Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
1. Allemagne
1.5. Affaires de presse
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 10, Dok. 333
volume linkBern 1982
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001C#1000/1534#2414* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(C)1000/1534 132 | |
Dossiertitel | Neue Zürcher Zeitung (1933–1936) | |
Aktenzeichen Archiv | B.73.3.2 • Zusatzkomponente: Deutschland |
dodis.ch/45875
Wie Ihnen bereits angekündigt, bin ich gestern abend zwischen 6 und 7 Uhr vom Reichsaussenminister2 empfangen worden. Nachdem ich ihm dafür gedankt hatte, dass er sich noch am Tage meines Begehrens um eine Audienz mir zur Verfügung stelle, teilte ich ihm mit, dass ich den Auftrag erhalten habe, wegen der Zeitungsverbote gegen schweizerische Zeitungen, vornehmlich der Neuen Zürcher Zeitung, bei ihm in eindringlicher, aber ebenso freundschaftlicher Weise vorstellig zu werden3
. Der Bundesrat betrachte in der Tat diese jüngsten Massnahmen als eine sehr bedauerliche Belastung für unsere gegenseitigen Beziehungen, die wahrlich neuer Erschwerungen nicht bedürften. Und wenn auch der Bundesrat vorderhand von Gegenseitigkeitsmassnahmen Abstand nehmen wolle, so könne er sich nicht verhehlen, wie das schon aus verschiedenen Kundgebungen nicht nur in der Presse, sondern aus weitesten schweizerischen Kreisen hervorgehe, dass bei der Fortsetzung dieser Politik gegen die Schweizerpresse, sich ihm, dem Bundesrat, Abwehrmassnahmen aufdrängen müssten.
Freiherr von Neurath unterbrach mich hier, um mir zu eröffnen, dass er sich der Sache bereits angenommen habe und sich im Hinblick auf meinen Besuch eingehenden Vortrag habe erstatten lassen. Er könne mir insbesondere folgendes mitteilen:
1. Das Verbot der National-Zeitung sei mit dem gestrigen Tage abgelaufen und er habe verlangt, dass ihr keine weitern Schwierigkeiten gemacht werden. Das will offenbar heissen, dass etwa von einer Verlängerung des Verbots nach der vierzehntägigen «Bewährungsfrist» Umgang genommen werde. Dazu ist ferner zu bemerken, dass mir gestern früh von Basel gemeldet wurde, man verweigere dort an der Aufgabestelle des Badischen Bahnhofs die Annahme von Sendungen der NationalZeitung nach Deutschland. Auf unsere sofortige Vorstellung bei der Presseabteilung im Auswärtigen Amte hat uns diese ihre Unterstützung zugesagt. Auch davon wird der Minister gehört haben.
2. Die Zürcher Volkszeitung sei bis auf weiteres verboten worden wegen heftiger Angriffe auf die Person von Mitgliedern der Reichsregierung. Ganz persönliche Anfeindungen könnten nicht geduldet werden, und wenn sie von seiten der Zürcher Volkszeitung unterblieben, so würden auch ihr keine weitern Schwierigkeiten gemacht werden. Da wir diese Zeitung nicht erhalten und uns auch keine Ausschnitte aus derselben zugestellt worden sind, so war ich nicht in der Lage, mich zu den Vorwürfen, die der Zürcher Volkszeitung gemacht werden, zu äussern.
3. Was die Neue Zürcher Zeitung betrifft, so bestätigte der Aussenminister, dass man insbesondere in der letzten Zeit ihren gemässigten, sachlichen Ton mit Genugtuung vermerkt habe, umsomehr als man ihre verhältnismässig grosse Verbreitung in Deutschland kenne. Aber gerade deswegen hätten dann vereinzelte, sehr kritische Artikel bei gewissen Stellen besondern Anstoss erregt. Man habe ihm namentlich den «Süddeutsche Eindrücke» betitelten Aufsatz genannt; er habe diesen zwar selbst nicht gelesen, da er ihm nicht habe verschafft werden können. Da ich die betreffende Nummer der N.Z.Z. bei mir trug, so durchgingen wir den Artikel rasch miteinander. Herr von Neurath meinte, diese «Eindrücke» seien in der Tat nicht sonderlich freundlich und wohl geeignet, in gewissen deutschen Kreisen arg zu missfallen. Aber, so wie er die Verhältnisse in Süddeutschland, namentlich in seinem Württemberg kenne, halte er es für durchaus nicht ausgeschlossen, dass so ein bescheidener Bürgermeister sich habe dahin vernehmen lassen, dass man die Gemeindebehörden jetzt «im Drecke stecken lasse». Bestimmt wisse er nur, dass die «innern Stellen» sehr unzufrieden seien und an dem vierzehntägigen Verbote jedenfalls festhalten werden. Er hoffe aber zuversichtlich, dass es damit sein Bewenden haben werde.
Da die sog. innern Stellen solcherweise in den Vordergrund geschoben wurden, so glaubte ich nun diese schärfer aufs Korn nehmen zu dürfen.
Ich setzte dem Aussenminister auseinander, dass er mir zugeben und uns zugute halten werde, dass wir uns in Beschwerden gegen die deutsche Presse bisher die grösste Zurückhaltung auferlegt hätten, ja dass wir, abgesehen von einigen besonders gearteten Fällen, die wir mit seiner Presseabteilung besprochen haben, von Vorstellungen überhaupt Umgang genommen hätten. Und doch sei in der offiziellen Parteipresse, nicht zuletzt in den verschiedenen «Beobachtern» unter ausdrücklichem Hinweis auf die Schweiz allerlei zu lesen gewesen über das grössere Deutschland, seine noch nicht feststehenden Grenzen, die unerlösten Brüder, dem Rückwege zum Reich, dem feigen, krankhaften Liberalismus, der faulen Demokratie, u.a.m. Wir hätten uns allerdings keineswegs aufgeregt und nicht in den Fehler verfallen wollen, verdrehte und unwahre Unterstellungen etwa ernst zu nehmen. - Da haben Sie auch ganz recht gehabt, solchen Unsinn nicht zu beachten, meinte Herr von Neurath.
Ich erwiderte, unser Verhalten berechtige aber die innern Stellen keineswegs, die nicht imstande oder willens gewesen sind, uns von derartigen Zudringlichkeiten und Schmähungen zu verschonen, nun mit der primitiven Waffe des Verbots zu fechten jedesmal, wenn bei im allgemeinen sachlich gehaltenen und als solche anerkannten Betrachtungen unserer Presse gelegentlich ein herberes Wort oder ein schärferer Satz mitläuft. Es müsse doch zugegeben werden, dass wir da mindestens soviel Anlass hätten, einzugreifen als auf deutscher Seite. Denn wenn auch unsere Zeitungen in Deutschland einen gewissen Einbruch in das heutige System der strengen Pressezensur bedeuteten, so komme doch jenen bedenklichen Auslassungen der hochparteilichen deutschen Zeitungen insofern eine besondere Bedeutung zu, als sie eben mit Duldung und stillschweigender Zustimmung, um nicht mehr zu sagen, der zuständigen innern Stellen erscheinen und verbreitet werden. Dies dürfte letzteren bei diesem Anlass unverhohlen zum Bewusstsein gebracht werden.
Ich erwähnte noch, aber ohne besondern Nachdruck, dass andere auswärtige Zeitungen von Bedeutung, wie z.B. der Pariser «Temps» oder die Londoner «Times, » nicht verboten worden seien, trotzdem darin noch ganz anderes zu lesen steht als etwa in der Neuen Zürcher Zeitung. Wir stellten aber gemeinsam fest, dass man es hier eben von jenen ausländischen Zeitungen kaum anders erwarte.
Ich glaubte auch, das Argument nicht besonders betonen zu sollen, dass die fremde Kolonie, in unserm Falle die Schweizer in Deutschland einen eigentlichen Anspruch darauf hätten, die Zeitungen aus der Heimat ungehindert zu empfangen. Darüber Hesse sich wohl streiten, und im übrigen würde sich der Einwand mit 31/2Mal mehr Kraft gegen uns wenden am Tage, wo in der Schweiz ein Verbot gegen deutsche Presseerzeugnisse ernstlich in Frage käme4.
Ich glaube sagen zu dürfen, dass meine Ausführungen ihren Zweck nicht ganz verfehlten. Nicht nur nahm sie Freiherr von Neurath mit grösster Liebenswürdigkeit, bisweilen mit bestem Humor entgegen, er erklärte mir auch, dass er meinen Schlussfolgerungen durchaus beipflichte und bereit sei, sich für einen Widerruf des gegen die Neue Zürcher Zeitung erlassenen Verbots vorab beim Reichsministerium des Innern nachdrücklich einzusetzen. Ich hatte ihm erklärt, dass der Bundesrat darin einen ersten Beweis des gegenseitigen Verständigungswillens in dieser für unsere Beziehungen nicht unbedeutsamen Angelegenheit erblicken würde, was auch in der Schweiz allgemein begrüsst werden müsste. Herr von Neurath fügte zwar bei: Ich kann Ihnen noch nicht versprechen, dass ich Erfolg haben werde; aber ich verspreche Ihnen, mein Möglichstes zu tun. -
Ich will also meinerseits hoffen, dass da ein Erfolg uns beschieden sein möge, dank der so ausgesprochen freundschaftlichen Gesinnung Herrn von Neuraths unserem Lande und, ich darf sagen, auch mir persönlich gegenüber5.
[...]6
- 1
- Lettre: E 2001 (C) 4/132. Remarque marginale de G. Motta: Herr Dinichert hat seine Sache sehr gut gemacht. Herr von Neurath hat sicher die besten Absichten, die werden nun sehen... 13.9.33.↩
- 3
- Cf. no 330.↩
- 5
- Malgré la compréhension du Ministre des Affaires étrangères du Reich, la mesure prise à rencontre de la Neue Zürcher Zeitung n’est pas reportée. Mieux encore, ce journal est à nouveau interdit pour un mois le 20 octobre, ce qui entraîne une nouvelle démarche du Ministre de Suisse auprès du Ministre des Affaires étrangères (Cf. PVCF du 23 octobre 1933 E 1004 1/342).↩
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