Language: German
18.3.1938 (Friday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 18.3.1938
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Désir de la Légation d’Allemagne de créer un nouveau journal pour sa colonie. Considérations sur l’ancien journal, Der Reichsdeutsche, interdit par rétorsion, et son successeur, le Deutsches Nachrichtenblatt, simple feuille d’information. La situation de la presse suisse en Allemagne. Décision de lever l’interdiction frappant la publication d’un journal pour la colonie allemande, afin de créer un climat favorable au règlement des problèmes de la presse suisse en Allemagne.

Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.2 ALLEMAGNE. AFFAIRES DE PRESSE
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Printed in

Oscar Gauye (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 237

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Bern 1994

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dodis.ch/46497
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 18 mars 19381

456. Herausgabe einer deutschen Koloniezeitung in der Schweiz

I.

Mit Beschluss vom 2. Juni [! 19352 hatte der Bundesrat auf Antrag des Politischen Departements als Retorsionsmassnahme gegen deutsche Zeitungsverbote die in Zürich erscheinende Zeitung der deutschen Kolonie «Der Reichsdeutsche» verboten. Diese Massnahme wurde getroffen nicht deshalb, weil die Schreibweise der genannten Zeitung zu ernstlichen Beanstandungen Anlass gegeben hätte, sondern weil es angezeigt erschien, die deutschen Verbotsmassnahmen nicht unbeantwortet hinzunehmen.

Da bei der grossen deutschen Kolonie in der Schweiz ein Bedürfnis bestand, ein eigenes Zeitungsorgan zu besitzen, gelangte letztes Jahr die Deutsche Gesandtschaft in Bern an das Politische Departement mit dem Ersuchen, ein Deutsches Nachrichtenblatt herausgeben zu dürfen. Da es sich dabei nicht um eine eigentliche Zeitung handelte, die öffentlich zum Verkauf gelangte, war das Politische Departement der Auffassung, dass dieses Nachrichtenblatt nicht als Ersatz des «Reichsdeutschen» zu betrachten sei, und dass daher das Verbot des Bundesrates auf dieses Nachrichtenblatt keine Anwendung finde. Auch mit Rücksicht darauf, dass die Schweizervereine in Deutschland Nachrichtenblätter herausgeben, wurde der Deutschen Gesandtschaft eine zustimmende Antwort erteilt.

Schriftleiter des Deutschen Nachrichtenblattes war Herr Ahrens in Luzern, der Leiter der dortigen Ortsgruppe der NSDAP. Die Schreibweise des Blattes, das unter der Aufsicht der Deutschen Gesandtschaft stand, gab im allgemeinen zu keinen Bemerkungen Anlass. In der Märznummer des Blattes ist allerdings ein Artikel über die deutsch-schweizerische Presse-Frage erschienen im Hinblick auf die Ausführungen des deutschen Reichskanzlers in seiner Reichstagsrede vom 20. Februar. Obwohl diese Ausführungen jedenfalls vom Standpunkt der schweizerischen Presse-Verordnung zu keinen Aussetzungen Anlass geben, wäre es besser gewesen, wenn dieser Artikel, der immerhin eine Polemik gegenüber einem Teil der Schweizerpresse enthielt, unterblieben wäre. Die Deutsche Gesandtschaft hat denn auch mitgeteilt, dass sie sich von diesem Artikel, der von Ahrens verfasst worden sei, distanziere, und dass sie dem Schriftleiter die Weisung erteilt habe, sich mit dieser Frage nicht mehr zu befassen. Zur Entschuldigung für Ahrens führte die Gesandtschaft an, dass der Genannte, dessen Beruf Photograph ist, durch die gegen ihn betriebene Hetze seine wirtschaftliche Existenz verloren habe, und dass diese Hetze beim letzten Luzerner Fastnachtsumzug gehässige Formen angenommen habe. Ahrens, der über 20 Jahre in Luzern gewohnt hat und mit einer Schweizerin verheiratet sei, werde demnächst nach Deutschland zurückkehren müssen. Der erwähnte Artikel im Nachrichtenblatt sei daher auf ein begreifliches Ressentiment beim Schriftleiter zurückzuführen.

Die Schwierigkeiten, die sich in finanzieller und personeller Hinsicht beim Deutschen Nachrichtenblatt ergeben haben, veranlassten die Deutsche Gesandtschaft in Bern, die Frage zu prüfen, ob nicht ein neues Kolonieblatt gegründet werden könnte. Die Gesandtschaft hat nun dem Politischen Departement den Vorschlag gemacht, eine Deutsche Zeitung in der Schweiz zu gründen nach dem Vorbild der bereits bestehenden Deutschen Zeitung in Grossbritannien und der Deutschen Zeitung in Frankreich. Beabsichtigt sei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach schweizerischem Recht ins Leben zu rufen mit Sitz in Bern, die die Zeitung herausgeben würde. Die Zeitung würde in Bern redigiert und in Deutschland gedruckt. Sie würde wöchentlich erscheinen. Die Zeitung hätte als Nachrichtenblatt der reichsdeutschen Kolonie in der Schweiz zu dienen. Ihr Zweck wäre ferner die Erhaltung des gegenseitigen Verhältnisses zwischen Deutschland und der Schweiz; sie hätte sich jeder Polemik gegenüber der Schweiz zu enthalten.

Die Deutsche Gesandtschaft richtete nun die Anfrage an das Politische Departement, ob mit Rücksicht auf das Verbot des «Reichsdeutschen» Einwendungen gegen diese Gründe erhoben werden.

An sich mag es durchaus verständlich erscheinen, dass die deutschen Kolonie-Vereinigungen in der Schweiz den Wunsch haben, ein eigenes Zeitungsorgan zu besitzen. Die italienische Kolonie hat ebenfalls eine solche Zeitung, nämlich die «Squilla Italica», deren Schreibweise seit längerer Zeit zu keinen Anständen mehr geführt hat. Wie bereits erwähnt, haben auch die deutschen Kolonien in Frankreich und England eine solche Zeitung, die nun als Vorbild für die Zeitungsgründung in der Schweiz bezeichnet worden ist. Nachdem die Deutsche Gesandtschaft erklärt, dass die Zeitung sich jeder Polemik gegen die Schweiz enthalten wird, ist an sich gegen die Herausgabe der in Frage stehenden Koloniezeitung nichts einzuwenden.

Es bleibt somit die Frage, ob wegen des Verbotes des «Reichsdeutschen» auf das Gesuch nicht eingetreten werden kann. Zweifellos bedeutet die neue Zeitung einen Ersatz des verbotenen «Reichsdeutschen». Damit dem Gesuch der Deutschen Gesandtschaft entsprochen werden kann, ist es daher erforderlich, dass der Bundesrat ausdrücklich seine Zustimmung zur Herausgabe der neuen Zeitung gibt.

Da der «Reichsdeutsche» wegen der deutschen Verbotsmassnahmen sein Erscheinen einzustellen hatte, wäre es naheliegend, von Deutschland zu verlangen, dass auch eine Schweizerzeitung wieder in Deutschland zugelassen wird. Es bestünden nun aber gewisse Bedenken, ein solches Begehren zu stellen. Würde man nur für eine der grossen bürgerlichen Schweizerzeitungen, die in Deutschland verboten sind, Schritte unternehmen, so würden sich die ändern mit einem gewissen Recht benachteiligt fühlen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die so bevorzugte Schweizerzeitung keinen Wert auf diese Privilegierung legt, weil dies in ihrem Leserkreis unrichtig ausgelegt werden könnte. Richtigerweise wird man darnach trachten müssen, zur gegebenen Zeit eine mehr oder weniger generelle Aufhebung der Verbote gegenüber den grossen bürgerlichen Zeitungen zu erreichen. Die Voraussetzungen für ein solches Begehren werden dann vorhanden sein, wenn die betreffenden Redaktionen zur Überzeugung gelangt sind, dass ihre Zeitungen sich den deutschen Verhältnissen gegenüber objektiv und nicht feindlich einstellen dürfen. Die Nachteile und Gefahren, die für die schweizerischen Interessen bestehen, wenn in der bisherigen Weise über Deutschland und Italien geschrieben wird, dürften zu offensichtlich sein, als dass man nicht mit einer baldigen Einsicht der in Frage stehenden Zeitungen rechnen könnte. Die Äusserungen des Präsidenten des Vereins der Schweizerischen Zeitungs-Verleger, Herrn Rietmann, in dem Januar-Bulletin des Vereins lassen erkennen, dass an entscheidender Stelle diese Einsicht bereits vorhanden ist. Auch die Resolution des Schweizerischen Presse-Verbandes, die kürzlich als Antwort auf die Angriffe der «Berliner Börsen-Zeitung» einstimmig gefasst worden ist, zeigt, dass auch die Redaktoren Verständnis für die Aufgaben einer verantwortungsbewussten Schweizerpresse haben. Wie vertraulich von der Chefredaktion der «Neuen Zürcher Zeitung» dem Politischen Departement mitgeteilt worden ist, besteht auch die Absicht, den derzeitigen Korrespondenten dieses Blattes, Herrn Caratsch, der durch seine unfreundliche Berichterstattung zu Beschwerden Anlass gegeben hat, zu ersetzen3. Man wird also erwarten können, dass in absehbarer Zeit die Voraussetzungen vorliegen, um eine generelle Aufhebung der Zeitungsverbote zu verlangen.

Diese Bestrebungen könnten aber dadurch beeinträchtigt werden, wenn von deutscher Seite weiter ähnliche Angriffe gegen die Schweizerpresse erfolgten, wie sie in dem bekannten Artikel der «Berliner Börsen-Zeitung» enthalten waren. Bekanntlich hat die «Berliner Börsen-Zeitung» nachträglich ihre Ausführungen abgeschwächt und insbesondere klargestellt, dass es nicht ihre Absicht gewesen sei, die schweizerische Neutralität und die Erklärungen des Reichskanzlers an alt Bundesrat Schulthess in Frage zu stellen. Die Deutsche Gesandtschaft teilte dem Politischen Departement mit, dass diese Abschwächung auf ihr Einschreiten zurückzuführen sei, was ihr auch dadurch erleichtert worden sei, weil der Artikel keineswegs auf Weisung einer amtlichen Stelle geschrieben wurde.

Nun hat allerdings der deutsche Reichskanzler in seiner Rede vom 20. Februar betont, dass in Zukunft ausländische Presseangriffe energisch von der deutschen Presse beantwortet würden. Im gleichen Sinne hat sich der Reichspressechef, Dr. Dietrich, in einer Rede, die er am Empfangsabend des Reichsleiters Rosenberg am 6. März gehalten hat, vernehmen lassen. Da von italienischer Seite ähnliche Abwehrmassnahmen angekündigt worden sind, und die erwähnten Angriffe der «Berliner Börsen-Zeitung» auch von der italienischen Presse sekundiert wurden, musste man damit rechnen, dass sowohl von Deutschland wie Italien in Zukunft reagiert würde. Infolgedessen lag es nahe, der Deutschen Gesandtschaft zu erklären, dass dem Bundesrat nur dann beantragt werden könne, die Herausgabe einer deutschen Koloniezeitung zu gestatten, wenn Gewähr dafür bestehe, dass nicht durch eine unerwünschte Zeitungspolemik die Bemühungen des Politischen Departements, zu einer Entspannung der Pressebeziehungen zu gelangen, gestört würden.

Die Deutsche Gesandtschaft war nun in der Lage, im Auftrag des Reichspressechefs, Herrn Dr. Dietrich, mitzuteilen, dass man deutscherseits die Zulassung einer deutschen Koloniezeitung als schweizerischen Beitrag zur Entspannung des Zeitungskonfliktes lebhaft begrüssen würde, und dass auch die Deutsche Regierung sich dafür einsetzen werde, dass diese Bemühungen nicht durch unfreundliche Artikel in der deutschen Presse gestört würden.

Auf Grund dieser Erklärung stellt das Politische Departement den Antrag und der Bundesrat beschliesst:

Das Politische Departement wird ermächtigt, der Deutschen Gesandtschaft mitzuteilen, dass gegen die Herausgabe einer Deutschen Zeitung in der Schweiz keine Einwendungen erhoben würden.

1
E 1004.1 1/371.
2
Cette décision est en réalité du 2 juillet 1935, cf. E 1004.1 1/353, No 1194, reproduite in DDS, vol. 11, doc. 131, dodis.ch/46052. Pour de plus amples informations sur cette question d’un journal pour la colonie allemande, cf. E 2001 (D) 2/8.
3
Cf. No 225, annexe.