Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 11, Dok. 260
volume linkBern 1989
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001D#1000/1551#232* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(D)1000/1551 9 | |
Dossiertitel | Allgemeine, Korrespondenz (A Prato) (1933–1936) | |
Aktenzeichen Archiv | A.15.47.11 |
dodis.ch/46181 Le Chef du Département politique, G. Motta, au Chef du Département de Justice et Police, J. Baumann1
Mit Schreiben vom 31. v.M.2 geben Sie uns Kenntnis von einem Bericht der Schweizerischen Bundesanwaltschaft3 über den Fall des italienischen politischen Flüchtlings A Prato in Genf. Sie ersuchen uns um Bekanntgabe unserer allfälligen Bemerkungen.
[...]4
Demnach vertritt die Bundesanwaltschaft die Auffassung, dass ein politischer Flüchtling auf unserem Boden sein Land und dessen Regime journalistisch bekämpfen dürfe vorausgesetzt, dass er dabei die Grenzen der schweizerischen Pressefreiheit einhält.
Gegen eine solche Handhabung des Asylrechtes glauben wir die grössten Bedenken geltend machen zu müssen. Sie könnte leicht unser Land zu einem Eldorado für Emigrantenblätter und Emigrantenjournalisten machen, ohne Nutzen für uns, aber mit dem Nachteil ständiger Zwischenfälle mit unsern Nachbarstaaten. Bei der gespannten politischen Lage in Europa hat die Schweiz alles Interesse eine solche Entwicklung zu verhindern.
Dass der politische Flüchtling sich jeder politischen Betätigung enthalten soll, ist unbestritten. Ebenso ist es zweifellos, dass die Beeinflussung der öffentlichen Meinung in politischen Fragen auch dann, wenn dies durch die Presse geschieht, eine politische Betätigung darstellt. Wer daher die Vorteile des Asylrechts gemessen will, der soll sich auch jeder journalistischen Tätigkeit die sich gegen sein Land richtet und der Schweiz Schwierigkeiten bereitet enthalten.
Diese Beschränkung der journalistischen Betätigung des politischen Flüchtlings ist keineswegs im Widerspruch mit dem Grundsatz der schweizerischen Pressefreiheit. Die Voraussetzungen des Asylrechts, nämlich keine unerlaubte politische Tätigkeit auszuüben, gehen der Pressefreiheit vor. Wenn die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes es gestatten, einem Ausländer die journalistische Betätigung zu verbieten, so ist nicht einzusehen, weshalb es nicht möglich sein sollte, wegen der aussenpolitischen Interessen diese Betätigung gegenüber dem politischen Flüchtling einzuschränken.
Die Tatsache, dass der politische Flüchtling als Journalist beim Völkerbund zugelassen ist, kann an diesen Verhaltensmassregeln nichts ändern. Die Zulassung darf nicht dazu führen die richtige Handhabung des Asylrechtes zu verunmöglichen. Die Schweiz hat auch als Völkerbundsmitglied kein Interesse, dass die Genfer Institution für fremde innerpolitische Kämpfe missbraucht wird.
Wir müssen daher daran festhalten, dass die journalistische Betätigung von A Prato gegen Italien mit den Voraussetzungen des Asylrechtes unvereinbar ist. Immerhin kann ihm zugute gehalten werden, dass das Verbot einer solchen Betätigung ihm nie ausdrücklich zur Kenntnis gebracht worden ist. Es wäre daher kaum angezeigt die Ausweisung ohne vorherige Verwarnung zu beschliessen. Man darf wohl auch berücksichtigen, dass A Prato durch Abstammung und durch langen Aufenthalt in der Schweiz mit unseren Verhältnissen bis zu einem gewissen Grade verwachsen ist und dass es daher eine unbillige Härte wäre von der üblichen Verwarnung abzusehen. Nachdem auch anders eingestellte italienische Journalisten die Pflichten gegenüber dem Gastland nicht beachtet haben, wäre es wenig angebracht gegen A Prato sofort mit voller Strenge vorzugehen.
Wir sind daher der Ansicht, dass der Genannte verwarnt und dass ihm die Ausweisung gemäss Artikel 70 der Bundesverfassung angedroht wird, für den Fall, dass er seine journalistische Betätigung gegen Italien fortsetzen sollte. Gegen eine Verlängerung der Toleranzbewilligung unter der üblichen Bedingung des Verbotes jeder unerlaubten politischen Betätigung haben wir keine Einwendung zu erheben.
Tags
Italien (Andere)
A Prato-Affäre (1934–1938)