Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.3 ALLEMAGNE. LES PERSÉCUTIONS ANTISÉMITES
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 443
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001D#1000/1553#3823* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001D(-)1000/1553 163 | |
Titre du dossier | Judenverfolgungen in Deutschland, Allgemeines (1937–1945) | |
Référence archives | B.34.9.05.10 • Composant complémentaire: Deutschland |
dodis.ch/46703
Seit Mittwoch abend spielen sich hier Vorgänge ab, die durch die Erregung über den Tod von Gesandtschaftsrat vom Rath, der bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf der deutschen Botschaft in Paris das Opfer eines Anschlages des polnischen Juden Grünspan geworden ist, ausgelöst wurden, jedoch offensichtlich entgegen den in der Presse aufgestellten Behauptungen nicht spontane Handlungen aus der Bevölkerung heraus waren, sondern von gewisser Seite systematisch organisiert und befohlen worden sind. Einzelheiten haben Sie bereits aus der Presse entnommen. Leider muss ich Ihnen bestätigen, dass diese Mitteilungen in keiner Weise übertrieben sind, sondern voll und ganz der Wirklichkeit entsprechen.
In Berlin wurden in allen Teilen der Stadt die Geschäfte von Juden erbrochen und alles, aber auch alles kurz und klein geschlagen. Vielfach sind die Täter noch bis zu den darüberliegenden Bureau- und Lagerräumen vorgedrungen, teilweise wurden Möbel und Waren auf die Strasse geworfen, verschiedene Augenzeugen bestätigten, dass auch Gegenstände vom Publikum entwendet wurden. Die Polizei war entweder überhaupt nicht zur Stelle und leistete Hilferufen keine Folge, oder sie beschränkte sich darauf, die Ordnung auf der Strasse aufrechtzuerhalten. Trotzdem endlich gestern abend der Reichspropagandaminister einen Aufruf erliess, Einzelaktionen zu unterlassen, wurden dieselben in verschiedenen Vierteln der Stadt während der Nacht und auch noch am heutigen Tage fortgesetzt.
Jeder Freund Deutschlands muss diese Vorgänge als tief bedauerlich ansehen. Dieselbe Auffassung fand ich übrigens auch bei hochgestellten deutschen Persönlichkeiten, mit denen ich zusammenzutreffen Gelegenheit hatte. Ebenso ist die grosse Masse der deutschen Bevölkerung empört und niedergeschlagen.
Leider sind durch diese Racheaktion gegen die Juden auch jüdische Landsleute betroffen worden. So ist das Juwelen- und Gold- und Silberwarengeschäft Margraf an der Tauentzienstrasse, das von unserem Landsmann Iwan Bloch, geleitet wird und nach seinen Angaben zwar nicht juristisch (die Anteile der G.m.b.H. lauten formell auf den Namen einer deutschen Jüdin) aber doch tatsächlich in seinem Besitz ist, in der geschilderten Weise in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag zerstört worden. Wie Herr Bloch, der persönlich auf der Gesandtschaft vorsprach, erzählte, erschien der Pöbel gestern neuerdings und drang auch in die Bureauräume ein mit dem Ruf: Wo ist der Bloch, den wollen wir kalt machen. Unser Landsmann habe es nur seinen Angestellten zu verdanken, die ihn rechtzeitig gewarnt und zum Verlassen des Geschäfts veranlasst haben, dass er sich habe in Sicherheit bringen können.
Weiter wurden die beiden Läden der Firma Arnold Müller, die zur Hälfte im Eigentum unseres Landsmannes Alfred Metzger steht, kurz und klein geschlagen. Herr Metzger selber wurde gestern abend verhaftet, jedoch heute vormittag bereits wieder auf freien Fuss gesetzt, ohne Zweifel dank der Intervention der Gesandtschaft. Die Erzählung des Herrn Bloch hatte nämlich meinen Mitarbeiter veranlasst, beim Auswärtigen Amt vorstellig zu werden und unter Nennung der beiden Fälle darauf zu dringen, dass den schweizerischen Staatsangehörigen der ihnen zustehende Rechtsschutz gewährt werde. Das Auswärtige Amt sagte zu, sich der Sache sofort anzunehmen. Heute sind denn auch neue Klagen von Schweizern in Berlin nicht mehr eingegangen.
Ein junger Landsmann namens Wurstemberger, der nur vorübergehend hier auf einem Patentbureau tätig ist, war so unvorsichtig, zerstörte jüdische Geschäfte zu photographieren, worauf das Publikum auf der Strasse gegen ihn eine drohende Haltung einnahm, was auch ein Beweis dafür ist, dass man sich der Vorfälle schämt. Die Polizei nahm Wurstemberger in Gewahrsam und beschlagnahmte seinen Photoapparat. Nach drei Stunden wurde er wieder freigelassen, jedoch hat er seinen Apparat noch nicht zurückerhalten.
Eine ganze Reihe jüdischer Landsleute in Berlin hat in ihrer Angst die Gesandtschaft um Rat gebeten. Es wurde ihnen empfohlen, sich ruhig zu verhalten und wenn irgendetwas passieren sollte, die Gesandtschaft sofort zu verständigen. Angesichts der Entwicklung der Dinge legt die Gesandtschaft überdies den Schweizerjuden nahe, ihre Rückkehr in die Schweiz ins Auge zu fassen.
Das Konsulat in Leipzig berichtete telephonisch, dass die Wohnung eines Schweizerjuden namens Dreyfuss in Chemnitz während seiner Abwesenheit zerstört worden sei. Unser Konsulat, das zunächst einen Beamten hinsenden wollte, was mir aus grundsätzlichen Erwägungen nicht tunlich erschien, wurde angewiesen, bei der zuständigen Polizeibehörde vorstellig zu werden.
Weiter teilte unser Generalkonsulat in München mit, dass unser Landsmann Alfred Gundelfinger in Fürth verhaftet und dass einer Frau Schwabacher ihr Schweizerpass abgenommen worden sei. Das Generalkonsulat habe darauf die geeigneten Schritte unternommen.
Unser Konsulat in Köln meldete, dass in zwei Fällen jüdische Geschäfte zerstört wurden, deren Inhaber die Lokale von schweizerischen Grundeigentümern gemietet haben. Hier dürfte zunächst abzuklären sein, ob nicht diese Grundeigentümer in erster Linie sich wegen des entstandenen Schadens an ihre Mieter zu halten haben. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, könnte wohl die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen das Reich in Frage kommen.
Da zu gewärtigen ist, dass verschiedentlich geschädigte Landsleute mit dem Begehren an die Gesandtschaft gelangen, Schadenersatzansprüche gegenüber der deutschen Regierung geltend zu machen, soweit der Schaden nicht etwa anderweitig, z. B. durch die Versicherungen, gedeckt werden sollte, wäre ich Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie prüfen wollten, ob und in welcher Weise derartige Schadenersatzansprüche gegebenenfalls auf diplomatischem Wege zu stellen sind2.
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