Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE ET ACTIVITÉS ÉCONOMIQUES
2. Ravitaillement de la Suisse en temps de guerre
2.4. Contre-blocus de l’Axe et guerre maritime
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 252
volume linkBern 1991
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1552#7442* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 242 | |
Dossiertitel | Marseille, Blockade-Drohung (1939–1940) | |
Aktenzeichen Archiv | C.22.41.11.10.04 |
dodis.ch/47009 Le Chef du Département de l’Economie publique, H. Obrecht, au Chef du Département politique, M. Pilet-Golaz1
Wir beehren uns, auf Ihr Schreiben vom 20. Februar 19402 zurückzukommen, mit welchem Sie uns einen Bericht der schweizerischen Gesandtschaft im Haag betreffend die Torpedierung des holländischen Dampfers «Burgerdijk» übermittelt haben. Die Gesandtschaft führt aus, Deutschland mache geltend, das Schiff sei, gestützt auf Art. 23 der deutschen Prisenordnung, torpediert worden3. Nach dem Wortlaut dieses Artikels müsste von den mit Kriegskonterbande beladenen, die Downs passierenden Schiffen angenommen werden, dass sie als Bestimmung einen feindlichen Hafen hatten. Diese Tatsache sei als «dolus eventualis» zu betrachten, weil sie zu der Annahme berechtigt, die Ladung sei für den Feind bestimmt. Die niederländischen Behörden ihrerseits bezeichnen den deutschen Standpunkt als unhaltbar. Sie führen aus, dass weder der Art. 23, noch der Art. 25 der deutschen Prisenordnung im vorliegenden Fall Anwendung finden könne. Die Gesandtschaft im Haag fügt im weitern bei, in einer Korrespondenz von Berlin sei ausgeführt worden, dass nach der von Deutschland vertretenen Auffassung für die Schweiz befrachtete Schiffe, die vor Erreichung von Genua zuerst in Marseille anlegen, oder ein amerikanisches Schiff, das sich aus irgend einem Grund nach Gibraltar begeben muss, ein ähnliches Schicksal erreichen könnte wie den Dampfer «Burgerdijk». Das käme praktisch darauf hinaus, dass Deutschland das Recht hätte, alle neutralen Schiffe, ohne Rücksicht auf ihre Bestimmung, die sich der britischen oder französischen Kontrolle auf dem Meer unterziehen müssen, zu torpedieren.
Veranlasst durch die Mitteilung der Gesandtschaft im Haag geben Sie uns Aufschluss über einen schweizerisch-deutschen Notenwechsel, der die Frage der Benützung des Hafens von Marseille durch die von der Schweiz gecharterten Schiffe betraf. Sie weisen insbesondere auf eine Verbalnote des Auswärtigen Amtes in Berlin vom 22. November 1939 hin4, wovon Sie s.Zt. das Kriegstransportamt unterrichtet haben. Darin wird auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die das Anlaufen des Hafens von Marseille für unsere Lebensmitteltransporte in sich schliesst; es wird weiter empfohlen, für diese Transporte in Zukunft einen neutralen Hafen zu bestimmen. Nach Rücksprache mit dem Kriegs-Transport-Amt haben Sie beim Auswärtigen Amt den Standpunkt eindringlich vertreten, dass die Benützung des Hafens von Marseille notwendig sei. Die deutsche Regierung ist trotzdem von ihrer, in der Verbalnote vom 22. November 1939 bezogenen Stellungnahme nicht abgerückt5.
Sie haben sich letzthin veranlasst gesehen, die Angelegenheit bei der deutschen Amtsstelle erneut aufzugreifen. Auf diesen Schritt antwortete die deutsche Regierung in einer Note vom 12. Februar 19406, die Sie uns mit Schreiben vom 21. gleichen Monats zur Kenntnis brachten. Die deutsche Regierung erklärt, sie müsse das erhobene Bedenken gegen das Anlaufen des Hafens von Marseille aufrecht erhalten.
Ihrem im Schreiben vom 20. Februar 1940 geäusserten Wunsche gemäss haben wir die Angelegenheit mit dem Kriegs-Transport-Amt im Sinne Ihrer Anregungen erneut geprüft. Wie wir Ihnen am 24. Februar 19407 mitteilten, haben wir auch die Handelsabteilung ersucht, sich zum Fragenkomplex vernehmen zu lassen. Diese Amtsstelle hat keine Bemerkungen anzubringen.
Aus dem uns vom Kriegs-Transport-Amt unterbreiteten Bericht8 geht hervor, dass von der Benützung jugoslawischer Häfen, wie dies deutscherseits angeraten wurde, abgesehen werden musste, einerseits mit Rücksicht auf die seitens der Alliierten für solche Schiffe zu erwartende schärfere Kontrolle und anderseits wegen den mit dem verlängerten Eisenbahntransport verbundenen vermehrten Schwierigkeiten. Dazu kommt, dass mit allen Mitteln zu vermeiden gesucht werden muss, dass sämtliche überseeischen Transporte über einen einzigen Weg geleitet werden müssen. Das würde, wie die Erfahrungen während des letzten Krieges sattsam gezeigt haben, naturnotwendig dazu führen, dass die Schweiz von den Zufuhren während gewissen Perioden vollständig abgeschnitten wäre.
Aus diesen Gründen musste mit der Führung eines gewissen Teils der Güter über Marseille fortgefahren werden. Es sei beigefügt, dass dieser Hafen wegen starker Inanspruchnahme für französische und englische Transporte schon seit einiger Zeit nicht in der Lage ist, grosse Warenmengen für die Schweiz zu bewältigen.
Mit einem weitern Schreiben vom 24. Februar 1940 haben Sie uns eine Zuschrift unserer Gesandtschaft in Berlin übermittelt9. Die Gesandtschaft berichtet über eine private Unterredung mit dem zuständigen deutschen Beamten. Dieser habe erklärt, die deutsche Note dürfe nicht so verstanden werden, dass man der Schweiz Schwierigkeiten machen wolle. Im Gegenteil seien strickte Weisungen erteilt worden, die schweizerischen Versorgungsschiffe ganz besonders zu schonen. Daraus ergibt sich, dass Deutschland der Schweiz gegenüber nicht den Standpunkt einnimmt, den es nach dem Bericht der schweizerischen Gesandtschaft im Haag gegenüber den Niederlanden vertritt.
Unser Kriegs-Transport-Amt hat angeordnet, dass der Abgang der ausschliesslich mit Waren für die Schweiz beladenen Schiffe den kriegführenden Parteien so frühzeitig als möglich gemeldet wird. Wenn es auch den deutschen Behörden nicht immer möglich sein sollte, alle Schiffskommandanten rechtzeitig von den Fahrten zu verständigen, so darf dem gegenüber daran erinnert werden, dass die Namen der von uns für die Dauer des Krieges gemieteten 15 Schiffe den beteiligten Ländern bekannt gegeben wurden, und dass diese, sowie die ändern auf Grund von Reiseverträgen gecharterten und ausschliesslich für die Schweiz beladenen Schiffe, auf beiden Seiten mit dem schweizerischen Hoheitszeichen und der Aufschrift «Switzerland» versehen werden.
Nach der neusten und vertraulichen Mitteilung des Herrn Minister Frölicher scheint die Gefahr für unsere Marseille benutzenden Schiffe nicht so gross zu sein, wie man aus den ersten Meldungen hätte schliessen können. Das Abkommen mit Frankreich über die Regelung der Transporte sieht vor, dass im Falle Marseille nicht genügen sollte, auch der Hafen von Bordeaux benützt werden kann. Für den Verkehr englischer Herkunft sind Le Havre und Rouen bestimmt10.
Aus den obigen Darlegungen geht hervor, dass auf die Benützung französischer Häfen nicht verzichtet werden könnte.
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