Également: Contrairement au Procureur de la Confédération, Motta n’est pas favorable à une modification de la ligne de conduite adoptée jusqu’ici vis-à-vis des organisations nationales-socialistes allemandes en Suisse. Il faut s’abstenir de toute mesure qui pourrait faire douter de leur caractère absolument privé. Annexe de 7.2.1936 (CH-BAR#E2001C#1000/1534#1875*).
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 11, Dok. 209
volume linkBern 1989
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E4001B#1970/187#69* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 4001(B)1970/187 3 | |
Dossiertitel | Motionen Henggeler und Tobler im Kantonsrat Zürich betr. Verbot staatsgefährdender Organisationen (1936–1936) | |
Aktenzeichen Archiv | 023 |
dodis.ch/46130 Le Procureur de la Confédération, F. Stämpfli, au Chef du Département de Justice et Police, J. Baumann1
Wir kommen noch einmal auf unsere Stellungnahme zur Frage betr. Weiterzulassung einer Landesleitung der NSDAP in der Schweiz zurück2 und unterbreiten Ihnen folgende zusammenfassende Gedanken:
1. Die öffentliche Meinung diskutiert z. Zeit die grundsätzliche Frage der Zulassung ausländischer politischer Vereinigungen in der Schweiz, der NSDAP im besondern, sowie der Zulassung einer «Parteigesandtschaft». Wir glauben feststellen zu können, dass die Zulassung einer Parteigesandtschaft mit überwiegender Mehrheit abgelehntwird. Im «Bund» wird zudem das grundsätzliche Verbot ausländischer politischer Vereinigungen gefordert.
2. Nachdem die Trauerfeierlichkeiten für Gustloff in Deutschland3 offenbart haben, welchen hervorragenden politischen Charakter die nationalsozialistische Bewegung und mit ihr die Regierung einem Landesgruppenleiter im Ausland beimisst, ist für uns eine neue Lage geschaffen, die uns veranlasst, unsere bisherige Einstellung in dieser Frage zu revidieren. Der Fall Gustloff ist für uns erledigt. Nicht der Rückblick auf die Tätigkeit oder Person Gustloffs veranlasst uns zur Revision, sondern der Ausblick auf die künftige Stellung und Rolle, die der allfällige Nachfolger nach Massgabe der letzten Ereignisse einnehmen wird. Es entspricht unserer tiefen Überzeugung, dass ein Landesgruppenleiter vom Ausmass eines «Parteigesandten» nicht mehr tragbar ist. Mit dem Landesleiter ist auch eine selbständige Landes-Zentralstelle mit mehreren Beamten – Parteifunktionären – unerwünscht.
Wir vertreten daher die Auffassung, dass der Bundesrat der deutschen Gesandtschaft erklären lässt, dass ein neuer Landesleiter und die selbständige Institution einer Landes-Zentralstelle nicht zugelassen werde4.
3. In welcher Form könnte eventuell eine zentrale Geschäftsführung zugelassen werden? Wäre der Gesandte selbst ein Parteigenosse, so würde er wahrscheinlich die Leitung der Ortsgruppen übernehmen, von der Fiktion ausgehend: Ortsgruppe gleich Kolonie (wie Italien). Da der Gesandte aber nicht PG ist, besteht wohl keine Möglichkeit einer organischen Verbindung zwischen Gesandtschaft und Partei in der Form der Leitung der NS-Organisation durch die Gesandtschaft. Dagegen sprechen auch Argumente, die wir und das Politische Departement bereits geäussert haben.
Wir haben auch daran gedacht, dass eine Ortsgruppe die Geschäftsleitung übernimmt, nach unserem Sprachgebrauch gewissermassen als « Vorort», jedoch ohne eigentlichen Landesleiter. Demgegenüber ist zu sagen, dass die Nationalsozialisten gemäss ihrem Führerprinzip mit einer derartigen demokratischen, führerlosen Gestaltung sich nicht abfinden und eben einen getarnten Führer einsetzen würden, eventuell im benachbarten Grenzgebiet. Wir setzen daher Zweifel in die Zweckmässigkeit dieser Lösung. Einzig die Ablehnung einer eigenen Landesleitung ist konsequent und entspricht dem zum Ausdruck kommenden Volkswillen. Mag dann die Leitung bei der Reichsführung in Berlin sein – für uns ist damit der Charakter von Auslandsorganisationen besser gewahrt und auch der blosse Schein vermieden, dass die Schweiz eben doch als «Gau» angesehen und behandelt wird.
4. Sollen Ortsgruppen der NSDAP in der Schweiz überhaupt zugelassen werden? Zu dieser, ausschliesslich auf die deutschen Nationalsozialisten beschränkten Frage ist folgendes zu sagen:
Solange es ein nationalsozialistisches Regime in Deutschland gibt, solange werden wir Nationalsozialisten in der Schweiz haben.
Solange es Nationalsozialisten in der Schweiz gibt, werden sie sich zusammentun und organisieren, um gemäss ihrer politischen und staatlichen Anschauungen ihre Landsleute dem Regierungssystem anzuschliessen. Wir stossen hier auf das Kernproblem des Nationalsozialismus: der Nationalsozialismus will nicht politische Partei sein, sondern Volksbewegung mit Totalitätsanspruch. Dieser Totalitätsanspruch ist ein Postulat, das in Deutschland z. Zeit nicht verwirklicht ist, aber im ständigen Kampf (Propagandaministerium! ) der Verwirklichung immer näher gebracht werden soll. Daher der Dualismus von Staat und Partei. Das ist eine Tatsache, die wir nicht aus der Welt schaffen können. Aber wir müssen trachten, uns dieser Tatsache gegenüber so einzustellen, dass Gefährdungen der Sicherheit unseres Landes, Schädigungen der Integrität unseres Landes vermieden werden. Den Nationalsozialisten in unserem Lande konnte bis jetzt im allgemeinen, vom formellen Standpunkt aus, ein sicherheitsgefährdendes Verhalten – Einmischung in innerpolitische Verhältnisse, Umtriebe gegen schweizerische Institutionen oder ähnliches, wie z. B. bei den Kommunisten5 festzustellen ist – nicht vorgeworfen werden6. Dagegen musste der gewaltige Eifer in der Bearbeitung ihrer eigenen Landsleute, die Allmacht ihrer Organisation, die Zwietracht unter ihren Landsleuten der Bewegung gegenüber positiv festgestellt werden. Man kann sagen: das sind deutsche Angelegenheiten, soweit nicht die öffentliche Ruhe und Ordnung in unserem eigenen Lande gestört wird. Dieser neutralen Stellung kann entgegengehalten werden, dass wir unser Land nicht zum Kampfplatz ausländischer politischer Auseinandersetzungen werden lassen wollen. Eigentlichen Übergriffen sollen die Richtlinien7 des Justiz- & Polizeidepartementes steuern. Genügt das aber, namentlich wenn nicht eine Beruhigung und Stabilisierung der Verhältnisse unter den Deutschen in der Schweiz schon für die nächste Zukunft zu erwarten ist?
Es sind also Gründe vorhanden, die das Verbot der nationalsozialistischen Ortsgruppen rechtfertigen können. Es würde sich aber um eine politisch einseitige Massnahme handeln, um eine Augenblickslösung, die die Beziehungen zu Deutschland einseitig schwer belasten würde. Die Frage muss auf einen grundsätzlichen Boden gestellt werden.
5. Verbot der ausländischen politischen Vereinigungen überhaupt. Wir können nicht bestreiten, dass wir eine solche radikale Lösung vom Standpunkt der politischen Polizei an sich begrüssen würden. Die Formulierung dieses Verbotes müsste also allgemein sein. Ein allgemeines Verbot birgt eine gewaltige Tragweite in sich. Was ist eine ausländische politische Vereinigung? Wir haben verschiedene Internationalen: die III. kommunistische, von Moskau geleitet8; die II. sozialistische, geleitet von dem bis vor kurzem in der Schweiz geduldeten Bureau der S. A. J. (Adler)9; die Universalité di Roma, eine Art fascistische Internationale, die bereits an einem Kongress in Montreux in Erscheinung getreten ist10
; dann haben wir verschiedene nationale Minderheitsbewegungen, die sich in Genf zwecks Revision von Friedensvertragsbestimmungen eingenistet haben.
Diesen Internationalen ausländischen Ursprungs gehören nicht nur Ausländer an, sondern auch Schweizer. Die kommunistische Partei der Schweiz ist Sektion der III. Internationale, die sozialdemokratische Partei der Schweiz gehört der II. Internationale an, die Fonjallazfascisten zählen sich zur Universalité di Roma.
Ein Verbot könnte also unter Umständen auch Schweizer, ja schweizerische Parteien treffen.
Nach unserem Dafürhalten dürfte das Verbot der ausländischen politischen Vereinigungen wegen seiner grossen Tragweite nicht auf bloss administrativem Wege ausgesprochen werden. Auch die Formulierung: Verbot der politischen Vereinigung von Ausländern, womit nur die Ausländer getroffen werden sollten, lässt immer noch weite Auslegungsmöglichkeiten zu. Ausländern in der Schweiz ist die Zugehörigkeit zu politischen Vereinigungen verboten?: damit sind die politischen Vereinigungen, die im Ausland verankert sind, an sich nicht verboten und die Schweizer werden sich umso mehr in ihnen tummeln.
Will man die ausländischen politischen Vereinigungen verbieten, so muss dies auf dem Wege der Gesetzgebung erfolgen, auf Grund der Beratung im Parlament und der Volksabstimmung.
Ein administratives Verbot würde bei jeder Anwendung hart angefochten.
Um das Verbot durchzuführen, werden einschneidende polizeiliche Massnahmen gegen geheime Organisationen notwendig sein, die Auflösung einer Organisation wird starker polizeilicher Kräfte bedürfen – derartige Massnahmen und Strafsanktionen sollen in der Schweiz nur auf gesetzlicher Grundlage durchgeführt werden.
Das Volk soll dazu Stellung nehmen, ob es, event, in welchem Umfang, ein Verbot will, ob es die bisherige, auf der liberalen Gesinnung der Verfassung beruhende Freiheit den Ausländern absprechen will.
6. Der Gesetzeserlass sollte aber nicht nur die Tätigkeit fremder politischer Parteien in der Schweiz betreffen, sondern auch géwisse Lücken des Bundesstrafrechts in Bezug auf die Gefährdung der Unabhängigkeit der Schweiz ausfüllen. Ich denke dabei insbesondere an die Umtriebe Colombis, Fonjallaz11, der Schweizer Faschisten in Italien, der kommunistischen Agenten u. s. w., die von unserem veralteten Bundesstrafrecht (vgl. Art. 37)12 kaum oder nur schwer erfasst werden können. Es sollte durch zeitgemässe Straf- & Administrativbestimmungen namentlich verhindert werden können, dass Schweizer durch unwahre Darstellungen unserer wirtschaftlichen und politischen Zustände (Artikel der «Adula» und Vorträge Colombis in Italien über die Verdeutschung des Tessins), die Schweiz in irgendwelcher Weise verdächtigen, ferner dass internationale Organisationen (Universalité di Roma, kommunistische Internationale, internationale Rote Hilfe), oder ausländische Parteien, deren Ziele unseren demokratischen Einrichtungen entgegenstehen, in der Schweiz Verzweigungen haben (Unterstützung schweizerischer Parteien und Zeitungen durch ausländisches Geld). Ich denke vorab an die Aufnahme des Art. 230 Ziff. 1 des Strafgesetzentwurfes13. Im gleichen Erlasse könnten vielleicht auch die Strafbestimmungen zum Schutze der Armee aufgenommen werden (Postulat Vallotton)14.
Neben Strafvorschriften wären Administrativbestimmungen am Platze, die den Bundesrat zu eingreifenden Massnahmen ermächtigen würden (Verbot der Parteien, Zeitungen, Auslandsreisen von Schweizerbürgern etc.).
Es sind dies erst einige grundlegende Gedanken, die der weitem Überlegung und Ausführung bedürfen. Wir würden es begrüssen, wenn diese Gedanken in der grundsätzlichen Aussprache des Bundesrates auch berührt werden könnten.
- 1
- Lettre: E 4001 (B) 1970/187/3.↩
- 2
- Non retrouvé.↩
- 3
- Dans sa lettre adressée le 14 février 1936 à G. Motta, P. Dinichert s’étonne de la dimension nationale accordée aux funérailles de W. Gustloff: [...] Am Tage der Bestattung hatten auch in Berlin alle öffentlichen Gebäude die Flagge auf Halbmast gesetzt. Es mag auf den ersten Blick erstaunen, dass dem Privatmann Gustloff, auch wenn man seine Funktion als Landesgruppenleiter in Betracht zieht, solche staatlichen Ehren erwiesen wurden. Die Erklärung liegt darin, dass nach hiesiger Auffassung das Attentat nicht der Person des Ermordeten, sondern dem Nationalsozialismus als solchem galt, und da die Partei sich heute mit dem Staate identifiziert und um einen für sie Gefallenen trauerte, wurden die staatlichen Behörden, angewiesen, die Flagge aufzuziehen. Es lässt sich somit aus diesem Umstand nicht ohne Weiteres ein Rückschluss auf die Bedeutung der Funktion Gustloffs in der Schweiz ziehen. 2001 (C) 4/95.)↩
- 4
- Cf. no 210, n. 1.↩
- 5
- Cf. le Message du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale à l’appui d’un projet d’arrêté fédéral sur la protection de l’ordre public et de la sûreté publique du 7 décembre 1936, in FF 1936, III, pp. 393ss. et /’Arrêté du Conseil fédéral instituant des mesures contre les menées communistes en Suisse du 3 novembre 1936, in RO, 1936, vol. 52, pp. 843ss. Pour les projets d’arrêté et les correspondances sur ce sujet, cf. E 4001 (B) 1970/187/4.↩
- 6
- Cf. la réponse de J. Baumann à l’interpellation Canova in Procès-verbaux du Conseil national (E 1001 (C) d 1/313, pp. 366ss.).↩
- 7
- Cf. no 210, n. 3.↩
- 8
- Cf. DDS vol. 7-1, rubrique V: Le bolchévisme, le socialisme et les mouvements révolutionnaires, vol. 7-II, rubrique XII: Mouvements socialistes, révolutionnaires et contre-révolutionnaires, et vol. 9, rubrique X: Sozialistische Arbeiterinternationale et rubrique XI: Überwachung von Anarchisten.↩
- 9
- Cf. DDS vol. 7-1, rubrique V: Le bolchévisme, le socialisme et les mouvements révolutionnaires, vol. 7-II, rubrique XII: Mouvements socialistes, révolutionnaires et contre-révolutionnaires, et vol. 9, rubrique X: Sozialistische Arbeiterinternationale et rubrique XI: Überwachung von Anarchisten.↩
- 11
- Sur E. Colombi, cf. rubrique II.15.3: Italie, irrédentisme; sur A. Fonjallaz, cf. rubrique II.15.4: Italie, fascisme suisse du colonel Fonjallaz...↩
- 12
- Cf. Code pénal fédéral du 4 février 1853 in RO, 1851—1853, t. III, p. 346—347: Art. 37. Est puni de la même peine [réclusion de dix ans au moins ou même réclusion àperpétuité] tout citoyen ou habitant de la Suisse qui tente de mettre la Confédération ou une partie de son territoire au pouvoir ou dans la dépendance d’une puissance étrangère; qui cherche à en détacher un Canton en tout ou en partie; qui engage une puissance étrangère à commettre des hostilités contre la Suisse ou une partie de son territoire, ou à s’immiscer dans ses affaires intérieures d’une manière dangereuse pour elle; ou qui, après l’explosion d’une guerre, favorise intentionnellement par acte ou omission les vues de l’ennemi. Le 8 octobre 1936, l’art. 37 est modifié; cf. RO, 1937, vol. 53, pp. 37—38.↩
- 13
- Cf. no 234, n. 9.↩
- 14
- Le postulat Vallotton date du 20 décembre 1934 et va être discuté au Conseil national le 6 décembre 1936 (Procès-verbaux du Conseil national, E 1001 (C) d 1/314, pp. 259 ss.): Dans le but de réprimer les excès de certaine presse extrémiste qui outrage impunément notre armée de milices et ses cadres, incite nos soldats à l’insubordination et cherche à saper la discipline; afin de remédier à l’insuffisance de notre législation à cet égard – insuffisance que le Conseil fédéral a lui-même reconnue; le Conseil fédéral est invité à prendre, dès que possible, un arrêté fondé notamment sur les articles 2 et 102, chiffre 10, de la constitution fédérale et prévoyant la même procédure et les mêmes sanctions que l’arrêté du 26 mars 1934.↩
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Deutsches Reich (Andere)
Gustloff-Affäre (1936)