Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.1. ALLEMAGNE
2.1.1. RELATIONS ÉCONOMIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 294
volume linkBern 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7800#1000/1961#120* | |
Old classification | CH-BAR E 7800(-)1000/1961 16 | |
Dossier title | Vorschussaktion mit Deutschland (1940–1944) | |
File reference archive | 01.10.09 |
dodis.ch/47480
Le Directeur de la Division du Commerce du Département de l’Economie publique, J. Hotz, au Ministre de Suisse à Berlin, H. Frölicher1
Herr Legationsrat Zehnder, dessen erspriessliche Mitarbeit in den schweizerisch-deutschen Verhandlungen wir ausserordentlich geschätzt haben, wird Ihnen über den Verlauf dieser Verhandlungen im einzelnen berichtet haben. Im übrigen ist der Verhandlungsverlauf, insbesondere der letzten Etappe, in unserem Bericht an den Bundesrat2 vom 16. Januar a.c. festgehalten, von welchem Ihre Gesandtschaft ebenfalls Kenntnis erhalten hat. Diesem Bericht werden Sie vor allem schon entnommen haben, dass der Bundesrat Sie im Anschluss an die letzte Verhandlungsetappe mit einer Intervention bei zuständiger deutscher Stelle beauftragt hat. Als die für die Intervention geeignete Person käme unseres Erachtens vor allem Staatssekretär Weiszäcker in Betracht. Für die Intervention selbst, welche vorerst in mündlicher Form erfolgen sollte, möchten wir hiermit folgende Richtlinien geben:
Die Schweiz bedauert ausserordentlich, dass es zu einem vertragslosen Zustand hat kommen müssen, trotz einem sehr weitgehenden schweizerischen Entgegenkommen. In der Sondervereinbarung vom 18. Juli 19413 ist die höchste Verschuldungsgrenze endgültig mit 850 Millionen festgesetzt worden. Dies geht unter ändern daraus hervor, dass nach den Bestimmungen derselben Sondervereinbarung - unter der Voraussetzung des Fortbestehens geordneter Handelsbeziehungen - die Clearingverschuldung nach dem 31. Dezember 1942 wenigstens teilweise mit deutschen Kohle-und Eisenlieferungen abgedeckt werden sollte. Die Schweiz hat sich nicht nur bereit erklärt, ihre Verpflichtungen hinsichtlich des Clearingkredites von 850 Millionen im vollen Umfang aufrecht zu erhalten, sondern sie hat darüber hinaus ihre Bereitschaft erklärt, neue zusätzliche Clearingkredite im Betrage von 100 Millionen Franken durch eine Verlängerung der Clearing- Wartefristen zur Verfügung zu stellen. Wenn es trotzdem nicht gelungen ist, den vertragslosen Zustand zu vermeiden, so muss die Schweiz die Verantwortung hierfür ablehnen.
Zwischen den beiden Delegationen ist in Aussicht genommen worden, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern, für welche die vertragliche Grundlage nunmehr fehlt, de facto weiterzuführen. Die Schweiz ist hierzu bereit, unter der Voraussetzung, dass beide Teile ihre Verpflichtungen aus dem bisherigen Abkommen einhalten. Sollte aber Deutschland hinter seine Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich der Lieferung von Kohle, Eisen und flüssigen Brennstoffen zurückgehen, mit welchen es schon heute um 6-8 Monatsraten im Rückstände ist, so müsste auch die Schweiz mit bezug auf ihre Verpflichtungen alle Vorbehalte machen.
In diesem Zusammenhang hat das von der deutschen Delegation am Abend des 15. Januar überreichte Memorandum4 auf schweizerischer Seite ausserordentliches Befremden hervorgerufen. In diesem Memorandum interpretiert die deutsche Delegation zum vorneherein den de facto-Zustand so, dass die Schweiz einseitig an ihre Verpflichtungen gebunden wäre, während anderseits Deutschland an seinen Verpflichtungen die radikalsten Kürzungen vornimmt. Dies ist ein zwischen selbständigen Staaten so ungewohntes Vorgehen, dass die schweizerische Regierung nicht glauben kann, das von der deutschen Delegation überreichte Memorandum entspreche tatsächlich den Intentionen der deutschen Regierung. Wir möchten Sie bitten, der deutschen Regierung in aller Form die Frage vorzulegen, ob ihre Intentionen wirklich mit dem Inhalt des genannten Memorandums übereinstimmen.
Im Memorandum der deutschen Delegation wird unter anderem eine radikale Kürzung der deutschen Kohlenlieferungen für die Dauer des de facto-Zustandes in Aussicht genommen, während im gleichen Atemzug z. B. vorausgesetzt wird, dass die schweizerischen Stromlieferungen «ungestört fortgeführt werden.» Ferner wird eine einseitige Kürzung der Überweisungen im Reiseund Versicherungsverkehr vorgesehen, dies in der Erwartung, dass die Schweiz an der Dotierung der Reichsbankspitze keine Änderungen vornehme. Überhaupt wird nach diesem Memorandum von der Schweiz die Aufrechterhaltung ihrer bisherigen Leistungen erwartet, wobei (in Abschnitt II des Memorandums) für den Fall von einschränkenden schweizerischen Massnahmen angedroht wird, dass sich die deutsche Regierung gezwungen sehen werde, «die der Schweiz unter der Voraussetzung geordneter vertraglicher Wirtschaftsbeziehungen gewährten Sondervorteile zurückzuziehen».
Die Schweiz kann in diesen Ankündigungen nicht eine auf Gegenseitigkeit beruhende Fortführung des Wirtschaftsverkehrs erblicken. Unter diesen Umständen muss die Schweiz die unter Abschnitt II des Memorandums angedrohten Konsequenzen entschieden ablehnen. Die Schweiz ist durchaus gewillt, ihre Verpflichtungen aus dem bisherigen Vertrage aufrecht zu erhalten, aber unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit. In diesem Sinne wird sie für die nächste Zukunft die Richtlinie befolgen, ihr Verhalten genau dem Verhalten Deutschlands anzupassen.
Unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit ist die Schweiz bereit, die Transfergarantie durch den Bund weiterhin aufrecht zu erhalten. In erster Linie wäre sie bereit, die Bundesgarantie im Rahmen ihrer früher eingegangenen Verpflichtungen, d. h. bis zu einer maximalen Verschuldungsgrenze von 850 Millionen weiterzuführen. Sie muss dabei allerdings von der Voraussetzung aus gehen können, dass die von den deutschen Stellen bisher erteilten Devisenbescheinigungen und Devisengenehmigungen den für die Verschuldungslimite festgesetzten Rahmen nicht überschritten haben. Die deutsche Delegation hat uns die in der Beilage5 mitfolgende Aufstellung übergeben, aus welcher wir an sich den Schluss gezogen haben, dass die vereinbarte Limite getreulich eingehalten worden ist. In dieser Schlussfolgerung sind wir allerdings im weiteren Verlaufe der Besprechungen durch gewisse Äusserungen des Gesandten Hemmen wieder etwas schwankend geworden. Wir möchten Sie deshalb beauftragen, sich von der deutschen Regierung bestätigen zu lassen, dass die Vorschuldungslimite bei der Erteilung der Devisenbescheinigungen und -genehmigungen tatsächlich eingehalten worden ist.
Die Schweiz wäre fernerhin - immer unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit - bereit, die Transfergarantie auch auf neue Zahlungsüberweisungen anzuwenden, welche während der Dauer des de facto-Zustandes gemacht werden, sofern die deutsche Regierung in der Lage ist, die bindende Erklärung abzugeben, dass sich solche Überweisungen nur im Rahmen der durch die Clearingeinzahlungen in Zürich geschaffenen Disponibilitäten halten, d. h. dass die deutschen zuständigen Stellen Devisenbescheinigungen und Devisengenehmigungen lediglich im Rahmen der im laufenden Clearingverkehr anfallenden Wertgrenzen erteilen. Dabei könnte deutscherseits von der Vorausbelastungsmöglichkeit gemäss Art. 3 Ziff. 7 (unter Ausschluss von Ziff. 6) der Anlage A zum Verrechnungsabkommen6 vom 9. August 1940 Gebrauch gemacht werden. Die unerlässliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Bundesgarantie im oben dargestellten Rahmen besteht indessen darin, dass die Speisung des schweizerisch-deutschen Clearings durch die Lieferung von deutschen Waren stets ein solches Ausmass behält, dass nicht nur die laufenden Devisenbescheinigungen honoriert werden können, sondern dass auch die Vorgriffe auf in der Zukunft anfallende Wertgrenzen, welche die Schweiz Deutschland eingeräumt hat bzw. einzuräumen bereit ist, ohne Erhöhung der Verschuldungslimite transferiert werden können. Diese Voraussetzung ist im Augenblick durch das deutsche Memorandum vom 15. Januar, welches erhebliche Abstriche an den deutschen Lieferungen vorsieht, zerstört worden. Die Schweiz ist infolgedessen gegenwärtig nicht in der Lage, beurteilen zu können, ob und in welcher Form die Bundesgarantie für Einzahlungen ins schweizerisch-deutsche Clearing, welche nach dem 15. Januar 1943 erfolgten, aufrecht erhalten werden kann.
Wir nehmen gerne an, dass Sie die in Aussicht genommene Intervention unverzüglich unternehmen können und gewärtigen Ihren Bericht über deren Erfolg7.
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