Classement thématique série 1848–1945:
I. POLITIQUE GÉNÉRALE ET PRINCIPE DE LA NEUTRALITÉ
Également: Proposition du Département politique au Conseil fédéral du 12.9.1939 (CH-BAR#E1001#1000/6#71*).
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 180
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1553#6167* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1553 300 | |
Dossier title | Bericht an die Schweiz. Gesandtschaften u. Generalkonsulate betr. Schweiz. Neutralität vom 10.10.1939 (1939–1945) | |
File reference archive | B.51.10 |
dodis.ch/46937
La Division des Affaires étrangères du Département politique1 aux Légations et Consulats généraux de Suisse2
Wir lassen nachstehend eine kurze zusammenfassende Darstellung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse folgen, die sich für die Schweiz aus der Beobachtung der Neutralität im gegenwärtigen Krieg und der Notwendigkeit, diesem politischen Grundsatz strenge Nachachtung zu verschaffen, ergeben.
Mit der Resolution des Völkerbundsrates vom 14. Mai 1938 wurde die Schweiz aus der Verpflichtung des Völkerbundspaktes, an Sanktionen teilzunehmen, entlassen und damit war ihre uneingeschränkte Neutralität wieder hergestellt. Diese Tatsache wurde der deutschen und der italienischen Regierung zur Kenntnis gebracht, die beide daraufhin eine beinahe gleichlautende Erklärung abgaben, in der hervorgehoben wird, dass dem Willen der Schweiz zur Neutralität bei ihnen jederzeit der Wille entsprechen werde, diese Neutralität zu achten3.
Unmittelbar vor Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Deutschland und Polen hat die deutsche Regierung am 26. August4 unter Hinweis auf ihre vorerwähnte Erklärung diese durch ihren Gesandten in Bern in mündlicher Form wiederholt, der Erwartung Ausdruck gebend, dass die Schweiz sich ihrerseits an die Richtlinien strenger Neutralität halten werde. Der italienische Gesandte in Bern hat, ebenfalls in mündlicher Form, eine ähnliche Erklärung abgegeben5. Nach Empfang der wenige Tage nachher erfolgten schweizerischen Neutralitätserklärung haben die deutsche und die italienische Regierung auf ihre frühem Kundgebungen verwiesen.
Wir fügen die schweizerische Neutralitätserklärung und die auf sie ergangenen Antworten im Wortlaut (unter Gegenüberstellung des Textes für das Jahr 1914)6, sowie eine Liste der Neutralitätserklärungen dritter Staaten als Anlage bei7 und beschränken uns hier noch auf einige allgemeine Bemerkungen.
Die französische Regierung hat unsere Neutralitätserklärung dahin beantwortet, dass Frankreich sie peinlich achten werde. Die an sich selbstverständliche Vorausetzung der Innehaltung der Neutralitätspflichten durch die Schweiz hat sie dabei nicht erwähnt; hingegen hat die britische Regierung nicht unterlassen zu bemerken, dass sie die schweizerische Neutralität in vollem Umfang achten werde, soweit die Schweiz ihrerseits alle erforderlichen Massnahmen treffe, um eine uneingeschränkte Neutralität zu wahren und aufrechtzuerhalten.
Die britische Regierung hatte ursprünglich beabsichtigt, ihre Erklärung über die Achtung der schweizerischen Neutralität an die Bedingung zu knüpfen, dass sie von der gegnerischen Kriegsführung ebenfalls beobachtet werde. Wäre eine solche Bedingung zugelassen worden, so hätte England es in der Hand gehabt, bei wirklichen oder vermeintlichen Neutralitätsverletzungen einer Feindesmacht, sofort und ohne erst die Schweiz zu befragen, auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft militärisch einzugreifen. Der Bundesrat hat die britische Regierung nicht im Zweifel darüber gelassen, dass er einen solchen Standpunkt nicht anerkennen und jede Verletzung der schweizerischen Neutralität aus eigenen Kräften zurückweisen würde. Eine Intervention einer dritten Macht könne erst auf ein ausdrückliches schweizerisches Begehren hin in Betracht kommen, und wenn sie ohne ein solches eintreten würde, müsste darin ebenfalls eine Neutralitätsverletzung erblickt werden. Diese Feststellung ist schon vor einigen Monaten auch gegenüber der französischen Regierung gemacht und vom Vorsteher des politischen Departements öffentlich vertreten worden. Sie ist unbestritten geblieben und hat auf die deutsche Regierung, die wegen der von England und Frankreich gegenüber einer Reihe von Staaten gegebenen Sicherheitsgarantien misstrauisch geworden war, beruhigend gewirkt.
Während des Kriegszustandes befolgt die schweizerische Neutralitätspolitik den Grundsatz, keine feindselige Handlungen gegen kriegführende Staaten zu unternehmen sowie keinen Staat in seiner Kriegführung zu unterstützen. Diese Richtlinien finden sich in den Art. 1 und 2 der Verordnung des Bundesrates über die Handhabung der Neutralität vom 14. April 1939 niedergelegt (s. eidg. Gesetzsammlung 1939, Bd. 55, S. 810). Es gehört zur Pflicht des Neutralen, jeder Verletzung seiner Gebietshoheit durch einen Kriegführenden sofort entgegenzutreten. Dass dieser entschlossene Wille zur Abwehr gegenüber allen Nachbarn sich in gleicher Weise bekunde, ist besonders wichtig, denn eine kriegführende Partei, deren Sache beim Volke des Neutralen starken Sympathien begegnet, könnte sich leicht von dem Gedanken verleiten lassen, mit einem Einmarsch in das Land des Neutralen offene Türen einstossen zu können. Armee und Behörden unseres Landes sind sich deshalb bewusst, dass jedem Versuch einer Neutralitätsverletzung mit Nachdruck begegnet werden muss, und auch die öffentliche Meinung bringt der Notwendigkeit, diesen Grundsatz strenge anzuwenden, Verständnis entgegen.
Soweit eine Verteidigung des Luftraums in Betracht kommt, wird nicht so sehr der Wille zur Abwehr als deren Wirksamkeit häufig fraglich sein. Alle in dieser Hinsicht wahrgenommenen Verletzungen werden den hiefür verantwortlichen Staaten mitgeteilt, und in schwerwiegenden Fällen erfolgt eine diplomatische Intervention. Was die schwierige Frage betrifft, ob der schweizerische Luftraum nur bis zu einer gewissen Höhe geschützt werden und demnach als neutral gelten könne, so lässt sich die Ansicht des Bundesrates dahin fassen, dass die Schweiz, wie es hinsichtlich ihres territorialen Gebiets geschieht, auch ihr Luftgebiet mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen gewillt ist. Von unserm Land wird somit grundsätzlich der Standpunkt eingenommen, der übrigens auch von mehreren Staaten der Oslo-Gruppe geteilt wird, dass der Neutrale seiner Pflicht genügt, wenn er nach Massgabe seiner Kräfte den Luftraum schützt. Ultra posse nemo tenetur.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass namentlich einige exponierte Grenzzipfel unseres Landes der Überfliegung durch fremde Flieger ausgesetzt sind, so z.B. das Gebiet der Ajoie, von Schaffhïausen und des Sotto Cenere. Diplomatische Schritte mussten von unserer Seite in Paris und Rom unternommen werden, wobei indessen hervorzuheben ist, dass die italienischen Verletzungen unserer Gebietshoheit keine Verletzungen der Neutralität darstellten, da sie nicht seitens einer kriegführenden Macht erfolgten. Die italienischen Behörden haben strenge disziplinarische Massnahmen zur Beseitigung vorgekommener Misstände getroffen. Eine Antwort der französischen Regierung steht noch aus. Die deutsche Regierung hat sich für eine in Schaffhausen begangene Verletzung unseres Luftraums spontan entschuldigt.
Soweit in wirtschaftlichen Dingen die Neutralitätspolitik eine Rolle spielt, besitzt sie ebenfalls politischen oder militärischen Charakter, und es ist unzulässig, wie es oft geschieht, von einer wirtschaftlichen Neutralität zu sprechen8. Denn auf wirtschaftlichem Gebiet hat die Schweiz keine andere Neutralitätsbestimmung einzuhalten als Art. 9 des Abkommens betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkrieges, der vorsieht, dass bei autonomen Massnahmen einer neutralen Macht, die sich auf Ausfuhr oder Durchfuhr von Waffen und Ausrüstungsgegenständen für Heer oder Flotte beziehen, gegenüber allen Kriegführenden gleiches Mass anzuwenden sei. Die besondern Handelsverträge mit den einzelnen Staaten bleiben selbstverständlich Vorbehalten. Die Schweiz hat mit ihren drei Nachbarstaaten bereits Abmachungen über Ermöglichung von Durchfuhren zur Versorgung unseres Landes getroffen. Sie steht mit Deutschland und Frankreich in Wirtschaftsunterhandlungen zur Anpassung an die Kriegswirtschaft, und solche mit Grossbritannien sind bevorstehend. Die Bestimmungen der Kriegskonterbande berühren als eine Sache des Seerechts die Schweiz nur indirekt. Besondere Bedeutung kommt in den Wirtschaftsabkommen der Behandlung des Kriegsmaterials zu, dessen Ausfuhr gemäss der oberwähnten Haager Konvention den Regierungen der neutralen Staaten selbst grundsätzlich untersagt ist, den Angehörigen dieser Staaten aber offensteht. In der Neutralitätsverordnung vom 14. April 1939 hat der Bundesrat auch für Privatpersonen die Ausfuhr von Kriegsmaterial verboten, doch sind Ausnahmen statthaft, soweit wirtschaftliche Erwägungen es erfordern und die hiefür festgesetzten Bedingungen allgemeiner Natur innegehalten werden. Der Bundesrat hat denn auch bereits die Erlaubnis erteilt zur Ausfuhr von solchem Kriegsgerät nach Deutschland, Frankreich und England, das vor Ausbruch des Krieges in der Schweiz bestellt worden war. Er hat ausserdem den grundsätzlichen Beschluss gefasst, dass schweizerische Firmen Kriegsmaterial nach kriegführenden Staaten liefern könnten, wenn vom Standpunkte der militärischen Bedürfnisse des eigenen Landes aus dem nichts entgegenstehe und die Rohstoffe für das ausgeführte Material aus dem betreffenden Staat eingeführt werden. Der Grundsatz der Parität unter den kriegführenden Parteien muss auch in diesem Falle beobachtet werden.
Schliesslich wäre noch zu erwähnen, dass der Nachrichtendienst, sowie das Presse- und Filmwesen der Aufsicht der militärischen Instanzen unterstellt worden sind, welche, soweit das Ausland in Betracht kommt, in engster Fühlungnahme mit dem Politischen Departement arbeiten (Bundesratsbeschluss vom 8. September 1939 betreffend die Landessicherheit9 auf dem Gebiete des Nachrichtenwesens und Bundesratsverordnung vom 22. September 1939 über die Wahrung der Sicherheit des Landes10. Die allgemeine Vorzensur kann nur durch besondern Beschluss des Bundesrates eingeführt werden. Die Konzessionspflicht für Presse- und Nachrichtenagenturen ist, auf Ermächtigung des Bundesrates hin, durch das Armeekommando verfügt worden.
- 2
- (Copie): E 2001 (D) 3/300.↩
- 3
- Cf. E 2001 (D) 3/299.Sur le retour de la Suisse à la neutralité intégrale, cf. aussi E 2001 (D) 1/21, E 2001 (D) 4/1 et 2.↩
- 4
- Cf. No 132.↩
- 5
- Cf. No 141.↩
- 6
- Cf. DDS, vol. 6, doc. 16, dodis.ch/43291.↩
- 7
- Non reproduite.↩
- 8
- Cf. No 162.↩
- 9
- Cf. RO, 1939, vol. 55, pp. 921 ss.↩
- 10
- Cf. RO, 1939, vol. 55, pp. 1115ss. Sur les débuts de la Division Presse et Radio, cf. notamment E 27/ 14397-14444 et E 4450/ 33.↩