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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 12, doc. 316
volume linkBern 1994
Dettagli… |▼▶Collocazione
| Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001D#1000/1551#7149* | |
| Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(D)1000/1551 248 | |
| Titolo dossier | Verrechnungsabkommen mit Deutschland II (1938–1939) | |
| Riferimento archivio | C.44.11 • Componente aggiuntiva: Deutschland |
dodis.ch/46576
Letzten Samstag Mittag ist es leider zum Abbruch der Verhandlungen mit Deutschland gekommen. Dieses Ergebnis musste vorausgesehen werden für den Fall, dass sich die deutsche Seite weigerte, ihrerseits bei der neuen, durch sie selbst geschaffenen Situation auch ein Entgegenkommen zu zeigen insbesondere in Gestalt der schweizerischerseits verlangten Heranziehung der sogenannten freien Reichsbankquote, die im bisherigen Abkommen mit 17% des nach Abzug der monatlichen Quote für den Fremdenverkehr im Betrage von 3*/2 Millionen Fr. verbleibenden Clearing-Ergebnisses figuriert, an welchem im weitern der Warenverkehr mit 53%, die sogennanten Nebenkosten im Warenverkehr mit 10% und der Transferfonds mit 20% beteiligt sind.
Schweizerischerseits musste man einsehen, dass man sich der Einbeziehung unserer Forderungen an Österreich in das deutsch-schweizerische Verrechnungs- und Transferabkommen mit Erfolg nicht widersetzen konnte; dass bei einer solchen prinzipiellen Gleichschaltung der österreichischen Verpflichtungen mit den deutschen für eine Sonderbehandlung der ersteren inbezug auf das Transfer-Ergebnis ebenfalls kein Raum mehr blieb, lag alsdann auf der Hand. Um diesen Einbau der österreichischen Guthaben in das Transferabkommen, d. h. zulasten der dem Transferfonds zu Verfügung stehenden Mittel zu ermöglichen, musste man sich schweizerischerseits mit einer abermaligen Verschlechterung der Stellung der Finanzgläubiger, d.h. mit einer neuen Reduktion des Transfers einverstanden erklären. Mit der akzeptierten Reduktion des Transfersatzes auf 31/4% und Berücksichtigung der auf Mark lautenden Forderungen unter Zugrundelegung der alten Parität (100 Mk= 123.50) ergibt sich ein Transferergebnis von durchschnittlich 2,78% statt bisher 3,11%. Das bedeutet für die Finanzgläubiger von Forderungen aus Deutschland eine neue jährliche Zinseinbusse von rund 7 Millionen Franken, was auch in der Bewertung des Kapitals von zurzeit noch rund 2 Milliarden Fr. eine entsprechende Rückwirkung mit sich bringt. Durch die Einbeziehung der Forderungen aus Österreich, die bis zum Anschluss 100%ig verzinst wurden, in das Transferabkommen, ergibt sich auf dem bisherigen vertraglichen Zinsanspruch von 19 Millionen pro Jahr ein Opfer in der Höhe von rund 12 Millionen Franken. Aber auch das 400 Millionen Fr. um etwas übersteigende Kapital dieser Forderungen auf Österreich, das nun den Devisen- und Moratoriumsbestimmungen unterliegt und sich in Sperrmark-Forderungen verwandelt hat, erleidet eine sofortige Verminderung um 80°7o, d.h. um rund 320 Millionen.
Der Reiseverkehr berechnete eine jährliche Alimentierung aus Österreich auf Grund des schweizerisch-österreichischen Reiseabkommens im Betrag von rund 6 Millionen Fr. Das würde beim Einbau dieses Interessenkomplexes in das deutsch-schweizerische Verrechnungsabkommen eine Erhöhung der monatlichen privilegierten Clearingquote für den Reiseverkehr um eine halbe Million bedeutet haben; statt dessen erklärten sich schliesslich die Deutschen unter gewissen Bedingungen mit einer Erhöhung dieses Monatskontingents um den Betrag von 300000 Fr. einverstanden. Also auch hier ein weiteres Opfer der Schweiz gegenüber dem Status quo.
Was den Warenverkehr anbelangt, so wurde schweizerischerseits die Aufrechterhaltung des Status quo sowohl inbezug auf den Verkehr mit Österreich wie mit Deutschland verlangt, da dies für das weitere Funktionieren des Verrechnungsverkehrs die unerlässliche Voraussetzung ist und es anderseits die Deutschen mit ihrer straff dirigierten Wirtschaft in der Hand haben, ihren Export nach der Schweiz durch Anwendung ihres Exportförderungsverfahrens auf einer bestimmten Höhe zu halten. Deutscherseits erklärte man sich bereit, für eine Übergangszeit - zunächst bis Jahresende - den schweizerisch-österreichischen Warenverkehr auf einer Höhe von 100 °/o der schweizerischen Einfuhr nach Österreich aufrecht zu erhalten, wobei aber gleichzeitig das schweizerische Begehren betreffend Aufrechterhaltung des österreichischen Holzexports nach der Schweiz (welcher Artikel allein bisher nahezu 1/3 dieses Exportes ausmachte) abgelehnt hat. Die Deutschen hatten ferner vorgeschlagen, diesen deutsch-österreichischen Warenverkehr für die Dauer der genannten Übergangszeit über ein besonderes Clearingkonto zu leiten und dann nach Beendigung dieser Übergangsperiode in das jetzt um 1 Jahr zu verlängernde deutschschweizerische Verrechnungsabkommen einzubauen und einen dannzumal bestehenden schweizerischerseits mit Bestimmtheit vorauszusehenden Defizitsaldo einfach zulasten des deutsch-schweizerischen Clearings zu übernehmen, wodurch die sogenannten Rückstände im Waren-Zahlungsverkehr eine entsprechende Erhöhung erfahren würden.
Im Hinblick auf die im Ungewissen liegende weitere Entwicklung des Warenverkehrs mit dem Land Österreich einerseits und der neuen Belastung des schweizerisch-deutschen Verrechnungsverkehrs durch Einbau der österreichischen Belange im Reiseverkehr und Transfer und den schweizerischerseits zugestandenen, bereits genannten neuen schweren Opfern hielt sich unsere Delegation für berechtigt, auch von der Gegenpartei ein Entgegenkommen zu verlangen und zwar in dem Sinne, dass die freie Reichsbankquote, die in ihrer jetzigen Höhe bei den veränderten Verhältnissen nicht mehr gerechtfertigt ist, nötigenfalls zum funktioneilen Ausgleich im Warenimport aus Deutschland, der ja den ganzen Verrechnungsverkehr zu tragen hat, herangezogen werde. Die Deutschen hätten es in der Hand, den Warenexport nach der Schweiz nach Bedarf zu erhöhen oder zum mindesten auf der Höhe des Status quo zu erhalten; sollte dies vorübergehend oder in einzelnen, besonders saisonbedingten Monaten vielleicht nicht möglich sein, so wären alsdann die nötigen Überträge von der freien Reichsbankquote auf die betreffenden Waren- und Transferkonti vorzunehmen, aber erst dann, wenn die Rückstände eine zu vereinbarende maximale Limite überschreiten sollten und nur soweit, als es für das Zurückführen dieser Rückstände auf die genannte Limite erforderlich wäre. Dieses Begehren auf Heranziehung der Reichsbankquote liess sich damit wohl begründen, dass die Leistungen, die Deutschland aus dieser Reichsbankquote zu erfüllen hat und die seinerzeit bei Bemessung ihrer Höhe mit in Betracht gezogen wurden, im Laufe der Zeit stark zurückgegangen sind. So sind die Aufwendungen für die Überweisung der Stillhaltezinsen bereits jetzt auf monatlich rund 1 Million zurückgegangen und werden im Durchschnitt dieses Jahres einen Monatsbetrag von voraussichtlich 0,8-0,9 Millionen Franken erreichen (gegenüber 2,8 Millionen für das Jahr 1935, 2,1 Millionen für 1936 und 1,41 für 1937). Auch die in der Reichsbankspitze enthaltene sogen. Rohstoffquote ist im Hinblick auf die bereits in unserem letzten Schreiben erwähnte Verschiebung im Warenverkehr in ihrer jetzigen Höhe keineswegs mehr berechtigt.
Nachdem jedoch die Deutschen ein derartiges, ihnen zugemutetes Entgegenkommen ablehnten, kam es zum Abbruch der Verhandlungen, wobei der deutsche Delegationschef es nicht unterliess, im Sinne einer gewissen Drohung beizufügen, dass er jederzeit bereit sei, nicht etwa weiter zu verhandeln, sondern ein Abkommen auf der deutscherseits als Bedingung für eine Fortsetzung des gegenseitigen vertraglichen Verkehrs genannten Grundlage zu unterzeichnen. Sollte es nicht dazu kommen, so werde Deutschland zur autonomen Regelung all dieser Fragen schreiten, wobei für die Schweiz gewisse Nachteile in Kauf genommen werden müssten wie beispielsweise im Finanztransfer, für den natürlich dann die Grundlage fehle, usw. Falls es dann später wieder zu neuen Verhandlungen kommen sollte, so werde dies natürlich auf einer ganz ändern Grundlage geschehen müssen, wobei u.a. dem Umstand Rechnung getragen werde, dass Deutschland bisher im Interesse der Aufrechterhaltung des jetzigen Systems eine Reihe von Fertigfabrikaten aus der Schweiz bezogen habe, für die seinerseits eigentlich gar kein Interesse vorhanden sei und die es sich selber beschaffen könne, usw.
Der Ausgang dieser Verhandlungen ist sehr zu bedauern; er ist in der Hauptsache auf die von Deutschen eingenommene intransigente Haltung, die der Schweizerseite alle Opfer zumutete und ihrerseits jegliches Entgegenkommen ablehnte, zurückzuführen, sowie zum Teil auch auf die vom Vorsitzenden der deutschen Delegation befolgte ungewohnte Verhandlungsweise, die nicht durchwegs als eine faire bezeichnet werden kann. Es wird sich nun in den nächsten Tagen zeigen müssen, ob deutscherseits doch noch eine Bereitschaft zur Wideraufnahme bzw. Fortführung der Verhandlungen, trotz der Erklärung des deutschen Verhandlungschef, vorhanden ist. In dieser Beziehung dürfte der Verlauf der heute in Paris beginnenden deutsch-französischen Verhandlungen sowie der kürzlich ebenfalls unterbrochenen englisch-deutschen Verhandlungen u.U. nicht ohne Rückwirkungen bleiben. Es dürfte jedenfalls für die Schweiz geboten sein, diese Verhandlungen mit aller Aufmerksamkeit zu verfolgen und womöglich Kontakt mit jenen ändern ausländischen Vertragspartnern Deutschlands zu nehmen. Es darf natürlich nicht übersehen werden, dass bei der Situation, in der wir uns Deutschland gegenüber befinden, selbst ein schlechtes Abkommen einem vertragslosen Zustand vorzuziehen ist und besser wäre als eine autonome deutsche Regelung, die ausschliesslich die deutschen Interessen berücksichtigen würde.
Sollte es jedoch, was wir nicht hoffen wollen, schlimmstenfalls zu keiner vertraglichen Verständigung mit Deutschland und zu einer autonomen deutschen Regelung unserer Wirtschaftsbeziehungen zu jenem Lande kommen, so müssten natürlich auch schweizerischerseits rechtszeitig die gebotenen autonomen Massnahmen in Erwägung gezogen und so vorbereitet werden, dass sie gegebenenfalls auf 1. Juli in Kraft gesetzt werden könnten.
Bei der geschilderten Entwicklung der Dinge bestand keine Möglichkeit, wegen der künftigen Behandlung der schweizerischen Bundes-Darlehen und -Vorschüsse an das bisherige Land Österreich zu verhandeln. Bei den ersten Verhandlungen in Berlin wurde die Frage auf deutschen Wunsch hin vorläufig zurückgestellt und besonderen Verhandlungen Vorbehalten. In Bern erklärte dann der deutsche Delegationsführer, dass die vorläufige Zurückstellung dieser Frage nicht etwa deshalb erfolgt sei, weil hier eine Sonderregelung, beispielsweise auf internationalem Boden beabsichtigt sei, sondern es müssten diese Forderungen in gleicher Weise wie alle übrigen Forderungen schweizerischer Gläubiger an Österreich in das schweizerisch-deutsche Transferabkommen einbezogen und auf genau derselben Transfergrundlage wie die übrigen Verpflichtungen behandelt werden. Gegenüber dieser Auffassung machte die schweizerische Delegation sofort ihre Vorbehalte und erklärte, dass hier eine Sonderregelung Platz greifen müsse. Zu eigentlichen Verhandlungen hierüber ist es dann aber nicht mehr gekommen.
Was speziell die Frage der Behandlung unserer Grenzbanken anbetrifft, so war das mit dem deutschen Delegationsführer grundsätzlich vereinbarte Kompensationsverfahren vom Zustandekommen einer Verständigung über die allgemeine Transferfrage abhängig gemacht worden. Von einer solchen Verständigung, die im Prinzip wohl erfolgt war, kann nun aber, nachdem eine Einigung der Parteien nicht erfolgte und die Verhandlungen abgebrochen sind, wohl kaum gesprochen werden, und es erklärte denn auch der deutsche Verhandlungsführer nach Abschluss der Verhandlungen dem Zweitunterzeichneten, dass nun auch die Grenzbanken-Angelegenheit nicht weiter verfolgt werden könne. Gerade hier stellt sich nun aber in erster Linie die Frage nach einer einseitigen vorsorglichen Massnahme, denn es ist zu befürchten, dass der Rückzug österreichischer Guthaben bei den in Betracht kommenden Instituten andauert, um sich möglicherweise nach Abbruch der Verhandlungen noch zu verschärfen. Über die Stimmung im St. Galler Rheintal haben wir Sie durch Übermittlung von uns zugekommenen Zuschriften (s. Beilagen zu unserem Schreiben vom 1. dies) erst kürzlich unterrichtet. Wir legen dem Gegenwärtigen Abschrift eines weiteren Schreibens des Herrn Nationalrat Dr. L. Rittmeyer, St. Gallen, d.d. 3. dies bei und möchten neuerdings die bereits in unseren früheren Schreiben vom 17./31. März und 23. April a.c.3 gestellte Frage aufwerfen, ob der Bundesrat es nicht für geboten erachtet, nunmehr einen Beschluss zu fassen, durch welchen den in Betracht fallenden Grenzbanken die Auszahlung österreichischer Guthaben bis auf weiteres, d. h. im Hinblick auf das anzustrebende Kompensationsverfahren untersagt wird. Damit könnte auch denjenigen Instituten, die sozusagen keine Guthaben in Österreich besitzen, bei denen aber beträchtliche österreichische Guthaben liegen (wie beispielsweise die St. Gallische Kantonalbank), eine rechtliche Grundlage zur Ablehnung der österreichischen Rückzahlungsbegehren gegeben werden. (Wir verweisen auch in dieser Beziehung auf die in Kopie heiligenden Zuschriften einiger Grenzbanken.) Die Situation einiger besonders betroffener Grenzbanken ist bekanntlich so, dass ihnen in irgend einer Weise Hilfe zu teil werden muss. Die in Aussicht genommene Kompensation wäre wohl die zweckmässigte und bequemste Lösung, und wir nehmen an, es sei dieselbe unter allen Umstände weiter zu verfolgen, selbst wenn eine Verlängerung des schweizerisch-deutsch Verrechnungsabkommens scheitern sollte. Nachdem man deutscherseits wiederholt mit einer autonomen Regelung des Wirtschaftsverkehr mit unserem Lande gedroht hat, dürften nun vielleicht auch schweizerischerseits gewisse Bedenken gegen eine autonome vorsorgliche Massnahme in der Grenzbankenfrage zur Sicherstellung des vorgesehenen Ausgleichsverfahrens zurückgestellt werden. Wir möchten Ihnen daher unserseits empfehlen, einen solchen vorsorglichen Beschluss zu fassen. Da er sich nur auf einen eng beschränkten Kreis bezieht, könnte u.E. wohl auf seine Veröffentlichung verzichtet werden und es dürfte dessen Bekanntgabe an die betreffenden Institute, sei es durch die Bundeskanzlei, sei es in Ihrem Auftrag durch uns, genügen. Die rechtliche Grundlage zum Erlass eines solchen Beschlusses dürfte durch den Bundesbeschluss über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland (vom 14. Oktober 1933), dessen Gültigkeit bis Ende 1939 verlängert ist, gegeben sein. Wir werden uns gestatten, Ihren den Entwurf zu einem solchen Bundesratsbeschluss zur gutfindenden Verwendung mit einem Nächsten zuzustellen.
- 1
- Cette lettre est signée par G. Bachmann et M. Schwab.↩
- 2
- Lettre: E 2001 (D) 1/248.↩
- 3
- Non reproduites.↩


