dodis.ch/45659

Le Directeur ministériel auprès de l’Office des Affaires étrangères du Reich, K. Ritter, au Ministre de Suisse à Berlin, H.Rüfenacht1

Zur Ergänzung meiner gestrigen Mitteilungen2 über die Höhe der deutschen Verschuldung gegenüber der Schweiz möchte ich Ihnen noch Folgendes mitteilen.

Auf Grund einer Notverordnung vom 27. Juli 1931 hat in Deutschland in den letzten Monaten eine amtliche statistische Erhebung über die deutschen Auslandsschulden aller Art (mit Ausnahme von Anlagen des Auslands in Deutschland wie Effekten, Grundstücke usw.) stattgefunden während vorher in Deutschland und wohl auch im Ausland nur Schätzungen Vorlagen und auch diese Schätzungen sich meistens nur auf gewisse Klassen von Schulden oder Forderungen bezogen haben. Man kann daher davon ausgehen, dass die Zahlen dieser amtlichen deutschen Statistik das Vollständigste und Zuverlässigste darstellen, was zurzeit verfügbar ist. Die Statistik ist soweit abgeschlossen, dass gewisse Endzahlen bereits endgültig feststehen. Sie ist aber noch nicht so weit durchgeführt, dass die Zahlen und die einzelnen Arten der Schulden in ihrem innern Verhältnis zueinander schon zuverlässig bewertet werden können. Aus diesem Grund sind bisher auch nur die wichtigsten Endzahlen veröffentlicht worden (vgl. die Ausgabe des Wolffschen Telegraphenbüros von heute, Nr. 2286).

Die Endzahlen für die deutsche Verschuldung an die Schweiz sind folgende:Schulden mit einer Laufzeit von 1- 6 Monaten 2,65 Milliarden RM. Schulden mit einer Laufzeit von 6-12 Monaten 0,294 Milliarden RM. Schulden mit einer längern Laufzeit 1,043 Milliarden RM.

Wir sind von der Höhe der ersten Zahl gleichfalls sehr überrascht. Wir sind bisher für die kurzfristige Verschuldung auch von Schätzungen ausgegangen, die näher an der Schätzung der Schweizer Nationalbank liegen. Diese Schätzung der Schweizer Nationalbank betrifft aber, soweit ich unterrichtet bin, nur die Forderungen der Schweizer Banken selbst. Offenbar sind die Schuldverhältnisse mit anderen Unternehmungen und Persönlichkeiten in der Schweiz als Banken viel umfangreicher, als bisher angenommen worden ist. Allerdings wird man davon ausgehen können, dass in der deutschen Statistik manche Forderungen zweimal erscheinen. So können z.B., wenn ein Schweizer Unternehmen, das keine Bank ist, einen Kredit unmittelbar nach Deutschland gegeben hat und eine Schweizer Bank dafür eine Bürgschaftsverpflichtung übernommen hat, solche Forderungen in der deutschen Statistik zweimal erscheinen. Darauf bezieht sich, was ich oben gesagt habe, nämlich dass die innere Bewertung der Zahlen in ihrem Verhältnis zueinander noch nicht durchgeführt werden konnte. Das ist der Grund, warum ich Sie bitten möchte, die obigen Zahlen nur intern zu verwenden und nicht etwa an die Öffentlichkeit zu bringen.

Die gleiche Wahrnehmung wie in dem Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland ist auch bezüglich der gesamten deutschen Verschuldung zu machen, nämlich dass das Ergebnis der amtlichen Statistik viel höher ist als die bisherigen Schätzungen. Nach der obengenannten Veröffentlichung im WTB beträgt die gesamte kurzfristige Auslandsverschuldung Deutschlands von 1-12 Monaten 12 Milliarden RM, während der Bericht des sogenannten Wiggin-Komitees3 in Basel vom 18. August 1931 noch von 8 Milliarden RM ausgegangen ist4.