Classement thématique série 1848–1945:
VII. AFFAIRES SOCIALES ET HUMANITAIRES
2. Réfugiés, émigrés
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 41
volume linkBern 1991
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1553#6005* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1553 281 | |
Dossier title | Wiedereinführung des Visums auf dem tschech. Pass (März 1939) (1939–1945) | |
File reference archive | B.44.31.1 • Additional component: Tschechoslowakei |
dodis.ch/46798 Le Chef de la Division de Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, au Ministre de Suisse à Prague, K. Bruggmann1
Sie haben mich heute vor 12 Uhr angerufen, nachdem Sie durch Herrn Dr. Feldscher erfahren hatten, dass wir das Visum auf dem tschechoslowakisehen Pass einführen würden2 und den Konsulaten und Gesandtschaften keine Zuständigkeit zur Erteilung von Einreisevisa ohne vorherige Befragung der eidgenössischen Fremdenpolizei erteilen könnten. Sie insistierten sehr ernstlich, diese Zuständigkeit trotzdem zu erhalten und erklärten, Sie würden die volle Verantwortung für zu erteilende Visa übernehmen; es könnten übrigens höchstens etwa zehn Fälle in Frage kommen von Leuten, die Ihnen persönlich bekannt seien. Ich erklärte Ihnen, unsere Instruktionen müssten so lauten, dass Sie vorläufig keinerlei Kompetenz erhalten würden. Auf Ihr Insistieren gab ich in dem Sinne nach, dass ich Ihnen sagte, wenn Sie trotzdem in einzelnen Fällen, für die Sie persönlich die Verantwortung übernehmen könnten, ein Visum zur Durchreise erteilen würden, so würden wir das nicht als ein Handeln gegen die Instruktionen betrachten unter folgenden Voraussetzungen: Die Weiterreise muss durch vorhandene Visa, über deren Gültigkeit Sie sich beim betreffenden ausländischen Kollegen vorher noch erkundigen würden, gesichert sein. Das schweizerische Transitvisum dürfte zu einem Aufenthalt in der Schweiz von höchstens 48 Stunden berechtigen. Sie müssten in jedem Fall dem Chef der eidgenössischen Fremdenpolizei nach Erteilung des Visums schriftlich die Gründe und die Verumständung genau bekanntgeben. Sie erklärten sich mit diesem Vorgehen einverstanden.
Zu Ihrer Orientierung über unsere Lage in der Flüchtlingsfrage lege ich ein Exemplar der Antwort von Herrn Bundespräsident Baumann3 auf die Interpellationen Trümpy und Müller von 6. Dezember 1938 im Nationalrat bei4
. Seither hat sich die Situation noch wesentlich verschlimmert. Wir zählen ungefähr 18 000 schweizerische Juden in der Schweiz, von denen nur ein kleiner Teil dem schweizerischen israelitischen Gemeindebund angehört. Da die Zahl der mittellosen Emigranten, die sich bei uns aufhalten, auf 3000 gestiegen ist, muss die schweizerische Judenschaft Monat für Monat je über 300000 Franken nur für deren Unterhalt in der Schweiz bezahlen. Die Weiterreise ist sozusagen überall gesperrt. Wir sind in allergrösster Sorge. Ich hatte den Eindruck am Telephon, als ob Sie glaubten, es gehe uns das menschliche Empfinden ab. Wenn Hunderttausende noch jenseits der Grenze stehen, die auf uns drücken, so können wohl solche Überlegungen nicht durchschlagend sein, angesichts des sehr grossen Interesses, das unser Land hat, von inneren Unruhen - Antisemitismus - und äusseren Konflikten verschont zu bleiben. Sie wissen ja, was für Bewegungen aus dem Antisemitismus andernorts entstanden sind. Sie haben mir gesagt, wir könnten ja den Einzelfall nicht so gut prüfen wie Sie. Darauf entgegnete ich Ihnen schon am Telephon, dass Sie nicht in der Lage seien, unsere Verhältnisse zu überblicken. Ich glaubte deshalb, es wäre für Sie eine Entlastung, wenn Sie die Verantwortung für Verweigerungen von Visa auf uns abladen könnten.
Ich habe nicht Zeit, Ihnen länger zu schreiben. Es bleibt bei dem am Telephon Abgemachten. Ich bitte Sie aber dringend, äusserste Vorsicht walten zu lassen und keinem Ihrer Mitarbeiter über unser heutiges Kreisschreiben5 hinausgehende Kompetenz zu erteilen. Im übrigen wird es ja wohl nicht sehr lange gehen, bis die Verhältnisse in der Tschechoslovakei geklärt sein werden, sodass wir für Nichtemigranten die Kompetenz der Visumserteilung den Konsulaten übertragen können.
Tags
Humanitarian aid Religious questions Attitudes in relation to persecutions Czechoslovakia (General)