Vertraulich
Berlin, 28. Mai 1940
Die Besprechungen zwischen der deutschen und der schweizerischen Handelsdelegation haben gestern nachmittag begonnen. Diese Tatsache darf als ein Zeichen der Entspannung angesehen werden, obwohl man sich nicht dem Optimismus hingeben darf, dass damit die Gefahren für unser Land bereits gebannt sind; sie werden wohl erst dann am grössten sein, wenn die alliierte Nordarmee geschlagen ist und die Frage sich stellt, wie die deutsche Wehrmacht gegen den Rest der französischen Armee vorzugehen gedenkt und welche Rolle Italien in dieser Kriegsphase zu spielen hat. Bei dieser Perspektive ist es wohl selbstverständlich, dass wir auf politisch-diplomatischem Gebiet äusserst vorsichtig sind und auch bei den wirtschaftlichen Besprechungen, die nun ihren Anfang genommen haben.
Dass diese Besprechungen auch einen politischen Hintergrund haben, hat sich bei Beginn der Verhandlungen gezeigt. Herr Botschafter Ritter, der jetzt die Sonderaufgabe hat, die deutschen wirtschaftlichen Belange vom Standpunkt der deutschen Wehrbereitschaft aus wahrzunehmen, bat mich und Herrn Hotz vor der Plenarsitzung zu einer Unterredung, an der auch der deutsche Delegationsführer, Herr Gesandter Hemmen, teilnahm.
Herr Ritter stellte dabei zwei Postulate: Zunächst frage er, ob es nicht möglich sei, vom Text des Blockadevertrages Kenntnis zu erhalten; ferner - und dies wurde mit besonderer Bestimmtheit vorgetragen - will Deutschland keine Kohlen mehr liefern, die zur Herstellung und Beförderung von alliiertem Kriegsmaterial verwendet werden. Man ersuchte uns bald Vorschläge zu machen, wie diesem Petitum Nachachtung verschafft werden könnte.
Herr Hotz legte die grundsätzlichen Bedenken dar, die diesen Wünschen entgegenstehen. Wir sagten aber zu, dass die Frage geprüft werden solle.
Die Forderung betreffend Kohlenlieferung wurde zwar bestimmt, aber in durchaus freundschaftlichem Sinne vorgetragen und begründet. Der Umstand aber, dass man mich ausnahmsweise zu der Besprechung gebeten hat, zeigt, dass man es damit deutscherseits ernst meint und dass es für uns nicht klug wäre, in Anbetracht der Kriegslage ein Entgegenkommen zu verweigern, umsomehr als praktisch einem solchen Entgegenkommen keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen dürften.