Language: German
1.4.1935 (Monday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 1 er avril 1935 (matin)
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Ultimatum du Reich qui exige une augmentation de la part mise à disposition de la Reichsbank. Divergences entre Stucki et les représentants des banques sur les mesures à prendre.

Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.1. Relations financières et commerciales
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Jean-Claude Favez et al. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 109

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Bern 1989

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dodis.ch/46030
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 1er avril 1935 (matin)1

580. Schweizerisch-deutsche Wirtschaftsbeziehungen

Die Herren Minister Stucki, Direktor der Handelsabteilung, und Professor Bachmann, Präsident des Direktoriums der Nationalbank, sind zur Berichterstattung erschienen.

Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements teilt mit, als man sich beinahe mit der deutschen Delegation in allen Teilen geeinigt hatte, habe Herr Schacht am Samstag nachmittag plötzlich erklären lassen, er verlange für die Reichsbank statt 4,1 Millionen Franken nunmehr 6,5 Millionen, ansonst der Vertrag zu kündigen sei. Da die schweizerische Delegation auf dieses Begehren nicht eintreten konnte, wurde der Vertrag gekündigt. Es ist nun zu befürchten, dass, falls die Kündigung bestehen bleibt, die Deutschen nunmehr ihr Geld aus der Schweiz zurückziehen werden. Es muss unbedingt eine Zwischenlösung gesucht und gefunden werden2.

Herr Minister Stucki teilt ergänzend mit, dass am Samstag die Arbeit in zwei Gruppen hätte abgeschlossen werden sollen. Um 10 Uhr seien die Deutschen gekommen und hätten den Entwurf zu einem Vorverträge3 gebracht, der mit den bisherigen Abmachungen übereinstimmte. Nachmittags nach 17 Uhr habe dann plötzlich der Chef der deutschen Delegation erklärt, es seien ihm bindende Instruktionen aus Berlin zugekommen, wonach alle bisherigen Abmachungen und Besprechungen hinfällig und für die Reichsbank 6,5 Millionen gefordert würden. Der Sprechende antwortete, er könne sich nicht einverstanden erklären. Die Deutschen stellten dann quasi ein Ultimatum: Entweder Annahme der Forderung auf 6,5 Millionen oder sofortige Kündigung des gegenwärtigen Abkommens4. Am Samstag abend ist dann der deutsche Geschäftsträger noch zu Herrn Stucki in die Wohnung gekommen und hat ihm versichert, die Delegation hätte noch am Donnerstag abend pleins pouvoirs erhalten zum Abschlüsse eines Abkommens auf der besprochenen Basis. Niemand hätte ahnen können, dass jetzt wieder alles umgestossen werden sollte. Herr Stucki bat den Geschäftsträger, den ausserordentlich peinlichen Eindruck dieses Verhaltens Deutschlands nach Berlin zu melden. Der Grund zu einem solchen Stellungwechsel liegt vielleicht darin, dass die Deutschen in ihren Verhandlungen mit Frankreich in letzter Stunde den Franzosen nachgeben mussten und sich jetzt offenbar umso schroffer an der Schweiz revanchieren wollen. Zudem sei Herr Schacht wohl durch die Ereignisse in Belgien5 beeinflusst worden und denke nun, wir seien nervös geworden und würden jetzt leichter nachgeben. Wie soll sich nun die Schweiz verhalten? Wir stehen vor einem brutalen Ultimatum und können jetzt den Deutschen nicht nachspringen und dürfen ihnen nicht nachgeben. Wohl möchten die Banken nun­ mehr neue Zugeständnisse machen6; das darf aber jetzt nicht geschehen. Die Schweiz darf es sich nicht gefallen lassen, dass man sie zu weitgehenden Konzessionen veranlasst und nachher trotz Einverständnisses der Delegation des Partners plötzlich alles über Bord wirft. Die deutschen Stellen werden nun offenbar die Weisung geben, es seien alle Guthaben Deutscher in der Schweiz (ca. 542 Millionen Franken), sofort tunlichst aus unserem Lande heraus zu nehmen. Wir müssen somit sofort handeln und Schutzmassnahmen treffen. Die Frage ist allerdings kompliziert, weil nicht nur Deutschland, sondern auch noch andere Länder die schweizerischen Guthaben, die bei ihnen liegen, blockierten, hingegen über die Guthaben ihrer Staatsangehörigen in der Schweiz frei verfügen können7. Wenn der Bundesrat etwas tut – und das muss er – so würde es sich nicht um die Sequestrierung fremden Privatvermögens handeln, sondern der Bundesrat würde lediglich ein beschränktes Zahlungsverbot erlassen, in dem Sinne, dass eine Zahlung nur mit Erlaubnis der Nationalbank geschehen darf. Nach einer gestrigen Erklärung der Generaldirektion der Nationalbank wäre ein solches Vorgehen technisch möglich. Hingegen bestehen Bedenken über die Rückwirkung einer solchen Massnahme in währungspolitischer Hinsicht8. Der Sprechende glaubt indessen, dass im Innern des Landes das Vertrauen in den Bundesrat gestärkt würde, wenn er sich vom Auslande nicht alles gefallen lässt und die jenseits der Grenzen liegenden schweizerischen Guthaben mit fremden Forderungen in der Schweiz zu kompensieren versucht. Eine Valuta wird nur von Innen heraus gefährdet, wenn nämlich das Vertrauen der Bevölkerung schwindet. Infolgedessen ist Herr Minister Stucki der Meinung, die Schweiz sollte die Kündigung entgegennehmen, keine Gegenvorschläge ihrerseits nach Berlin machen und den freien Zahlungsverkehr mit dem Auslande im erwähnten Sinne sofort aufheben.

Herr Professor Bachmann spricht sich ebenfalls für die Entgegennahme der Kündigung aus. Hingegen wäre nach Meinung der Banken ein Zahlungsverbot nur mit grössten Bedenken ins Auge zu fassen9. Es besteht bereits eine starke Beunruhigung wegen des Schweizerfrankens, wie das z. B. die Flucht in die Sachwerte, die Goldausfuhr und die grossen Rückzüge bei den Banken andeuten. Immerhin hat die Nationalbank bereits Entwürfe für Zahlungsverbote aufgestellt10. Doch bleibt noch die Frage zu lösen, ob ein solches Verbot nur gegenüber Deutschland erlassen werden soll. Wenn ja und wenn die ändern Länder davon ausgenommen würden, so hätte das Verbot aber nur beschränkten Wert, weil dann der Deutsche sein Geschäft über ein Drittland abwickelt. Bei näherer Überlegung des gesamten Fragenkomplexes kommt man daher notgedrungen zum Schlüsse, dass ein Zahlungsverbot allein nicht genügt, sondern auch noch der Anmeldungszwang erforderlich ist; das alles würde aber zur Bestandesaufnahme, zur Beschlagnahme, zum Bruch des Bankgeheimnisses führen. Es brächte dies eine ungeheure Unruhe, die für die Kreditwirtschaft des Landes nicht ohne schwerwiegende Folgen sein kann. Die materielle Auswirkung einer Beschlagnahme der 542 Millionen Franken deutscher Gläubiger in der Schweiz hätte keine grosse Wirkung, wenn der Kreis der Massnahmen nicht erweitert würde. Die Nationalbank ist aber auch wegen der psychologischen Wirkungen gegen ein Zahlungsverbot. Sie ist der Meinung, dass sie in nächster Zeit wahrscheinlich keine Devisenvorschriften werde erlassen müssen. Im übrigen hat das Direktorium der Bank über Nacht folgende Erklärung ausgearbeitet:

«Das Direktorium hat nach Bekanntwerden der durch Deutschland ausgesprochenen Kündigung des deutsch-schweizerischen Verrechnungsabkommens in einer gestern Sonntag Vormittag stattgefundenen Sitzung, zu der die Herren Dr. Wetter, Delegierter des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, Direktor Wittmer von der Basler Kantonalbank, Präsident des Verbandes der Kantonalbanken, Dr.Jöhr, Präsident des Komitees Deutschland der Schweizerischen Bankiervereinigung, und Direktor Jaberg als Vertreter der sogenannten Stillhaltegläubiger, zugezogen wurden, zu dieser neuen Situation, insbesondere zur Frage des von Herrn Minister Stucki angeregten Erlasses einer Zahlungssperre im Verkehr mit Deutschland Stellung genommen.

Wir nehmen ferner Bezug auf die gestern Sonntag Abend im Beisein von Herrn Minister Stucki mit den Herren Chefs des Eidg. Volkswirtschafts- und des Eidg. Finanz- und Zolldepartements stattgehabten Konferenz, in welcher wir unsern Standpunkt im Sinne eines entschiedenen Abratens vom Erlass einer solchen Zahlungssperre gegenüber Deutschland oder, um sie wirksam zu gestalten, auch gegenüber ändern Staaten dargelegt haben. Wir beehren uns, Ihnen diesen Standpunkt hiemit in Kürze wie folgt zu resümieren:

Es mag vorausgeschickt werden, dass dem Erlass der in Frage stehenden Zahlungssperre unseres Erachtens nicht die materielle Wirkung zukäme, wie sie ihr von seiten eines ihrer Befürworter scheint beigemssen zu werden; es ist nämlich kaum anzunehmen, dass bei Verzicht auf die Massnahme sofort auch in grössörem Umfange Kapital für die schweizerische Zahlungsbilanz verloren gehen würde. Vermutlich kämen die betreffenden Kapitalien wohl in Bewegung; ihre Mobilisierung und Abdisponierung kann aber nicht sofort erfolgen, da sie zum grossen Teil an voneinander abweichende kürzere oder längere Kündigungsfristen gebunden sind und auch an der Börse nicht so rasch in grossen Posten liquidiert werden können. Es ist zu erwarten, dass die Liquidation sich eher sukzessive machen würde, so dass ein plötzlicher, lawinenartig erfolgender Abzug solcher Werte daher kaum zu befürchten wäre. Dabei ist nicht zu übersehen, dass nur ein Teil dieser Deutschen gehörenden, in der Schweiz liegenden Werte bei den Devisenbehörden in Deutschland angemeldet ist, während ein anderer Teil der Unterstellung unter das sogenannte Volksverratsgesetz sich entzogen hat; nur die angemeldeten Werte stehen unter dem Druck der deutschen Behörden.

Die heutige wirtschaftliche, politische und insbesondere währungspolitische Situation erheischt den Verzicht auf die hier in Frage stehende Massnahme. Es ist davon auszugehen, dass mit dem Dahinfallen des Verrechnungsabkommens weitere Zahlungen aus Deutschland zugunsten der Stillhalte- und Finanzgläubiger in der Schweiz ausfallen werden. Die öffentliche Meinung im In- und Ausland würde das schweizerische Zahlungsverbot dahin deuten, dass zur Aufrechterhaltung der Zahlungsbilanz gegenüber Deutschland und insbesondere zum Schutze der in Deutschland engagierten Banken die Massnahme getroffen werden müsse; hat doch Dr. Schacht selbst wiederholt offiziell erklärt, dass er die weitere Bezahlung der Stillhaltezinsen gegenüber einem Staate, der den Zahlungsverkehr nach Deutschland hindern sollte, sofort einstellen würde. Für unsere Banken müssten sich aus solcher Argumentation schwere Rückwirkungen ergeben: Es ist dem Direktorium nämlich bekannt, dass bereits bei einer Reihe von Banken – und zwar nicht etwa nur bei Grossbanken, sondern auch bei Kantonalbanken und kleineren Instituten – Rückzüge eingesetzt haben. Diese Entwicklung würde sich im Zusammenhang mit der ungünstigen Haltung der Börse und dem Fallen der Bankaktienkurse, aus denen geschlossen werden muss, dass das betreffende Aktienkapital nicht mehr intakt ist, sowie in Verbindung mit den in den letzten Bankberichten erstmals ziffernmässig bekanntgegebenen beträchtlichen Engagements dieser Institute in Deutschland bald äusserst kritisch gestalten.

Durch den Erlass der in Frage stehenden Zahlungssperre und die weitern sich daran knüpfenden Massnahmen würde ferner das Publikum avisiert, dass die Lage einzelner Bankinstitute eine kritische geworden ist11; das könnte aber, zufolge einer bereits bestehenden gewissen allgemeinen Beunruhigung leicht auch weitere Banken in Mitleidenschaft ziehen, wie die Beispiele von Nordamerika und Belgien zeigen, und die letzten Konsequenzen drastisch erkennen lassen: rasch zunehmende Beanspruchung der Notenbank, wodurch sie zur Erhöhung des Satzes gezwungen wird trotz unerwünschter Rückwirkung auf die allgemeine Zinsgestaltung, schliesslich Erschöpfen des Notenbankkredites.... Im jüngsten Beispiel Belgiens hat sich dann der Staat der Situation nicht mehr anders zu helfen gewusst, als durch Übernahme der Staatsgarantie für die Depots bei den Banken, dies trotz der seinerzeit in Österreich und Deutschland mit solchen Massnahmen gemachten schlimmen Erfahrungen.

So ist denn auch Belgien zur Preisgabe der Parität seiner Währung nicht zum geringsten Teil durch die Situation seiner Banken gezwungen worden, nachdem diese einmal in eine solche Entwicklung gekommen waren.

Die Rückwirkungen einer solchen Zahlungssperre auf die Währung ergeben sich noch unmittelbarer aus dem Umstand, als man von aussen her eine solche Massnahme schwerlich anders ansehen würde als einen im Interesse der Währung vorgenommenen Eingriff in den freien Zahlungsverkehr, d. h. als Einleitung der Devisenbewirtschaftung. Wenn aber mit Devisenbeschränkungen einmal begonnen ist, so ruft das erfahrungsgemäss nach immer weiteren Massnahmen, ganz ähnlich wie bei solchen für die Beschränkung des Warenverkehrs.

Die Frage, ob eventuell die weitere Entwicklung der Dinge uns in einem früheren oder späteren Zeitpunkt zwangsläufig zur Devisenbewirtschaftung führen wird, ist zurzeit noch eine offene und wir möchten sie dahingestellt sein lassen. Sicher ist jedenfalls, dass die Einführung der zur Diskussion stehenden Zahlungssperre der Notenbank den Kampf gegen die Abwertungstendenzen (wie sie von gewissen Seiten der Exportindustrie, Freigeldkreisen und ändern postuliert wird) mehr und mehr erschweren und sukzessive zu solchem Misstrauen, Abwanderung der den Banken anvertrauten Gelder und Umwandlung derselben in Sachwerte führen könnte, dass schliesslich eine Abwertung nur noch mit den allerschärfsten Massnahmen aufgehalten werden könnte, wie das Beispiel Deutschland zeigt.12

Dies sind die Erwägungen, die die ablehnende Haltung des Direktoriums der Nationalbank in der zur Diskussion stehenden Frage bestimmen. Über den Erlass einer Zahlungssperre liesse sich seines Erachtens vielleicht dann reden, wenn wir nicht vor dieser bedrohlichen Situation der Banken, unter dem Eindruck des Beispiels Belgien und der durch die Kriseninitiative13 geschaffenen allgemeinen Beunruhigung stehen würden, welche Momente unsere Währung ohnehin in Mitleidenschaft zu ziehen drohen.»

Herr Minister Stucki stellt fest, dass die Nationalbank befürchtet, das bedingte Zahlungsverbot könnte im Auslande Unruhe schaffen. Er möchte aber nun nicht ein Verbot erlassen gegen alle Länder, aber ebenfalls nicht ein solches einzig und allein gegen Deutschland, sondern aus psychologischen, politischen und materiellen Gründen ein Verbot gegenüber denjenigen Ländern, die bereits selbst die Devisenbewirtschaftung eingeführt haben, und zwar gestützt auf einen Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1933, Art. 3, über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland14. Der Sprechende kann sich nicht vorstellen, dass eine solche Massnahme international zu Misstrauen gegenüber dem Schweizerfranken führen würde. Im Gegenteil. Der von ihm ins Auge gefasste Erlass wäre insofern etwas Neues, als wir nicht unbedingt eine Blockierung und Beschlagnahme vornehmen würden, sondern bloss soweit keine Kompensation erfolgt. Gewiss führte eine solche Massnahme sehr weit, aber auch im Innern der Schweiz selber würde sie die bestehende Unruhe kaum vermehren. Hingegen werde die Beunruhigung kommen oder noch steigen, wenn von Seiten des Bundesrates nichts geschieht. Die Durchführung erscheint wohl schwierig, aber nicht unmöglich. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass der Bundesrat spätestens in einigen Monaten ohnehin wird Massnahmen treffen müssen zur Verteidigung unserer finanziellen Lage; dann aber werden die Pfänder weg sein, wenn sie nicht rechtzeitig zurückbehalten werden. Allerdings werde es nicht möglich sein, die vollen 542 Millionen Franken zu erfassen, aber doch einen wesentlichen Teil. Die Frage eines solchen Zahlungsverbotes steht schon seit Oktober 1933 in Diskussion und was Deutschland im besondern anbetrifft, mindestens seit 20. März des laufenden Jahres15.

Herr Bundespräsident Minger stellt fest, dass eigentlich vier Eventualitäten ins Auge zu fassen sind: die bedingungslose Kapitulation vor Deutschland; die Ablehnung des Ultimatums ohne Gegenmassnahmen; die Ablehnung des Ultimatums und gleichzeitige Ergreifung von Gegenmassnahmen (bedingtes Zahlungsverbot); der Versuch einer Kompromisslösung.

Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements teilt mit, der deutsche Geschäftsträger habe ihm erklärt, es bestehe kaum Aussicht, dass Deutschland die Kündigung zurückziehe, wenn die Schweiz nicht sehr wesentlich entgegenkomme. Der Sprechende schliesst sich im allgemeinen den Ausführungen des Herrn Minister Stucki an. Wenn wir die Kündigung annehmen, so müssen wir auch ein Zahlungsverbot erlassen, aber nicht nur gegenüber Deutschland (das wäre ein Schlag ins Wasser), sondern auch gegenüber den ändern Ländern mit Devisenbewirtschaftung (soweit, aber nur soweit können wir auf Grund der gesetzlichen Vorschriften gehen); das genügte aber nicht wegen der Möglichkeit von Manipulationen; nur ein allgemeines Zahlungsverbot kann solche einigermassen verhindern. Zu einem derartigen allgemeinen Zahlungsverbot bedarf es der Ermächtigung durch die Bundesversammlung; wenn wir eine solche im gegenwärtigen Zeitpunkt verlangen würden, so wäre dies ein Eklat mit schwerwiegenden Konsequenzen. Deutschland würde ein nur gegen sich gerichtetes Zahlungsverbot nicht ohne die rücksichtslosesten Gegenmassnahmen beantworten. Am besten wäre eine Kompromisslösung; Deutschland möge auf sein Ultimatum zurückkommen und sich zu weiteren Verhandlungen mit uns bereit erklären. Erst wenn dieser Versuch misslänge, so sollten andere Vorkehren in Aussicht genommen werden. Jedenfalls vermag der Sprechende sich jetzt nicht zu entschliessen, der Meinung des Herrn Stucki zu folgen, es solle das Ultimatum angenommen und mit Gegenmassnahmen beantwortet werden.

Herr Minister Stucki glaubt, dass in erster Linie zu entscheiden sei, ob der Bundesrat überhaupt grundsätzlich bereit wäre zum Erlasse des von ihm vorgeschlagenen bedingten ZahlungsVerbotes. Wenn er dies nicht wolle, so müssten eben unter allen Umständen die Verhandlungen wieder auf genommen werden und wir, wenn auch zähneknirschend, die Deutschen um neue Verhandlungen bitten; Schacht dürfte aber kaum nachgeben, sondern an den 6,5 Millionen festhalten. Die erforderlichen Opfer sollten dann aber auch nicht vom Export getragen werden, sondern von den Banken.

Herr Bachmann ist der Ansicht, dass im Falle des Erlasses eines Zahlungsverbotes durch den Bundesrat nicht die Nationalbank die Länder bestimmen sollte, die darunter fallen; das wäre Aufgabe der politischen Behörde.

Hier werden die Verhandlungen abgebrochen; sie sollen am Nachmittag fortgesetzt werden.

1
E 1004 1/351. Absent: Pilet-Golaz.
2
Le jour précédent, le 31 mars 1935, une réunion a lieu au Palais fédéral en présence des Conseillers fédéraux E. Schulthess et A. Meyer, du Directeur de la Division du commerce, W. Stucki, du Président du Directoire de la Banque nationale, G. Bachmann, du Président de l’Union des Banques cantonales suisses, R. Wittmer, ainsi que de plusieurs directeurs de banque. W. Stucki y défend son point de vue et prend ses distances d’avec les représentants des banques: [...] Es ist zu bedenken, dass man Deutschland im Juli 1934, als man mit einem schweizerischen Import aus Deutschland von 35 Millionen monatlich rechnete, eine Reichsbankquote von 5 Millionen in Aussicht stellte. Deutschland erklärte bald einmal, dass es eine Verbesserung beanspruchen müsse, weil die Reichsbank nicht zu ihrer vertraglich vorgesehenen Devisenquote kam, da die Stillehaltezinsen in erster Linie daraus zu bezahlen waren. Dieser deutsche Standpunkt war begreiflich, und wir richteten uns denn auch darauf ein und schlugen die Schaffung einer Priorität vor. Wir waren auch bereit, für die Zinsen der lang- und mittelfristigen Forderungen sehr weit – bis auf 1,5% durchschnittlich – zurückzugehen, wobei wir uns mit der Fundierung des so verbleibenden nicht zu transferierenden Restes von 80 Millionen Fr. einverstanden erklärten. Die deutsche Delegation berichtete entsprechend unsern Vorschlägen nach Berlin und erhielt auf dieser Basis Vollmacht zum Abschluss der Verhandlungen. Freitag Morgen, um 9 Uhr, kam der deutsche Delegationsführer mit den aus Berlin erhaltenen telegraphischen Instruktionen zu mir, und ich setzte mich in der Bundesratssitzung auf Grund dieser Instruktionen für den Abschluss eines Abkommens auf dieser Grundlage ein. Deutschland erklärte sich mit unsern Vorschlägen betreffend die Reichsbankquote einverstanden, womit die Frage dieser Quote als erledigt zu betrachten war. Freitag abends herrschte denn auch anlässlich des uns von der deutschen Delegation gebotenen Nachtessens eine festliche Stimmung. Der deutsche Gesandte fuhr am nächsten Tag privat ins Ausland, weil auch er offenbar der Meinung war, dass die Sache im Blei sei und keine grundlegenden Aenderungen mehr zu erwarten waren. Samstag übergibt uns die deutsche Delegation ein Schriftstück mit der Bestätigung der Abmachungen des Vortages. Abends, gegen 6 Uhr, kommt hierauf der Führer der deutschen Delegation zu mir, um mir mitzuteilen, dass er aus Berlin andere Weisungen erhalten habe, wonach die bisherigen Abmachungen als nicht geschehen zu betrachten seien und Deutschland einen freien Saldo für die Reichsbank verlangen müsse, der bedeutend über dem jemals vorgesehenen Maximum lag. Gleichzeitig eröffnete man mir, dass der deutschen Delegation ein Markten über diese strikte Instruktion verboten sei. Wenn Deutschland gesagt hätte, dass es einem neuen Vertrag nur zustimmen könnte, wenn der Reichsbank monatlich 5 Millionen reserviert würden, so hätte ich allenfalls darauf einlenken können. So aber waren alle Mitglieder unserer Delegation mit mir einig, dass wir der Reichsbank unmöglich eine bedeutend höhere Quote bewilligen könnten als dies in sehr viel bessern Zeiten, d. h. beim Abschluss des Verrechnungsabkommens, vorgesehen war. Ich lehnte die deutschen Vorschläge daher ab. Auch wenn Herr Dr. Hirzel sich seines Auftrages früher hätte entledigen können, wäre mir eine andere Stellungnahme nicht möglich gewesen, weil der Bundesrat seinen Beschluss bereits gefasst hatte. Die deutsche Kündigung wurde dann abends 7 Uhr dem Nachtwächter im Ostbau gegen Quittung übergeben. Die ganze deutsche Umstellung rührt offenbar davon her, dass Schacht die Belga-Krise benützen wollte, um möglichst viel herauszuholen. Die deutsche Forderung (3,5 Millionen zur Befriedigung der Stillehaltezinsen plus 3 Millionen als Rohstoffquote) wurde daher möglichst unannehmbar gestellt. Die Rohstoffquote von monatlich 3 Millionen wurde damit begründet, dass in der deutschen Ausfuhr nach der Schweiz von monatlich 25 Millionen eine Rohstoffquote von 5 Millionen enthalten sei, wogegen die schweizerische Rohstoffquote bei einer schweizerischen Ausfuhr nach Deutschland von 10 Millionen nur 2 Millionen betrage. Das sich hieraus ergebende Defizit von 3 Millionen sei somit Deutschland in Devisen zu ersetzen. Diese Theorie ist aber reiner wirtschaftlicher Wahnsinn, und wenn wir uns darauf einlassen würden, so könnten dann sämtliche Länder uns gegenüber dasselbe Ansinnen stellen. Deutschland versuchte es mit dieser Rohstofftheorie übrigens auch mit Frankreich, wobei Frankreich aber an seiner Ablehnung festhielt. Der deutsch-französische Bruch lag in der Luft, bis gestern Abend 7 Uhr, kurz vor Ablauf der Kündigungsfrist, Deutschland auf seine Forderung verzichtete und Frankreich gegenüber nachgab, um sich dann mit umso grösserer Wucht auf die Schweiz zu stürzen. Es stellt sich nun die Frage, was wir zu tun haben. Das Resultat unseres Nachgebens wäre meiner Ansicht nach, dass Schacht an seiner Forderung der 6,5 Millionen festhalten und sich nicht auf einen Mittelvorschlag einlassen würde. Wir dürfen uns jetzt unter keinen Umständen schwach zeigen, sonst ist unsere Verhandlungsposition in Zukunft unhaltbar. Immerhin ist es Sache des Bundesrats, darüber Beschluss zu fassen; wenn er sich aber – entgegen meiner ernsten Warnung – doch zum Nachgeben entscheiden sollte, so möchte ich bitten, dass ein solcher Entscheid der deutschen Delegation von einem ändern als mir eröffnet wird.[...] ( J.I.131/22– 24).
3
Non reproduit. Cf. Deutscher Entwurf zu einem Vorvertrag in J. 1.131/22–24.
4
Pour l’accord en vigueur, cf. no 84, n. 8.
5
Suite à une rumeur de dévaluation, les banques belges subissent d’énormes retraits en or à partir de jan vier 1935. Fin mars 1935 un nouveau gouvernement est formé qui dévalue le franc belge.
6
Lors de la séance du 31 mars 1935, A. Jöhr expose le point de vue des banques: [...] Der Streit mit Deutschland geht eigentlich gar nicht um sehr grosse Beträge. Allerdings ist zuzugeben, dass wir den Deutschen nicht nachlaufen können. Ist aber nicht eine Brücke noch möglich? Wir glauben doch, denn schliesslich hat niemand ein Interesse am Krieg. Schacht verlangt statt den von uns angebotenen 4,1 Millionen 6,5 Millionen monatlich als Reichsbankquote. Wenn Deutschland mehr freie Devisen gegeben werden müssen, so bliebe – wollte man dieses Mehr bei den Finanzgläubigern holen – für diese Gläubigerkategorie nichts mehr übrig. Es ist daher gescheiter, auf Kosten der Stillehaltezinsen noch etwas herauszuholen, dadurch nämlich, dass nur noch 3/4 der Stillehaltezinsen transferiert würden, der Rest aber in Deutschland stehen bliebe. Dies wäre also eine weitere Konzession der Stillehaltegläubiger, neben der bereits zugesagten Senkung der Zinsen von 41/2% auf 4%. Hiermit wäre schon 1 Million gewonnen, denn Deutschland brauchte nicht mehr 3% Millionen zu transferieren, sondern nur noch 21/2 Millionen. Dazu könnte man Deutschland in der II. Kategorie statt der 10% des 5 Millionenüberschusses 20% geben, was eine weitere Million ausmachen würde. Der dann noch verbleibende Rest wäre auf Kosten des Warenexports herauszubringen. Über die so skizzierte Brücke könnten die Beziehungen wieder angeknüpft werden. Ich möchte also fragen, ob es sich lohnt, wegen einer Differenz von 18 Millionen im Jahr alle diese angedeuteten Gefahren heraufzubeschwören (J.I.131/22–24).
7
Cf. DDS vol. 10, rubrique IX: Enumération des avoirs suisses dans quelques pays.
8
G. Bachmann déclare à la séance du 31 mars 1935: Ich glaube nicht, dass die Einführung des Zahlungsverbots von gutem wäre, kann jedoch nicht sagen, ob dies zu einem Börsenschluss führen würde. Ferner ist festzuhalten, dass jetzt schon bei einer Reihe von Banken starke Rückzüge stattfinden, sodass nachher das Schlimmste zu befürchten wäre. Ich rate daher von einem solchen Beschluss ab. Sollte der Bundesrat dennoch das Zahlungsverbot beschliessen, so wäre die sofortige Ergreifung von Devisenmassnahmen gegenüber allen Ländern nötig (J.I.131/22–24).
9
A. Jöhr s’exprime sur l’interdiction de payer lors de la même séance: [...] Die Konsequenzen würden sein, dass man nach Verhängung der Zahlungssperre im Inland zuerst grossen Beifall ernten würde, worauf dann aber der Katzenjammer nachfolgen und der Run auf die Banken einsetzen würde. Ich frage nochmals, ob dies der Mühe wert ist, nur um Satisfaktion gegenüber einem allerdings unwürdigen Verhalten Deutschlands zu erhalten. Für mich besteht kein Zweifel, dass aus allen Ländern die in der Schweiz liegenden Guthaben zurückgerufen würden (J.I.131/22–24).
10
Non retrouvé.
11
Cf. no 117, n. 11.
12
Le franc sera dévalué le 26 septembre 1936; cf. no 297.
13
Déposée le 30 novembre 1934 par le Comité d’action pour une initiative tendant à combattre la crise économique. L’article 1er du texte de l’initiative a la teneur suivante: La Confédération prend les mesures nécessaires pour combattre la crise économique et ses conséquences. Ces mesures ont pour but d’assurer des conditions d’existence suffisantes à tous les citoyens suisses. Cf. Rapport du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale sur l’initiative populaire pour combattre la crise économique et ses effets, du 8 janvier 1935 (FF, 1935, I, pp. 9ss.). Cf. aussi le Rapport du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale..., du 6 mars 1935 (FF, 1935,1, pp. 273ss.). Soumise au vote populaire le 2 juin suivant, l’initiative de crise sera refusée par 567425 votants contre 425242, et par 16 cantons et 4 demi-cantons contre 3 cantons et 2 demi-cantons. Cf. Message du Conseil fédéral à l’Assemblée fédérale concernant le résultat de la votation populaire du 2 juin 1935 sur la demande d’initiative pour combattre la crise et ses effets, du 5 juillet 1935 (FF, 1935, II, pp. 77ss.).
14
Cf. le Message du Conseil fédéral sur la promulgation de mesures économiques contre l’étranger in FF, 1933, II, pp. 390 ss.; pour l’arrêté fédéral cf. RO, 1933, vol. 49, pp. 831 ss.
15
Le 20 mars 1935a lieu une conférence confidentielle sur la situation présente et future du trafic de compensation avec l’Allemagne. Le DEP est représenté par E. Schulthess et W. Stucki, le DFDpar A. Meyer. Les autres participants sont les représentants de la Banque nationale, l’Association suisse des banquiers, l’Administration des postes, télégraphe et téléphone et le Vorort de l’Union suisse du commerce et de l’industrie: Minister Stucki: Die schweizerischen Kapitalien sind in Deutschland blockiert; die deutschen in der Schweiz jedoch frei. Er stellt die in der Öffentlichkeit viel besprochene Frage der Erfassung der deutschen Kapitalien zur Diskussion. Es handelt sich hauptsächlich darum, die im Publikum weit verbreiteten falschen Ansichten zu widerlegen. Es stellt sich die Frage, ob in dieser Richtung etwas vorgenommen werden soll und darf. Sie wurde bereits anlässlich vergangener Verhandlungen mit der deutschen Regierung erörtert; diese will jedoch aus begreiflichen Gründen nichts davon wissen. Rechtlich ist die Lage die, dass der Kapitalverkehr durch das Abkommen nicht geregelt ist; es wäre daher keine Verletzung vertraglicher Bindungen, wenn ein Kapitalmoratorium gegen Länder mit Devisenbewirtschaftung dekretiert würde. Bundesrat Schulthess: Diese Verfügung könnte gegebenenfalls auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 14. Oktober 1933 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland getroffen werden. Sie setzt jedoch eine Kontrollmöglichkeit über den gesamten Kapitalverkehr voraus. Prof. Bachmann: Nach den bisherigen Erfahrungen werden auf dem Zinsenkonto ungefähr 22 Millionen eingehen. Wenn man diesen Betrag kapitalisiert unter Berücksichtigung der verschiedenen Anlagen, kommt man auf ungefähr 472 Millionen. Auf Grund der Erhebungen bei 7 Grossbanken sind dazu zu zählen: [...] Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46030. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46030. For the table, cf. dodis.ch/46030. Per la tabella, cf. dodis.ch/46030. Nicht inbegriffen in dieser Summe sind die in deutschem Eigentum stehenden Liegenschaften in der Schweiz; dann sind auch die in der Schweiz anfallenden Erbschaften zu berücksichtigen. Der Einbezug fälliger Kapitalforderungen in das Verrechnungsabkommen wäre natürlich sehr erwünscht; eine Kontrolle ist jedoch fast unmöglich.[...] (J.I.131/22–24).