archive | 1.015 |
dodis.ch/47898
Le Ministre de Suisse à Berlin, H. Frölicher, au Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund1
Lieber Herr Rothmund,
Vielen Dank für Ihr persönliches Schreiben vom 3. November2, das mir erwünschte Aufschlüsse bezüglich der vom Departement erhaltenen Instruktionen gegeben hat.
Wie Sie wissen, bin ich bisher nur beauftragt worden, mich für die verbleibenden ungarischen Juden im Lager von Bergen-Belsen zu verwenden, und für den Transit von 8000 ungarischen Juden.
Beide Angelegenheiten habe ich beim Staatssekretär von Steengracht anhängig gemacht. Der Staatssekretär hat sich nicht ablehnend verhalten, sondern Prüfung und Antwort versprochen. Ob der Umschwung in Ungarn die Aussichten unserer Gesuche in Frage stellt, nachdem nun dort die Pfeilkreuzler am Ruder sind, kann ich nicht beurteilen. Entscheidend dürfte sein, ob der jetzt offenbar verstärkte Einfluss Himmlers einen günstigeren Kurs für die Juden erwarten lässt.
Bisher hat sich das Auswärtige Amt zu meinen Demarchen noch nicht geäussert. Wir wissen aber, dass beide Angelegenheiten in Behandlung sind und stehen mit den behandelnden Herren in Verbindung, um zu wissen, was geht und um unser Interesse zu unterstreichen. Ich hoffe also, bald eine Antwort der Reichsregierung zu bekommen.
Auch der portugiesische Gesandte ist dieser Tage beim Staatssekretär vorstellig geworden wegen der Ausreise von ungarischen Juden, die von der portugiesischen Vertretung in Budapest portugiesische Schutzpässe erhalten haben. Auch die schwedische Gesandtschaft in Budapest soll übrigens schwedische Schutzpässe verteilt haben. Der Staatssekretär hat sich zwar der Demarche meines portugiesischen Kollegen gegenüber ablehnend verhalten mit der Begründung, dass die Erteilung von Schutzpässen an Ausländer der portugiesischen Regierung kein Recht gebe, für diese Personen zu intervenieren. Aber der portugiesische Gesandte hat von seiner Regierung die Weisung «d’aller jusqu’au bout». Da die Ausreise dieser ungarischen Juden offenbar nur über die Schweiz erfolgen kann, sind wir auch an dieser Sache interessiert. Der portugiesische Gesandte konnte mir nicht sagen, um wieviel Personen es sich handle; ich werde mit ihm aber in Verbindung bleiben und Ihnen sofort berichten, falls etwas Positives aus diesen Bestrebungen herauskommt und wir mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass wir diese Opfer vorübergehend bei uns aufnehmen müssen. Vielleicht weiss die portugiesische Gesandtschaft in Bern etwas davon; jedenfalls sollte sie es wissen, wenn man uns den Transit zumutet.
Mit allgemeinen Demarchen wegen der Behandlung der Juden bin ich bisher nicht beauftragt worden. Sie sind auch nicht zu empfehlen, nicht nur, weil sie keinen Erfolg versprechen, sondern weil sie nur unsere begrenzteren Bemühungen in Frage stellen können. In der grundsätzlichen Frage ist das Auswärtige Amt machtlos, da es sich nicht um eine Sache des Wollens oder des Mutes handelt, sondern des politischen Kurses und des Einflusses. Es wäre auch zwecklos, einen Misserfolg Herrn Steengracht persönlich entgelten zu lassen und mutatis mutandis nach dem Grundsatz zu handeln «Haust du meinen Juden, hau ich deinen Juden». Das Entgegenkommen, das Sie Frau Steengracht zeigen, ist für unsere Beziehungen zum Auswärtigen Amt äusserst wertvoll und sichert uns dort in allen Fragen Unterstützung, wo wirklich etwas erreicht werden kann. Für die Wahrung der schweizerischen Interessen und die Stellung meiner Gesandtschaft wäre es geradezu abträglich, wenn man den Staatssekretär wegen dieses Entgegenkommens verärgern oder gar blossteilen würde. Ich kann Sie versichern, dass wir Ihr Entgegenkommen voll für die schweizerischen Interessen auswerten. Da wir es bei Steengracht um einen Gentleman zu tun haben, genügt ein stillschweigendes Gentleman agreement. Ein ausdrückliches «do ut des» oder gar die Anbringung von Drohungen würde alles in Brüche gehen lassen.
Indem ich hoffe, Ihnen bald einen günstigen Bescheid geben zu können bin ich mit freundschaftlichen Grüssen. [...]
P.S. In der Zwischenzeit habe ich auch das pro memoria von Saly Mayer erhalten. Man muss schon zwischen den Zeilen lesen um zu verstehen, was eigentlich zwischen Oberstleutnant Becher und den ändern Herren in St. Gallen gesprochen wurde. Offenbar ist es noch nicht klar, ob die 20 Millionen Fr. Waren für die Juden oder für die SS bestimmt sind und um was für Waren es sich handelt und ob überhaupt bei diesen Besprechungen etwas Positives herausgekommen ist. Das Politische Departement schreibt mir, gemäss memoria werde Becher sich mit mir in Verbindung setzen; aber darüber steht nichts in dem pro memoria und Becher hat sich auch nicht an mich gewandt. Das einzig Positive, das ich den Besprechungen entnehmen kann, ist, dass Himmler die Juden in Bergen-Belsen in die Schweiz lassen will, was nach unseren Informationen auch richtig zu sein scheint und ich hoffe daher, bald eine entsprechende Antwort zu bekommen.
Bezüglich der 8000 Juden mit palästinischen Pässen hat sich gezeigt, dass die Schutzmachtabteilung meiner Gesandtschaft auf Weisung der Abteilung Fremde Interessen sich schon seit langem mit dem Austausch von 2000 ungarischen Juden mit Palästinapässen befasst, ohne bisher die Sache ins reine bringen zu können. Von der Delegation des Internationalen Roten Kreuzes in Wannsee, die ja einen Delegierten (Dr. Schirmer) nach Budapest entsandt hatte, wissen wir, dass sie sich um 45 000 Juden dieser Kategorie bemüht. Im Auswärtigen Amt ist man bei dieser etwas konfusen Lage im unklaren, wie die Sache weiter zu behandeln ist und wir haben daher in Aussicht genommen, mit einem Vertreter der Schutzmacht und der Rotkreuzdelegation die Sache im Auswärtigen Amt gemeinsam zu besprechen. So hoffen wir, Ordnung in diesen Wirrwarr zu bringen.
Tags
Attitudes in relation to persecutions