Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.8. FINLANDE
Également: Visite à Helsinki du Ministre des Affaires étrangères de Suède. Mission d’un homme de confiance de Hitler auprès des autorités finlandaises en vue d’associer la Finlande à une attaque contre la Russie. Crise ministérielle à Helsinki. Transfert de la population de Carélie. Annexe de 10.5.1941
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 14, doc. 45
volume linkBern 1997
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#319* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 157 | |
Titolo dossier | Helsinki, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 3 (1941–1941) |
dodis.ch/47231
An einem Abendessen auf der japanischen Gesandtschaft sahen sich mein brasilianischer Kollege und ich etwas unerwartet in Gesellschaft des Sowjetgesandten Orlow. Wir wissen nicht, ob es sich dabei um ein «Versehen» des Japaners handelt oder ob Herr Orlow den Wunsch äusserte, mit den beiden Kollegen, denen er keinen Antrittsbesuch machen konnte, unauffällig auf neutralem Boden zusammen zu treffen. Ich neige eher zu der letzteren Auffassung, zumal es Herr Orlow war, der nach aufgehobener Tafel mich mit auffälliger Zuvorkommenheit in ein langes und recht unterhaltsames Gespräch zog. Es wurde in deutscher Sprache geführt, und ich notiere daraus:
1. Russland und die Schweiz: Minister Orlow erwähnte in erster Linie den Besuch der schweizerischen Handelsdelegation in Moskau, und ich bedauerte im Laufe der Unterhaltung lebhaft, dass ich über die Eindrücke unserer Unterhändler in keiner Weise Bescheid wusste2.
Der russische Gesandte war über die humanitären Bestrebungen der Schweiz und ganz besonders über das Asylrecht, das sie russischen Emigranten unter der Zarenregierung gewährte, gut unterrichtet, wenn er auch einen etwas zu kühnen Vergleich zwischen den freiheitlichen Staatsauffassungen in den beiden Ländern zog. Er gab der bestimmten Hoffnung Ausdruck, dass dem handelspolitischen Vorstoss bald die Anbahnung normaler diplomatischer Beziehungen folgen werde3.
Herr Orlow betonte, ein Handelsaustausch mit der Schweiz werde in Moskau um so mehr begrüsst, als die Schweiz neben Schweden das einzige Land sei, das volle Gewähr biete, dass die gelieferten Waren auch dem einheimischen Verbrauch zukämen. Moskau habe gleichfalls grösstes Interesse, dem bedrängten Norwegen, dem verarmten Frankreich und dem ausgehungerten Holland und Belgien Nahrungs- und Bedarfsstoffe zu liefern, doch mache es diesen Austausch nur zögernd, weil man genau wisse, dass der grösste Teil davon nach Deutschland abgeführt werde. Es war ihm nicht bekannt, dass für uns bestimmtes russisches Getreide in Stettin blockiert ist, wie ich von Herrn Dr. Schauwecker erfuhr.
Über unsere Neutralitätspolitik äusserte sich der russische Gesandte, sie werde im Kreml mit grossem Interesse verfolgt, und man sei dort der Ansicht, das Bestehen der Schweiz «als Hüterin von Freiheit und Ordnung» dürfe nicht angetastet werden4.
2. Russland und Finnland. Herr Orlow bestätigte auch mir meine jüngste Meldung über seine Gespräche mit dem französischen und dem belgischen Gesandten (Bericht No 19)5. Stalins Politik gehe unbeirrbar nach dem Ziel auf Vermeidung jeglichen Krieges. Mit Ausnahme der Meinungsverschiedenheit über die Lösung der Petsamo-Frage gebe es zwischen Russland und Finnland keinen Streitpunkt, der nicht in kürzester Zeit am Verhandlungstisch zu einem beide Teile befriedigenden Ergebnis erledigt werden könne. Finnland verhalte sich aber in Petsamo «merkwürdig widerspenstig und halsstarrig».
Auf dem Ministerium des Äussern gibt man mir heute darüber folgende Erklärung: Die Russen weigern sich, den finnischen Vorsitz in der in Aussicht genommenen gemischten Kommission der Nickelgruben anzuerkennen. Sie begnügen sich auch nicht mit dem Zugeständnis einer Zweier-Vertretung in dieser Kommission. Eine neue finnische Delegation reist demnächst wieder nach Moskau; sie soll versuchen, den Russen eine Lösung durch Handelsvertrag begreiflich zu machen, um so den langen Umweg eines Parlamentsbeschlusses mit seinen Debatten über eine allfällige Abänderung der Reichsgesetzgebung auszuschalten. Die gemischte Kommission soll unter finnischem Vorsitz stehen. Moskau kann sich durch zwei technische Experten vertreten lassen. Der Ertrag der Nickelgruben geht zu 60% an Deutschland und zu 40°7o an Russland, wobei sich Finnland über seinen Anteil mit den beiden Ländern auseinander setzt. Mit Deutschland ist diese Abmachung, wie ich Ihnen schon früher berichtete, perfekt. Finnland dürfte von diesen Forderungen kaum abweichen, zumal es dabei durch Deutschland unterstützt wird.
Herr Orlow sprach sich recht unwillig über die Haltung eines Teiles der finnischen Presse aus, die darauf ausgehe, die russisch-deutschen Beziehungen zu verdrehen und zu trüben. Ich verweise auf die Darlegungen im nächsten Abschnitt. Darüber erfahre ich auf dem Aussenministerium, dass der Berliner-Korrespondent des «Heisingin Sanomat» allerdings Artikel gebracht habe, die zu Kritik Anlass geben könnten, da sie aber die deutsche Zensur unbeanstandet passiert hätten, habe man sie auch hier nicht unterdrückt. Auf Vorstellung der russischen Gesandtschaft in Berlin sei der finnische Korrespondent nachträglich von der Reichskanzlei verwarnt worden, und auch hier habe man Anordnungen getroffen, damit Herr Orlow keinen Grund mehr zur Beschwerde habe.
Über die russenfeindliche Stimmung des finnischen Volkes glaubt Herr Orlow feststellen zu können, dass sie mit der Ausnahme einer «unbelehrbaren Militär-Clique» im Abnehmen begriffen sei. Es ist klar, dass ich bei der Erörterung dieses delikaten Gesprächsstoffes in der Rolle des Zuhörers blieb.
3. Russland und Deutschland. Die Beanstandung Orlows über das Verhalten der finnischen Presse stützt sich auf folgenden Tatbestand: Der «Heisingin Sanomat» brachte aus Berlin die Meldung, zwischen Deutschland und der Sowjetunion seien jüngst wichtige politische und wirtschaftliche Verhandlungen geführt worden. Die Rückkehr des russischen Gesandten Dekanosow nach Berlin sei als Abschluss der Verhandlungen zu deuten. Ihr Ergebnis sei vor allem ein Zugeständnis der Sowjetunion an Deutschland zur Ausnützung der wirtschaftlichen Reichtümer der Ukraine, man spreche auch von einer Verpachtung der Ukraine und dem Durchmarsch deutscher Truppen zur Verdrängung Englands aus dem nahen Osten und zur Sicherung von Öl und Brot für Deutschland und seine Trabanten. Deutschland sei bestrebt, aus den Verhandlungen mit Russland diplomatische und politische Vorteile zu erringen und scheue sich nicht, mit militärischem Aufmarsch zu drohen, wo es ihm gut scheine, so z. B. in Rumänien und in Finnland. Moskau sei zu allen Zugeständnissen bereit. Dazu sagte Herr Orlow: «Keinen Quadratmeter unseres Bodens werden wir freiwillig abgeben... auf keinen Fall die Ukraine, das kostbarste Kleinod unter allen unseren Ländern... wir halten loyal unseren Pakt mit Deutschland... ich vermag nicht zu glauben, dass Deutschland Quertreibereien im Schilde führt und Finnland benützt, um seine angreiferischen Absichten gegen Russland zu vernebeln... Stalin wird alles aufbieten, um einen Krieg sowohl mit Deutschland als auch mit England zu vermeiden...»
Das finnische Dementi über die Landung deutscher Truppen und deutschen Kriegsmaterials in Abo scheint dem russischen Kollegen ziemliches Unbehagen bereitet zu haben; ohne Fragestellungen meinerseits glaube ich wahrgenommen zu haben, dass sich Herr Orlow in den wenigen Wochen seines Aufenthaltes in Helsinki noch kein richtiges Bild von dem Umfang der vorläufig friedlichen Invasion Deutschlands in Suomi machen konnte.
Der brasilianische Kollege, der nicht deutsch spricht, konnte sich mit Herrn Orlow nicht unterhalten.
Von einem zuverlässigen Landsmann, der an der Grenze von Hangö wohnt, höre ich, dass die Russen auf dem Schienenweg bedeutendes Artilleriematerial, Automobile und anderes Kriegsfahrzeug aus Hangö nach Russland zurückbefördern. Haben sie auf dem Seeweg neues Material erhalten? Treffen sie Vorbereitungen zur Räumung der Halbinsel? Auf diese Fragen konnte mir auch General Östermann keine Auskunft geben.
Die Bewohner an der Hangö-Grenze bemerken immer wieder Züge mit Frauen aus Russland, die man den Soldaten in Hangö zuführt. Jüngst hätten verzweifelte Frauen aus den Wagenfenstern schreiend um Hilfe gefleht, sie seien verschleppte Estländerinnen und man möge sie doch befreien. [...]
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