Language: German
9.8.1941 (Saturday)
L’ancien Conseiller fédéral, H. Häberlin, au Chef du Département politique, M. Pilet-Golaz
Letter (L)
Position de l’ancien Conseiller fédéral: ne pas limiter son action humanitaire à des considérations de neutralité ou au soutien du CICR, répondre à une nécessité urgente, recourir au patronage de la Croix-Rouge suisse et à des fonds privés, ne pas favoriser un seul des camps en guerre, préparer une mission médicale en Grèce.

Classement thématique série 1848–1945:
6. POLITIQUE ET ACTIVITÉS HUMANITAIRES
6.4. MISSIONS MÉDICALES SUR LE FRONT DE L’EST
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Printed in

Antoine Fleury et a. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 86

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Bern 1997

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Cover of DDS, 14

Repository

dodis.ch/47272
L’ancien Conseiller fédéral, H. Hâberlin, au Chef du Département politique, M. Pilet-Golaz1

Wir haben uns vor acht Tagen über die Frage einer schweizerischen Ärztemission unterhalten. Ich bin nicht ganz sicher, ob wir beim Auseinandergehen der Meinung waren, dass ich Ihnen oder Sie mir in der Folge noch schreiben werden nach Abklärung von im Gespräch erwähnten Möglichkeiten. Für alle Fälle will ich Ihnen vorsorglich noch einmal die Überlegungen resümieren, die ich mir schon bei der privaten Anfrage Ruppanner und dann auch nach Ihren sehr wertvollen Ergänzungen gemacht habe. Ich lasse dabei für einmal Erwägungen persönlicher Natur ganz auf der Seite und beschäftige mich nur mit der Frage: Unter welchen Voraussetzungen kann oder soll die Schweiz, kann oder soll ein Schweizer sich mit einer solchen Mission befassen? - So ist die Frage für uns beide gestellt.

Ich antworte darauf ungefähr Folgendes:

1. Die Schweiz darf sich nicht unter Berufung auf ihre Neutralitätspolitik beim jetzigen Völkermorden von der Erfüllung ihrer europäischen Humanitätspflicht drücken oder diese auf das Büro in Genf beschränken. Sie darf nicht mit der Begründung, ihre Aktionsmöglichkeit wäre ja eine schier verschwindende, nichts tun. Sie soll in weitgespanntester Weise das ihr Mögliche tun. Das war bis jetzt ihr Ehrenschild und bleibe es!

2. Die Hilfe soll möglichst rasch einsetzen; denn sie ist jetzt nötig.

3. Sie soll auf Initiative oder doch unter den Auspizien des Schweizerischen Roten Kreuzes, also offiziell, vor sich gehen, was nicht hindert, dass z. B. zur Sammlung der Mittel private Kreise beigezogen und nach Bedarf organisiert werden.

4. Die Hilfe soll nicht nur einer Kräftegruppe des Weltkriegs zuteilwerden, sondern sich neutral aus wirken. Sie muss deshalb auch grundsätzlich gleichzeitig eingreifen, zum mindesten gleichzeitig bekannt gegeben werden.

5. Die einseitig geleistete Hilfe an Finnland in dessen letztem Kriege kann nicht hiegegen ausgespielt werden. Dort stand auf der ändern Seite nur Russland, das mit uns keine politischen Beziehungen unterhält und meines Wissens kein Hilfsbegehren an uns stellen liess. - Würde es heute ein Begehren an unser Rotes Kreuz stellen lassen, so würde ich meinen, dass man grundsätzlich darauf eintrete unter der Bedingung, dass das russische Rote Kreuz die Garantie für richtige Verwendung und Behandlung unserer Ärzte und ändern Hilfsmittel durch die dortigen staatlichen Stellen beibringe.

Praktisch kommt nach den jetzigen Mächtegruppierungen jedoch für uns nicht sowohl eine Humanitätshilfe an Russland als an England in Frage, d. h. eine Hilfe, die in dessen Interessensphäre auf sein Ansuchen oder zum mindesten mit dessen ausdrücklicher Billigung erfolgte.

7. In dieser Richtung scheint mir nun eine Lösung zu liegen, die Sie mir am letzten Samstag angedeutet haben: eine Hilfsmission nach Griechenland, wo grosses Elend herrscht und wo Grossbritannien noch mit seinen frühem Hilfsversprechen moralisch engagiert ist, sie aber nicht direkt erfüllen kann. Umgekehrt sind die Achsenpartner als Besetzungsmächte ebenfalls moralisch engagiert, dass die hygienische Ordnung nicht nur von Griechenland sondern von ganz Europa keine schwere Bedrohung erleide. - Es dürfte nicht allzu schwer sein, auf beiden Seiten den diplomatischen Vertretern zu suggerieren, dass ein an unser Rotes Kreuz zu richtendes Begehren wohlwollende Berücksichtigung erwarten und ihnen so erwünschte Entlastung bringen könne.

8. Eine Lösung in diesem Sinne hätte den grossen Vorteil, dass sie im Schweizervolke wegen der Sympathien mit dem tapfern Griechenvolke populär wäre und durch den Hinweis auf europäische Seuchengefahr sogar beim engen Egoisten einzuschlagen vermöchte. Sie würde speziell dann, wenn man der Öffentlichkeit erklären dürfte, dass auch England Wert auf eine solche Aktion lege, einen grossen Teil derjenigen Schweizer beruhigen, welche eine einseitige Hilfe an deutsche Spitäler mit dem bösen Worte der Konjunkturhumanität geissein wollten. Ein solcher Neutralitätsausgleich ist nach meiner Beurteilung der Volksstimmung wichtiger, ja nötiger, als es sich die Herren Frölicher und Ruppanner im ersten Elan vielleicht vorgestellt haben. Drum sollte man ihn gerade im Interesse des schönen humanen Projektes möglichst erleichtern.

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Lettre: J.I. 17/11.