Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.4. Contre-blocus de l’Axe et guerre maritime
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 13, doc. 363
volume linkBern 1991
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13619* | |
Titre du dossier | Beschlussprotokoll(-e) 09.08.-13.08.1940 (1940–1940) |
dodis.ch/47120 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 13 août 19401 1339. Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland. Schlussbericht
Procès-verbal de la séance du 13 août 19401
1. Am 9. August a.c. konnten in Berlin die neuen Wirtschafts-Vereinbarungen mit Deutschland zwischen Ministerialdirektor Wiehl, Ministerialrat Seyboth, sowie Minister Dr. Frölicher und Direktor Dr. Hotz unterzeichnet werden, wodurch unsere Beziehungen zu Grossdeutschland wiederum für ein Jahr bis Ende Juni 1941 vertraglich geregelt sind. Allerdings konnte dem Abkommen für einige Fragenkomplexe - mit Rücksicht auf die Unsicherheit der Zeit - vorläufig nur ein Inhalt gegeben werden bis Ende dieses Jahres, sodass voraussichtlich im Dezember resp. Januar neue Besprechungen nötig werden. Es wird sich dann vor allem darum handeln, über weitere Warenlieferungen auf industriellem, aber auch auf landwirtschaftlichem Gebiet sowie für weitere Kohlenlieferungen neue Abmachungen zu treffen und auch über die Entwicklung der Kredit-Inanspruchnahme und dessen Abdeckung zu verhandeln.
2. Auf dem Gebiet des Versicherungsverkehrs, der Goldhypotheken, des Transfers sowie des Reiseverkehrs bleibt es im wesentlichen bei der bisherigen Regelung. Trotz der reichlichen Clearing-Einzahlungen war es nicht möglich, von den Deutschen eine 2% übersteigende Verzinsung zu erreichen; wir mussten froh sein, den bisherigen Transfersatz beibehalten zu können. Im Reiseverkehr ist es gelungen, die ursprüngliche Kopfquote von wiederum 400 RM zu vereinbaren, dagegen würde auf eine Tilgung mit dem vorgesehenen sehr bescheidenen Betrag von monatlich 0,1 Millionen Franken für das Reiseverkehrs-Konto I (schweizerische Guthaben von ca. 9 Millionen Franken, die durch Kohlenlieferungen zu tilgen wären) verzichtet. Über die Tilgung soll im Zusammenhang mit der Abtragung des Kredits seinerzeit verhandelt werden. Die ganze Differenz zwischen 2,8 Millionen Franken und 1,5 Million Franken geht somit auf Landwirtschafts-Konto, während der aufgelaufene Betrag auf Reiseverkehrs-Konto V in Höhe von 5 Millionen Franken auf Warenkonto übertragen wird; dem Landwirtschaftskonto werden dagegen eventuell nicht benützte Summen der noch 1,5 Million Franken betragenden monatlichen Reiseverkehrsquote gutgeschrieben.
3. Im Gebiet des Warenverkehrs ist es gelungen, mit geringen Korrekturen für kleine und nicht ausgenützte Wertgrenzen die bisherigen 40% zu retten, was nicht ohne die allergrössten Anstrengungen möglich geworden ist. Auch bezüglich der Kohlenlieferungen ist ein befriedigendes Resultat erzielt worden, indem die Deutschen beim Koks unser Begehren für 300000 Tonnen akzeptiert haben, sodass sie bis Ende des Jahres total 870000 Tonnen liefern werden. Es besteht noch eine Differenz in der Menge für Braunkohlen-Briketts von ca. 40-80000 Tonnen, weshalb vorgesehen ist, sobald sich die Verhältnisse auf dem deutschen Kohlenmarkt bessern sollten, erneut in Besprechungen über zusätzliche Kohlenmengen einzutreten.
4. Die Kreditfrage ist folgendermassen geregelt worden: Der Kredit ist grundsätzlich auf 150 Millionen Franken angesetzt worden, wobei aber die den Deutschen am 22. Juni aufs freie Reichsbankkonto zur Verfügung gestellten 28 Millionen Franken grundsätzlich abzuziehen sind. Es werden somit für 124 Millionen Fr. neue Devisenbescheinigungen ausgegeben. Eigentlich wären es nur 122 Millionen Fr., aber es kommt noch ein Betrag von ca. 2 Millionen Fr. hinzu, die auf Reisekonto aufgelaufen sind und nicht aufs freie Reichsbankkonto überwiesen wurden, sondern auf Warenkonto. Die Summe ist aber nicht starr begrenzt, indem die Schweiz noch folgenden Erleichterungen für die Deutschen zugestimmt hat: Sollte ganz wider Erwarten der Kredit im Momente erschöpft sein, wo noch dringende Heereslieferungen aus der Schweiz zu machen sind - insbesondere für den Reichsmarschall Goering - dann wäre die Schweiz bereit, über die 150 Millionen Franken hinauszugehen. Ferner ist die Schweiz bereit, gegenüber den Deutschen für monatlich 11 Millionen Fr. Bezugsmöglichkeiten über die normalen Wertgrenzen etc. hinaus gutzustehen auch für den Fall, dass die kommenden Clearing-Einzahlungen eine niedrigere verfügbare Summe als die erwarteten 11 Millionen Fr. ergeben sollten. Die obigen 11 Millionen werden nämlich nur erreicht, wenn die monatlichen Einzahlungen in Zürich nicht unter 38 Millionen Fr. fallen. Es ist weitgehend dieser Eventual-Verpflichtung zu verdanken, dass die bisherigen 40% Wertgrenzen erneut haben gerettet werden können.
5. Schliesslich konnte für den Waren- und Dienstleistungsverkehr eine provisorische Lösung betreffend Polen in der Weise getroffen werden, dass noch möglichst viele Geschäfte - wo eben die nötigen Kompensations-Partner noch gefunden werden können - auf bisheriger Kompensationsbasis abgeschlossen werden können. Für die Zukunft, d.h. vom 1. Januar 1941 an, geht der Verkehr mit den eingegliederten Gebieten über das deutsch-schweizerische Verrechnungsabkommen, während für die Abwicklung alter Forderungen im Generalgouvernement ein Sonderkonto geführt wird.
6. Blockade-Frage. Nach zähem Ringen ist es schliesslich gelungen, auch in dieser heiklen und politisch gefärbten Frage eine erträgliche Lösung zu finden. Deutschland beharrt nicht mehr auf einem «de jure» Verbot der Ausfuhr nach Frankreich und England. Es begnügt sich damit, dass unser Land hier nur eine passive Rolle zu spielen hat. Die getroffene Regelung unterscheidet sich von den frühem deutschen Begehren dadurch, dass es eben Deutschland selber ist, das für eine Anzahl Waren unsern Export nach England/Frankreich verunmöglicht und wir daher das Odium der Ausfuhrverweigerung nicht auf uns nehmen müssen. Da eine nennenswerte Ausfuhr nach den genannten Ländern momentan praktisch nicht möglich ist, hat die Angelegenheit vornehmlich grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf unsere staatsrechtliche Stellung.
Die nunmehr getroffene Regelung besteht darin, dass Deutschland und Italien autonom Massnahmen treffen werden, dass die in der beiliegenden Anlage I aufgeführten Waren nur dann durch Deutschland und Italien durchgeführt und nur dann über die schweizerisch-französische Grenze, sei es mit der Bestimmung nach Frankreich oder mit der Bestimmung nach einem dritten Land, ausgeführt werden können, wenn die Sendungen von einem Geleitschein der deutschen resp. italienischen Gesandtschaft in Bern begleitet sind. Es braucht allerdings deutscherseits noch Verhandlungen mit Italien, die aber unverzüglich eingeleitet worden sind. Sobald die französischen Durchfuhrverbote erlassen sein werden und damit auch die in der
Anlage I aufgeführten Waren in Frankreich diesen Durchfuhrverboten unterliegen, wird in Aussicht genommen, von der Ausstellung von Geleitscheinen für die Durchfuhr durch Frankreich abzusehen. Dabei ist über folgende Punkte Einverständnis erzielt worden:
1) Die in der Anlage 2 aufgeführten Waren können von der Schweiz unbeschränkt nach allen Ländern ausgeführt werden. Es bleibt Vorbehalten, diese Anlage zu ändern.
2) Die Schweiz wird vorbehaltlich von Sonderabmachungen die Ausfuhr derjenigen Waren, die weder in der Anlage 1 noch in der Anlage 2 enthalten sind, nach allen Ländern mit Ausnahme von Deutschland und Italien bis Ende des Jahres 1940 auf diejenigen Mengen beschränken, die der Halbjahresausfuhr im Jahre 1938 oder, wenn die Ausfuhr im Jahre 1937 höher gewesen sein sollte, der Halbjahresausfuhr im Jahre 1937 entsprechen. Die gleiche Beschränkung gilt für die Ausfuhr im I. Halbjahr 1941.
Da noch etwelche Zeit verstreichen wird, bis die ganze Organisation von seiten Deutschlands und Italiens geschaffen ist, wird sich unser Land veranlasst sehen, Ausfuhrbewilligungen für die in Anlage I genannten Waren bis dahin zurückzuhalten, da wir schon mit Rücksicht auf die Kriegsrisiko-Versicherung, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen vermeiden müssen, dass plötzlich schweizerische Waren der genannten Liste von Deutschland, resp. Italien beschlagnahmt werden. Diese Zurückhaltung unsererseits nimmt aber ihren Anfang erst im Moment der Publikation der entsprechenden deutschen Verordnung2.
Schliesslich bemerken wir noch, dass den Gegenständen der Anlage I die Lieferungen von Kriegsgerät gleichgestellt sind. Bis die definitive Ordnung von Deutschland und Italien getroffen worden ist, gelten als solche diejenigen Waren, die unter den bekannten Bundesratsbeschluss vom 13. Februar 1940 fallen3.
7) Zusammenfassend dürfen wir mit dem erzielten Resultat durchaus zufrieden sein. Wenn wir bedenken, dass die Verhandlungen seit dem 25. Mai angedauert haben und unter welchen schwierigen Voraussetzungen sie haben geführt werden müssen (Regelung der Kriegsmateriallieferungen, Behebung der Kohlen- und Transitsperre, die politisch sehr heiklen Blockadefragen, die für unser Verhältnis zu Frankreich, besonders aber zu Grossbritannien und Übersee äusserst wichtig sind), so geht mit aller Deutlichkeit die grosse Bedeutung des neuen Vertragswerkes mit Gross-Deutschland für unser Land hervor. Die zeitweise gehegten Befürchtungen, die Schweiz werde nicht zu wirklichen Verhandlungen kommen, haben sich erfreulicherweise nicht bewahrheitet. Dass die neuen handelspolitischen Abmachungen aber auch politisch im Hinblick auf unsere Beziehungen zum grossen nördlichen Nachbar von bedeutender Tragweite sind, liegt auf der Hand. Unter dem Gesichtswinkel der Arbeitsbeschaffung ergeben sich schätzungsweise zusätzliche Lieferungen nach Deutschland für minimum 150 Millionen Fr. (100 Millionen Fr. Waffen und Munition, 15-20 Millionen Fr. Aluminium, vermehrte Maschinenlieferungen und 40 Millionen Fr. für landwirtschaftliche Erzeugnisse). Ohne diese Exportmöglichkeiten, die Arbeitsbeschaffung im besten Sinne des Wortes darstellen, wäre es um unsere Industrie, aber auch um unsere Landwirtschaft schlimm bestellt. Dass die schwierigen und komplizierten Verhandlungen besonders in der letzten Verhandlungs-Etappe in einer freundschaftlichen Atmosphäre haben zu Ende geführt werden können, ist gerade im Hinblick auf unsere weitgehende Abhängigkeit von Gross-Deutschland für unsere Zukunft von besonderer Wichtigkeit. Es ist aber dringend nötig, dass sich unser Land der neuen Sachlage in Europa bewusst wird und sich dazu, wo immer es eine Gelegenheit gibt, auch entsprechend einstellt. Unvorsichtige Äusserungen massgebender schweizerischer Kreise, besonders aber auch in der Presse, sind geeignet, bis zu den höchsten Stellen für unser Land folgenschwere Verstimmungen zu verursachen.»
Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen wird antragsgemäss beschlossen:
1. Dem neuen Vertragswerk mit Deutschland wird die vorbehaltene Genehmigung erteilt.
2. Das eigentliche Verrechnungsabkommen wird in die Gesetzessammlung aufgenommen, während die übrigen Vereinbarungen vertraulich den interessierten Kreisen durch die Handelsabteilung, resp. die in Frage kommenden Spitzenverbände der schweizerischen Wirtschaft bekanntgegeben werden4.
- 2
- Cf. la lettre confidentielle du Président de la délégation allemande, Seyboth, au Président de la délégation suisse, J. Hotz: Bis zum Zeitpunkt, an dem die erforderlichen Einrichtungen für die Erteilung der Geleitscheine und für die Kontrolle an der deutschen, italienischen und französischen Grenze getroffen sein werden, wird die Schweiz Ausfuhrbewilligungen für die in der Anlage 1 aufgeführten Waren, soweit diese nicht für Deutschland oder Italien bestimmt sind, nicht erteilen. Das Gleiche gilt für die Ausfuhr von Kriegsgerät über die italienische und französische Grenze, soweit das Kriegsgerät nicht für Italien bestimmt ist (K 1/940).↩
- 3
- Cf. E 1004.1 1/394, No 233.↩
- 4
- Copie complète de l’accord, avec ses annexes et la correspondance échangée entre les délégations au sujet du contre-blocus dans E 1001 1/ VD 1.8.-30.9.1940. et K I /940. Sur les négociations, cf. notamment E 2001 (D) 2/ 47 et 229, E 7110 1967/32/900Deutschland (7) et (8).↩
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