Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.21. SUÈDE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 103
volume linkBern 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1020* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 443 | |
Dossier title | Stockholm, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 11 (1941–1941) |
dodis.ch/47289
Während meines kürzlichen Aufenthaltes in Kopenhagen2 hatte ich auch einen längeren Meinungsaustausch mit meinem dortigen deutschen Kollegen, der zugleich «Bevollmächtigter des Deutschen Reiches» in Dänemark ist. Wir sind, Herr von Renthe-Fink und ich, seit meiner Berliner Zeit gute Bekannte geblieben, wiewohl ich damals mit ihm, in seiner Eigenschaft als Vertreter des Politischen Direktors im Auswärtigen Amte, manchen unerfreulichen Anstand zu behandeln hatte.
Vorige Woche haben wir uns übrigens mehr über die allgemeine Lage als über Dänemark unterhalten. In Hinsicht auf dieses hob der Bevollmächtigte, der freilich die anti-deutsche Einstellung der grossen Mehrheit der Bevölkerung wohl kennt, sein gutes Einvernehmen und die verständnisvolle Zusammenarbeit mit der dänischen Regierung hervor, die dem Volke Dänemarks zum Nutzen gereiche und ihm in diesen Kriegsjahren ein besseres Los sichere als das der Mehrzahl der ändern europäischen Staaten.
Mein Gewährsmann wollte dann daraus den allgemeineren Schluss ziehen, dass mit, wie er sich ausdrückte, einsichtigen, nüchternen und realitätsbewussten Staatsmännern ein Volk auch gegen seine angeblich irrigen Auffassungen und unerfüllbaren Wünsche regiert werden könne. Diese deutsche These widerlegte ich mit höchst aktuellen Erscheinungen, am treffendsten mit Norwegen. Als Herr von Renthe-Fink sogar in der schweizerischen Politik der jüngeren Zeit das eine oder andere entsprechende Beispiel festzustellen versuchte, musste ich ihn eines Anderen belehren. Von besonderem Interesse für mich war seine beiläufige Bemerkung, dass man in Deutschland mit der Einstellung des derzeitigen schwedischen Aussenministers zufrieden zu sein allen Grund habe.
Über die unmittelbaren Zukunftspläne Deutschlands in Europa und den sich daraus ergebenden Anschauungen sprach sich der deutsche Bevollmächtigte rückhaltlos offen aus.
Der Zeitpunkt sei gekommen, wo sich die einzigen noch «abseits» haltenden Staaten, wie insbesondere Schweden und die Schweiz, näher an Deutschland anschliessen müssten, täten sie es nicht rechtzeitig, so hätten sie dann die Folgen zu tragen.
Die Führung des eng zusammengeschlossenen europäischen Kontinents werde Deutschland übernehmen. Dafür sei nur dieses gross und stark genug. Italien wurde mit keinem Worte erwähnt. Kriege zwischen europäischen Staaten werde es nicht mehr geben, da Deutschland mit seiner Militärmacht sie zu verhindern im Stande sein werde. Deshalb werde es im neuen Europa auch keinen Platz mehr geben für die hergebrachte Neutralität. Alle Staaten müssten in jedem Falle «mitmachen». Und damit dürfte Europa endlich zum Wohle Aller einer besseren Zukunft entgegengehen, für die sich Deutschland verantwortlich fühlen werde, u.s.w.
Die Frage, ob und wie denn Kriege auch zwischen dem europäischen Kontinent und anderen mächtigen politischen Gebilden, wie das Britische Weltreich, Amerika, der Ferne Osten, vermieden oder verhindert werden könnten, wusste Herr von Renthe-Fink nicht recht zu beantworten. Solche Konflikte, meinte er, würden doch schwerer und seltener entstehen, da man von einander entfernter sein werde und deshalb andere Lösungen denkbar sein möchten. Dafür, wendete ich ein, würden solch mögliche ausgedehnte Verwicklungen aber auch für alle verheerender und nachwirkender sein.
In Bezug auf die Schweiz erinnerte ich daran, dass sie die wirtschaftliche Zusammenarbeit, allerdings nicht auf Europa beschränkt, nicht nur nie abgelehnt habe, sondern als eine Notwendigkeit empfinde. Gleichfalls sei auf geistigem oder kulturellem Gebiete ihre Mitarbeit, wie bisher, in bestimmten Grenzen durchaus möglich und auch ihr erwünscht. In politischer Hinsicht dagegen gebe es für uns keine Anpassung oder Angleichung, keine Verzichte noch Kompromisse. Das sei so einleuchtend und selbstverständlich, dass es dessetwegen überhaupt keiner Erörterung bedürfe. Auch die uneingeschränkte Erhaltung unserer Neutralität entspreche einer Naturnotwendigkeit. Herr von Renthe-Fink, der mehrere Jahre in der Schweiz gelebt hat und sie deshalb gut kennt, gab übrigens zu, dass ihre besondern freiheitlichen Einrichtungen, die für andere nicht brauchbar wären, sich bei ihr bewährt haben.
Zum Schlüsse glaubte ich feststellen zu können, dass wir noch nicht so weit seien, dass wir uns wegen der Verschiedenheit gewisser unserer beidseitigen Auffassungen Sorge um unsere Beziehungen zu machen brauchten, die ja glücklicherweise durch die Wirrnisse der Zeit freundschaftliches geblieben seien.
Das Bemerkenswerteste an der ganzen Sache ist wohl, dass eine bedeutende deutsche Persönlichkeit jetzt noch so siegesbewusst spricht und nicht daran zu zweifeln scheint, dass bei Kriegsende Deutschland Europa seine endgültige Form aufprägen werde. Ist es wirklich Überzeugung oder nur noch straffe Disziplin bei den Auserwählten? Im breiteren Volke und auch bei Soldaten ist es jedenfalls nicht mehr Gewissheit. Dafür liegen manche auch hier bekannt werdende Anzeichen vor.
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