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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 15, doc. 202
volume linkBern 1992
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E4800.1#1967/111#61* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 4800.1(-)1967/111 13 | |
Titre du dossier | Beziehungen zu anderen Staaten: Allgemeines (1939–1954) | |
Référence archives | 1.04.06 |
dodis.ch/47806
Compte-rendu1 d’un entretien entre le Chef de la Division de Police2 du Département de Justice et Police, H. Rothmund, et le Chef de la Mission en Suisse du Commissariat français aux Prisonniers, Déportés et Réfugiés, P. de Leusse3
1. Herr de Leusse hat vor etwa 14 Tagen schriftlich angefragt, ob und wie er seinen Landsleuten mitteilen könne, sie möchten sich ruhig verhalten in den Lagern und nicht unüberlegt jetzt schon nach Frankreich ausreisen. Das hat sich inzwischen geändert. Heute möchte Herr de Leusse im Gegenteil seinen Landsleuten durch Schreiben mitteilen, dass sie nach Frankreich ausreisen dürfen; er möchte ihnen aber sagen, dass sie die von der Schweiz verlangten Formalitäten erfüllen sollen. Welches Verfahren ist notwendig? Herr de Leusse beabsichtigt allerdings, vorläufig bloss den männlichen Franzosen von über 20 Jahren, die bereits eine militärische Ausbildung genossen haben, die Ausreise nahezulegen. An der Ausreise von Frauen und Kindern hat das Freie Frankreich zurzeit noch kein Interesse.
Herr Dr. Rothmund macht darauf aufmerksam, dass sich für uns die Frage etwas anders stellt: Der Flüchtling ist bei uns aufgenommen worden, weil und für solange, als er im Ausland gefährdet ist. Sobald die Gefahr vorüber ist, hat er wieder auszureisen. Wir müssen uns deshalb fragen, ob nicht wir von Amtes wegen den Flüchtlingen mitteilen sollen, sie könnten heute ausreisen und seien deshalb verpflichtet, zu gehen. Wir haben allerdings kein Interesse, die Sache zu überstürzen. Herr Dr. Rothmund zitiert das, was er über diesen Punkt den Lagerleitern unserer Flüchtlingslager kürzlich in seinem Referat4 gesagt hat: Die Flüchtlinge haben auszureisen, sobald sie gehen können. Wir dürfen sie nicht zurückhalten, wenn sie gehen können und wollen. Jeder einzelne Mann soll beim Lagerleiter ein Ausschaffungsgesuch stellen. Er hat die von ihm gefassten Effekten abzugeben, seine finanziellen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und die Zustellung seiner Ausweispapiere abzuwarten. Dann hat er eine Erklärung zu unterschreiben, dass er davon Kenntnis habe, dass er nach der Ausreise während der Dauer dieses Krieges nicht mehr als Flüchtling bei uns aufgenommen werde. Auf das hin wird er an die Grenze geführt werden.
Herr Dr. Rothmund ist bereit, zusammen mit den intern zuständigen Stellen zu prüfen, ob Herrn de Leusse gestattet werden kann, ein Rundschreiben an seine Landsleute zu richten. Ferner wäre zu prüfen, ob nicht zwei oder drei Grenzübergangsstellen nach Savoyen bezeichnet werden sollten, über die die Flüchtlinge auszureisen haben; dort kann ihnen dann auch von französischer Seite gesagt werden, wo sie sich hinzubegeben haben (was Herrn de Leusse wichtig scheint).
2. Herr de Leusse stellt dann die Frage, welche Tätigkeit die Aide Fraternelle5 ausüben solle, wenn einmal eine Vertretung von Algier besteht. Er betont in diesem Zusammenhang, auf eine Bemerkung von Herrn Dr. Rothmund über Herrn Blech, dass eben die französischen Flüchtlinge nicht bloss Geldunterstützung haben möchten, sondern in gewissem Sinne auch eine politische Vertretung. Herr de Leusse ist als Beauftragter für Flüchtlinge vorgesehen. Soll er künftig direkt mit uns verkehren, oder soll das durch Vermittlung der Aide Fraternelle geschehen. Herr Dr. Rothmund erklärt, die Aide Fraternelle werde s.E. auch künftig - neben einer Vertretung von Algier - eine wichtige fürsorgerische Tätigkeit für die französischen Flüchtlinge ausüben können. Z.B. mit polnischen Flüchtlingen befasst sich nicht bloss die Polnische Gesandtschaft; auch Flüchtlingsorganisationen befassen sich nützlich mit polnischen Flüchtlingen. Das selbe gilt für die Franzosen. Es wird eine Sache der direkten Auseinandersetzung zwischen der Vertretung von Algier und der Aide Fraternelle sein, wie die fürsorgerische Tätigkeit für die Flüchtlinge zwischen den beiden Institutionen abgegrenzt wird.
3. Herr de Leusse erklärt, er sei von Algier damit beauftragt, sich mit der Rückschaffung der französischen Arbeiter aus Deutschland zu befassen. Zurzeit befänden sich 4 Millionen Franzosen in Deutschland. Auf alliierter Seite bestehe die Absicht, diese Leute (alle ausländischen Arbeiter) vorläufig in Deutschland zu belassen und dann erst allmählich in die Heimat zurückzuschaffen. Es sei nun aber vorauszusehen, dass im Augenblick des Zusammenbruchs in Deutschland ein beträchtlicher Teil der Franzosen versuchen werden, auf eignen Faust nach Frankreich zurückzugelangen. Ein Teil von ihnen werde voraussichtlich versuchen, durch die Schweiz zu reisen. Herr de Leusse rechnet mit mehreren 100000 Personen. Er stellt die Frage, ob diese Leute über die Schweizergrenze kommen dürften, worauf dann unmittelbar diesseits der Schweizergrenze Sammellager errichtet werden müssten, zur Überprüfung der Identität und zur Organisierung des Weitertransportes. Wahrscheinlich werde aber die Schweiz diese Leute nicht hereinlassen können, sodass Lager auf deutschem Boden, nahe der Schweizergrenze, eingerichtet werden müssten. Zur Einrichtung und Ausrüstung dieser Lager wäre man auf schweizerische Hilfe (Ärzte, Lagerleiter, Krankenschwestern, Verpflegung, Medikamente usw.) angewiesen. Mit wem muss diese Sache besprochen werden?
Herr Dr. Rothmund erklärt mit allem Nachdruck, dass eine Aufnahme all dieser Flüchtlinge durch die Schweiz von vornherein ganz ausgeschlossen sei. Im Augenblick des Zusammenbruchs in Deutschland und in der unmittelbar folgenden Zeit werden wir die Grenze für Flüchtlinge bestimmt vollkommen schliessen müssen, um zu verhindern, dass zahlreiche unerwünschte Elemente in die Schweiz gelangen. Es kommt also nicht in Betracht, auf Schweizerboden Sammellager für französische Arbeiter einzurichten. Diese müssen auf deutschem Boden geschaffen werden. Herr de Leusse soll wegen der weitern Hilfe zur Errichtung solcher Lager mit dem Büro de Haller Fühlung nehmen. Herr de Leusse war übrigens bereits bei Herrn Walther, dem Stellvertreter des Herrn de Haller.
4. Herr de Leusse wird in nächster Zeit wohl öfters ins befreite Frankreich gehen müssen, zu Besprechungen mit den dortigen Behörden. Er stellt die Frage, ob ihm hierfür ein Rückreisevisum erteilt werde. Er besitzt zurzeit überhaupt keinen französischen Pass, glaubt aber, ohne weiteres einen solchen erhalten zu können.
Herr Dr. Rothmund bittet Herrn de Leusse, sich zuerst ein Ausweispapier zu beschaffen. Dann wird er sich an die kantonale Fremdenpolizei in Genf zu wenden haben wegen des Rückreisevisums. Wir werden unsererseits Genf verständigen, dass Herrn de Leusse von Fall zu Fall auf sein Gesuch hin das Rückreisevisum erteilt werden soll. (Ich habe noch am selben Tag mit Herrn Direktor Pittard in diesem Sinne gesprochen.)
5. Herr Dr. Rothmund stellt Herrn de Leusse die Frage, ob Franzosen, die gezwungenermassen für die Deutschen gearbeitet haben (z. B. Bäcker, Metzger usw., die den Deutschen Waren geliefert haben, Industrielle, die deutsche Aufträge entgegengenommen haben um zu verhindern, dass ihre Fabrik geschlossen und die Arbeiterschaft nach Deutschland geschickt wird) als Kollaborationisten betrachtet werden. Herr de Leusse verneint diese Frage.
6. Herr de Leusse teilt mit, dass demnächst vier Franzosen, die heute als Beamte der Vichy-Regierung tätig sind, in die Schweiz kommen sollten, als seine Mitarbeiter für die Organisation des Rücktransportes der französischen Kriegsgefangenen und Arbeiter aus Deutschland. Herr Dr. Rothmund erklärt ihm, die eidg. Fremdenpolizei werde die Frage der Erteilung von Einreisebewilligung an diese vier Personen prüfen. (Ich habe wegen dieser Sache mit Herrn Baechtold bereits Fühlung genommen.)
- 1
- Rédigé par R. Jezier. Sur P. de Leusse, cf. E 2001 (E) 1/46.↩
- 2
- Etaient présents lors de l’entretien: O. Schürch et R. Jezier, de la Division de Police du Département de Justice et Police.↩
- 3
- (Copie): E 4800 (A) 1967/111/61.↩
- 4
- Cf. E 4800 (A) 1967/111/73.↩
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Internés et prisonniers de guerre (1939–1946)